Georg Penker hat die Grünanlagen der Uni konzipiert.
Vor 50 Jahren konzipierte Landschaftsarchitekt Georg Penker die Außenanlagen der Uni. Was daraus geworden ist, enttäuscht ihn.
Auf den Terrassenstufen vor dem Oeconomicum, dem Institut für Volkswirtschaft der Uni, sitzt ein junges Paar im Sonnenschein. Kaffeebecher in der Hand. Lachen. Auf dem kleinen See davor ziehen Enten ihre Bahnen, eine Libelle tanzt über der Wasserfläche, verschwindet im Schilf. Die Pflanzen haben sich in den letzten Jahren ziemlich breitgemacht, lassen den See auf Teichgröße schrumpfen. „Eine Idylle ist das hier“, meint das Studentenpaar. Kommt auf den Blickwinkel an. Denn es gibt da auch eine andere Sicht.
Am selben Morgen schlendert auch Georg Penker (93) mit seiner Frau Erika über den Campus. Beide sind Landschaftsarchitekten, er hat vor 50 Jahren die Außenflächen des Campus konzipiert, gemeinsam haben sie diese Ideen in konkrete Pläne verwandelt: alle Wege, Plätze, Wasserflächen, Grünanlagen, Blickachsen. Jeden Baum. Penker gilt als einer der bedeutendsten Landschaftsarchitekten Deutschlands. Zurzeit werden die Entwürfe von einst mit einer Ausstellung im Haus der Universität, teils mit Originalfotografien, gewürdigt – einem Studentenprojekt. Jetzt steht das Paar am See vor dem Oeconomicum, sieht auf die Wasserfläche („man kommt ja gar nicht mehr ran“), auf das wuchernde Schilf: „Überall Wildwuchs!“Als die beiden ihren Rundgang fortsetzen, ist ihnen anzusehen: Glücklich sind sie dabei nicht.
Rückblick: „Das war damals eine große Chance“, erinnert sich Penker. Denn er wurde Ende der 1960er Jahre nicht erst gerufen, als die Uni-Gebäude fertig waren (wie sonst üblich, auch beim Uni-Bau in Bochum), sondern war von Beginn an in die Planung miteinbezogen. Es existiert ein Video, in dem er diese Anfänge schildert, auch wel- che Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden mussten. „Denn ursprünglich sollte die Autobahn das Unigelände zerteilen, das war die erste Idee, von der man allerdings schnell abließ.“Dann sollte die vierspurige Straße sechs Meter tiefer gelegt werden – in offener Bauweise. Schließlich entschied man sich für eine menschenfreundlichere Lösung und ließ den Verkehr in einem geschlossenen Tunnel ver- schwinden.
Auf diesem Tunneldeckel und dem angrenzenden Areal verwirklichte Penker dann sein Konzept. Vorrangiges Ziel: Er wollte den nüchternen Zweckbauten etwas Sinnliches entgegensetzen, Architektur und Natur verbinden, Flächen schaffen, auf denen sich Studierende wohlfühlen, wo sie Pausen einlegen, Institute und Hörsäle zu Fuß erreichen können: Ein grünes Band zwischen dem Beton, das bis zum Botanischen Garten reicht, der wissenschaftlichen Oase der Universität mit ihrer gläsernen Gewächshauskuppel. Sie zu betreten, bedeutet buchstäblich, in einer anderen Welt zu sein, botanisch gesehen, mit Pflanzengruppen, die sonst nur in Japan, Nordamerika und dem Kaukasus gedeihen. Fazit der Studenten: „Ein Geheimtipp, mit der U73 und U79 in wenigen Minuten aus der Stadt zu erreichen.“
Bei seiner Planung des Uni-Geländes diente Georg Penker die unmittelbare Umgebung als Inspiration: Die Deiche der Rheinlandschaft und vor allem des nahen Brückerbachs wurden zu einem Leitmotiv („ich lasse oft die Natur mitplanen“), so ließ er an den zentralen Parkplätzen der Universität Erdhügel in unterschiedlicher Höhe mit Rasen bepflanzen. Ähnliche „Erdskulpturen“schuf er auch auf dem zentralen 1500 Meter langen Weg von der Mensa zur Zentralbibliothek, gepflastert mit niederrheinischen Ziegeln – ein Pfad mit horizontalem Schwung. Schließlich habe er in seinem Leben beim Gehen immer die besten Gespräche geführt. Ob das den Studierenden, die hier jeden Tag unterwegs sind, auch so ergeht, ob sie die sanften Steinhügel überhaupt wahrnehmen?„Wenn sie ins Stolpern geraten, dann schon“, witzelt Christof Baier, Junior-Professor für Europäische Gartenkunstgeschichte.
Er hat gemeinsam mit seiner Kollegin Gina Möller das Projekt„CampusMomente“angeregt und begleitet, bei dem sich Studierende mit der Universität und ihrer Umgebung auseinandersetzen. Das erste Ergebnis ist eine Ausstellung (bis 12. Oktober) im Haus der Uni am Schadowplatz mit alten Plänen und Originalfotos von Georg Penker aus drei Jahrzehnten. Sie zeigen einen Campus imWandel: Einen Parkplatz, der damals nur spärlich besetzt war (wäre heute undenkbar). Eine Wiese, die an einem Sommertag für ein Sonnenbad genutzt wurde, existiert längst nicht mehr, dort entstand die neue Service-Zentrale der Uni. Eine Betonwand von wildem Wein überwuchert - die Pflanzen sind längst verschwunden, nur noch ein paar graue Spuren sprenkeln die Wand.
Auf ihrem Rundgang haben Erika und Georg Penker ihren liebsten Platz erreicht, direkt vor dem Hauptgebäude der Geisteswissenschaften: Eine lange Platanenreihe setzt markante grüne Akzente, gegenüber schwingt sich eine Backsteinmauer hoch zu einer weiteren Bauminsel, davor rohe Betonbänke und Tische (die keine Gnade finden vor Penkers kritischen Augen), dafür umso mehr die Heine-Buch-Skulptur von Bert Gerresheim und – im Gebäude dahinter – das Wandrelief von Andy Warhol: „Das ist ein gutes Zusammenspiel.“
Wäre da nicht die Böschung, auf die sein Blick gerade fällt, die Backsteine überwuchert von Gräsern – „die werden dadurch zerstört.“Die Platanen auf einem Platz darunter hätten längst mal einen Schnitt gebraucht, ein gefällter Baum wurde nicht ersetzt – irgendwie ein trister Ort, der Penkers Zorn weckt: „Ich empfinde das als Beschädigung meinesWerks.“Er spricht vom Schicksal der Landschaftsarchitekten, die mit aller Sorgfalt planen, aber später keinen Einfluss darauf haben, ob ihrWerk gepflegt und weiterentwickelt wird. Genau das vermisst er auf dem Campus.
Und trifft damit auch die Einschätzung der Studierenden, die die Ausstellung organisiert haben und die ebenfalls die mangelnde Pflege kritisieren. Sie wünschen sich außerdem: „Es müsste mehr Bänke auf dem Gelände geben, überhaupt mehr Orte der Kommunikation.“Da wird die unlängst initiierte „Unkraut-Initiative“der Hochschul-Verwaltung wohl kaum reichen, um den Campus wieder aufblühen zu lassen – in alter Frische.