Kritik an Merkels Diesel-Plänen
Die Koalition will Fahrverbote erschweren. Experten warnen vor Augenwischerei.
BERLIN Verbände und die Opposition haben die Bundesregierung dafür kritisiert, Urteile zu Fahrverboten in belasteten Städten gesetzlich erschweren zu wollen. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sprach von einer „durch Panik vor einem Wahldebakel gesteuerten Pseudo-Politik, die weder Hand noch Fuß hat“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag das Ziel der Regierung bekräftigt, für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens zehn Mikrogramm überschreiten, „Klarheit bei der Verhältnismäßigkeit“zu schaffen. Dafür soll der Bundestag das Immissionsschutzgesetz ändern. Am Montagabend zeigte sich Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Hessen überzeugt, dass das Diesel-Maßnahmenpaket der Bundesregierung in allen Städten Fahrverbote verhindern wird.
Der Anwalt der Umwelthilfe, die in vielen Städten für Fahrverbote vor Gericht zieht, hält das Vorhaben der Regierung für wirkungslos. „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert“, sagte Remo Klinger der Deutschen Presse-Agentur. „Der Bund kann nicht pauschal entscheiden, was für Städte verhältnismäßig ist.“Die Grünen sprachen von Beruhigungspillen.
Am Sonntag wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Für Frankfurt am Main hat ein Gericht kürzlich Fahrverbote ab 2019 angeordnet, dagegen geht das Land jetzt juristisch vor. Die Bundeskanzlerin hatte sich zuversichtlich gezeigt, dass es mit der Gesetzesänderung nicht zu einem Fahrverbot in Frankfurt kommen werde.
Entgegen bisherigen Annahmen sind die Werte in Frankfurt aber schlechter. Denn nach jüngsten Zahlen des Umweltbundesamtes lag der Jahresmittelwert nicht bei 47, sondern schon bei 54 Mikrogramm. Das geht auch aus einem Brief der hessischen Landesregierung an die Bundesregierung hervor, den Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bereits kurz nach dem Dieselgipfel am 10. Oktober unter anderem an Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) verschickt hat. Damit könnten Fahrverbote für Diesel-Pkw in Frankfurt trotz einer Rechtsreform wieder wahrscheinlicher werden.