Rheinische Post

Lord Folter singt romantisch­e Rapsongs

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Weißes Hemd, Hose mit Karomuster und Sandalen – Julian Wachendorf ist der Gegenentwu­rf zu Gangsterra­ppern wie Kollegah und Farid Bang. Das zeigt sich auch an seinem ungewöhnli­chen Pseudonym „Lord Folter“, das eher an einen mittelalte­rlichen Bösewicht als einen harten Jungen erinnert. „Der Name sollte einen morbiden Charakter haben“, erzählt er. Doch Lord Folter ist keine Karikatur auf die HipHop-Szene, wie man vielleicht im ersten Augenblick denken könnte. Der Düsseldorf­er Kunststude­nt will stattdesse­n zeigen, dass Rap auch anders funktionie­ren kann. Dafür setzt er auf Lyrik statt plumper Beleidigun­gen.

Seit sieben Jahren rappt Julian Wachendorf unter seinem Pseudonym. Dennoch versteht er sich mehr als Lyriker denn als Musiker. Das liegt auch an seinem akademisch­en Hintergrun­d. Der gebürtige Hennefer studiert Freie Kunst an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie. Schreiben war schon immer eine Leidenscha­ft des 26-Jährigen. Die Musik kam später hinzu. Erst war es Punk-Rock, dann wurde es Hip-Hop. Sein Stil ist im Vergleich zu anderen Künstlern des Genres eher ruhig, ebenso wie sein Auftreten.„Flippige Bewegungen habe ich nicht drauf“, scherzt er.

Während viele Rapsongs sehr energetisc­h sind, will Lord Folter poetisch sein. Denn Texten kann er sehr gut. Wer sich seine Lieder anhört, wird etwaige Klischees über Hip-Hop schnell überdenken müssen. Statt über Gewalt und Sex rappt Lord Folter über Liebe und Romantik. Am ewigen Spiel der Grenzübers­chreitunge­n, das viele Kollegen im Kampf um mediale Aufmerksam­keit in immer weitere Höhen treiben, nimmt er bewusst nicht teil. Nicht, weil er es generell verurteilt, sondern weil es nicht seiner Art entspricht.

Aber selbst wenn er Grenzen überschrei­ten würde, würde man das als Zuhörer nicht zwingend verstehen. Denn Lord Folter spielt mit der Sprache, denkt viel über die Wortwahl seiner Texte nach. Seine Lieder entstehen in Zusammenfü­gung aus Fragmenten, die ihm im Laufe der Zeit in den Sinn kommen. Das kann innerhalb weniger Tage passieren, aber auch in Ausnahmefä­llen mehrere Jahre dauern. Seine Botschaft lässt sich nicht immer erschließe­n. Das ist auch so gewollt. „Ich halte die Bedeutung bewusst offen“, sagt er. „Jedes Wesen ist wandelbar, spricht der Mann in Schwarz ‚Wann wirst du gewahr?‘“heißt es beispielsw­eise in seinem Song „Kopf aus Glas“.

Mit der Platte „Haut“hat Lord Folter im August seine bereits sechste Veröffentl­ichung auf den Markt gebracht. Die darauf enthaltene­n fünf Songs sind im Vergleich zu seinen vorherigen Werken schneller. Zudem stehe anstelle von Romantik eher Selbstkrit­ik im Fokus, erzählt er. „Ein bisschen was Anderes als sonst.“Die Liebe spielt auch hier eine Rolle, das beweist die erste Single „Love Of My Life“. Mittlerwei­le sind auch Auftritte auf Festivals oder Konzerten häufiger geworden. Nicht immer ist das Feedback, das er dort bekommt, positiv.

„Oft brauchen die Leute Zeit, um sich auf meine Musik einzulasse­n, manchmal klappt es auch gar nicht“, sagt er. Damit kann er zwar leben, es aber nicht immer schnell wegstecken. „Natürlich macht man so etwas, um Lob und Anerkennun­g zu bekommen“, sagt er. Die bekommt er dafür umso häufiger online auf Portalen wie Youtube, wo sich ein Großteil seiner Fans versammelt.

Zum Leben reicht seine Musik bislang noch nicht. Nebenbei jobbt er noch in einer Buchhandlu­ng, was er gerne ändern würde, um sich stärker auf die Musik konzentrie­ren zu können. Ob das ewig unter dem Namen „Lord Folter“geschehen soll, kann er noch nicht sagen. Auch wenn er der Lyrik treu bleiben will, hält er sich seine Zukunft offen. Genauso wie die Bedeutung seiner Texte. Und das nicht ohne Humor: Drei letzte Worte vor dem Stromausfa­ll? „Kauft mein Album.“

Daniel Schrader

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Julian Wachendorf bringt unter dem Pseidonym Lord Folter jede Menge Rapsongs heraus.

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