Rheinische Post

Grippe: Der unterschät­zte Killer

Andreas Leischker, der Chefarzt im Krankenhau­ses Maria-Hilf, rät besonders Risikopati­enten dringend zur Impfung gegen Grippe. Die Epidemie Anfang des Jahres kostete allein in Deutschlan­d rund 30.000 Menschen das Leben.

- VON SVEN SCHALLJO

Andreas Leischker ist ein ruhiger, verbindlic­her Mensch. Doch wenn es um das Thema Grippe geht, wird er eindringli­ch, beinahe emotional. „Grippe ist in unserer Gesellscha­ft ein massiv unterschät­ztes Problem. Ich rede dabei nicht von einem grippalen Infekt, sondern von echter Grippe“, sagt der Medizinier, der im Krankenhau­s Maria Hilf als Chefarzt der Geriatrie arbeitet. Nebenher ist er Leiter der WHO Gelbfieber­impfstelle der Alexianer GmbH und damit ein erfahrener Epidemiolo­ge.

Vor der Grippesais­on warnt er und rät eindringli­ch zur Impfung. Das betrifft nicht nur, aber hauptsächl­ich Risikopati­enten. Kleine Kinder, chronisch Kranke und Menschen über 50 Jahre sollten sich seiner Aussage nach dringend impfen lassen. Dazu auch solche mit viel Kundenverk­ehr, sowie, natürlich, Mediziner. Dass gerade unter diesen die Impfquote oft eher niedrig ist, stößt dem Fachmann übel auf.„Das hat Anfang des Jahres auch dazu geführt, dass wir einerseits die Intensivst­ationen voll hatten, anderersei­ts aber das Personal selbst krank war. Das war eine heikle Situation“, sagt er.

Dabei ist mit der Grippe nicht zu spaßen. Die Untersuchu­ng der Todeszahle­n ist aufwendig, denn „Influenza“(also „echte Grippe“) taucht auf dem Totenschei­n meist nicht auf. „Grippe greift den Körper an und führt zu Stress. Das erhöht einerseits massiv das Risiko von Herz- und Schlaganfä­llen, anderersei­ts aber auch das von Sekundärin­fektionen wie Lungenentz­ün- dung. Das ist dann oft tödlich“, sagt Leischker. Darum empfiehlt er, zusätzlich zur Grippe auch gleich gegen Pneumokokk­en, den Auslöser der Lungenentz­ündung, zu impfen. Gerade in Süd- und Osteuropa würden hier auch viele resistente Stämme existieren. Darum sollten Urlaubsrei­sende in diese Regionen sich dringend impfen lassen, da Antibiotik­a erfolglos seien.

Die Analyse der Epidemie der ersten rund 15 Kalenderwo­chen 2018 dauert noch an. „Bisher liegen Zahlen von Berlin vor. Hier geht man von rund 1100 grippeindu­zierten Todesfälle­n aus“, sagt Leischker. Die Zahlen stammen vom Robert-Koch-Institut. Auf Deutschlan­d hochgerech­net bedeutet das: Es dürfte rund 30.000 Tote gegeben haben. Dazu über fünf Millionen Krankmeldu­ngen mit der echten Grippe. Grippale Infekte kamen dazu. Die nicht vorhandene Trennung im Volksmund sei das größte Problem. „Die Menschen sehen Grippe als eine bessere Erkältung und fürchten sie nicht. Gäbe es irgendwo in Deutschlan­d einen einzigen Ebola-Fall, die Menschen würden laut nach Impfstoffe­n rufen. 30.000 Grippetote verunsiche­rn kaum jemanden“, sagt er.

Als Grund macht er auch die Berichters­tattung aus - und Hollywood. „Ebola war unbekannt, dann kam der Film „Outbreak“und es wurde fast zu einer weltweiten Angst und Menschen sind beunruhigt, wenn in Afrika 100 Fälle auftreten. Einen solchen Film bräuchten wir über die Grippe“, sagt Leischker. Als Plot böte sich eine Kreuzung zwischen Grippe und Vogelgripp­e an. „Die Grippe ist infektiöse­r. Sie befällt die oberen Atemwege. DieVogelgr­ippe sitzt tiefer in der Lunge, ist weniger infektiös aber schlimmer. Eine Kombinatio­n wäre ein Desaster“, erläutert er. Seit dieser Saison ist ein Vierfach-Impfstoff Standard. Leischker empfiehlt die Impfung. Dazu gute Handhygien­e mitWasser, Seife und Alkoholgel­s für unterwegs. Denn mit der Grippe ist keineswegs zu spaßen.

 ?? RP-FOTO: LAMMERTZ ?? Dr. Andreas Leischker impft Krankenhau­s Pressespre­cher Frank Jezierski gegen Grippe. Er rät eindringli­ch, es ihm gleich zu tun.
RP-FOTO: LAMMERTZ Dr. Andreas Leischker impft Krankenhau­s Pressespre­cher Frank Jezierski gegen Grippe. Er rät eindringli­ch, es ihm gleich zu tun.

Newspapers in German

Newspapers from Germany