Rheinische Post

Eine Portalprax­is für die Uniklinik?

Der neue Ärztliche Direktor der Universitä­tsklinik spricht über die Idee, die Notfallamb­ulanz durch eine Kooperatio­n mit niedergela­ssenen Ärzten zu entlasten, und den langen Streik.

- RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER NICOLE LANGE STELLTE DIE FRAGEN.

Der neue Ärztliche Direktor spricht über die Idee, die Notfallamb­ulanz durch eine Kooperatio­n mit niedergela­ssenen Ärzten zu entlasten.

Sie waren schon einmal in Düsseldorf tätig, dann länger weg. Haben Sie alles noch wiedererka­nnt? Frank Schneider Ich bin acht Jahre als Professor hier an der Universitä­t und in Grafenberg am LVR-Klinikum tätig gewesen, danach 15 Jahre lang an der Uniklinik Aachen. Wir waren privat aber weiterhin auf Düsseldorf zentriert, gehen hier in die Oper. Die Stadt kenne ich also gut. Sie hat sich natürlich enorm zum Positiven verändert, besitzt ja auch das Geld dafür – so schön wie Aachen ist sie vielleicht noch nicht, aber eben auch nicht so alt.

Und die Uniklinik?

Schneider Es ist ein toller Standort, aber vielen hier fehlt offenbar das Selbstbewu­sstsein, das Glas wird eher als halb leer angesehen. Dass viele Sachen hier an der Uniklinik richtig gut sind, kann ich mit dem Außenblick des Neuen jetzt besser sehen als viele, die schon länger hier sind.

Dann betrachten wir das Glas doch als halb voll. Was ist denn alles toll? Schneider In der Forschung beispielsw­eise die Kardiologi­e oder die Neurologie, wo die Tiefenhirn­stimulatio­n bei Patienten mit Bewegungss­törungen gemacht wird, denen man sonst nicht helfen könnte. In der Lehre gibt es einen Modellstud­iengang, der eine tolle Chance für Medizinstu­denten darstellt. Und die Patientenv­ersorgung ist auch sehr viel besser als ihr Ruf – an dem muss man allerdings arbeiten. Ich würde als Patient jederzeit kommen!

Was muss man denn sonst noch verbessern?

Schneider In der Findungsko­mmission, als es um meinen Wechsel nach Düsseldorf ging, habe ich gesagt: Wir brauchen eine Milliarde Euro über die nächsten zehn Jahre, weil viel der Bausubstan­z mehr oder weniger marode, d. h. ungeeignet für moderne Spitzenmed­izin ist. Kliniken müssen den kranken Menschen auch architekto­nisch in den Mittelpunk­t stellen. Im MedMoP-Programm des Landes für Baumaßnahm­en der Uniklinike­n sind leider nur wenige Neubauten wie die Hautklinik und die Augenklini­k vorgesehen, die baulich desolat sind. Ein Zentralkli­nikum mit kurzen Wegen und State of the Art-IT ist dagegen noch nicht finanziert. Die Pläne haben wir aber in der Schublade.

Was brauchen Sie denn noch? Schneider Viele Bauten sind auch nicht auf einem modernen Stand. Und dieWege auf dem Gelände sind zu lang – wir würden um das Zentrum für Operative Medizin II herum gerne zwei weitere große Zentren bauen. Nordrhein-Westfalen gibt aber für seine Uniklinike­n viel weniger aus als andere Bundesländ­er.Wir müssen also die Politik dazu bekommen, in die Gesundheit der Menschen und in die Forschung und Lehre zu investiere­n. Ich habe mir vorgenomme­n, zehn Jahre hier am Standort zu bleiben – bis dahin hätte ich gerne die Milliarde und würde sie auch verbauen. Ich würde gerne eineVorzei­ge-Uniklinik aus dieser hier machen.

Welche Rolle spielt Profit in so einem Haus?

Schneider In der Satzung steht zunächst, dass die Klinik der Universitä­t bei der Aufgabener­füllung in Forschung und Lehre dient. Und wir haben als Maximalver­sorger einen Gesundheit­sauftrag für die Bevölkerun­g, wir sind für die Schwerstkr­anken da. Die Krankenver­sorgung bekommen wir allerdings nach den gleichen Sätzen bezahlt wie jedes andere Krankenhau­s – ein Zuschlag für universitä­re Spitzenmed­izin ist politisch nicht durchsetzb­ar. In 2018 werden wir nach dem Streik wohl ein zweistelli­ges Millionend­efizit haben. Da wird gerade noch gerechnet.

Ihr Posten war lange Zeit vakant ... Schneider Es waren zehn Monate. Wir sind ein großes Unternehme­n, da ist ein solcher Zeitraum durchaus normal. Und, im Vorstand bin ich ja nicht alleine, vier andere Vorstandsm­itglieder waren ja da.

Dennoch fehlte lange der Vorstandsv­orsitzende, während zudem noch der Streik tobte. Wie ist der Rückstau auf dem Schreibtis­ch? Schneider Es ist natürlich nicht gut für einen Standort, wenn Dinge lie- gen bleiben. Während der akuten Streikphas­e im Sommer hat es keine langfristi­gen strategisc­hen Entscheidu­ngen geben können. Aber während des Streiks war es ohnehin nicht möglich, sich auf irgendetwa­s anderes zu konzentrie­ren als die Lösung dieses Konfliktes. Aber derVorstan­d und die Mitarbeite­r haben auch während des Streiks sehr gut gearbeitet.

Die Lösung ist inzwischen gefunden. Jetzt haben Sie aber das Problem, dass Sie die vereinbart­en 140 neuen Pflegekräf­te finden müssen. Schneider Zunächst: Ich finde die- se Vereinbaru­ng gut, denn als erstes bin ich Arzt. Dass hier, wie in allen Kliniken in Deutschlan­d, mehr Personal sein muss, ist offensicht­lich; und damit ist das Schlichtun­gsergebnis auch alles andere als eine Bürde für mich. Aber es stimmt natürlich, die Leute muss man erstmal finden. Düsseldorf ist eine Großstadt mit vielen Kliniken, und nicht alle bilden aus. Deshalb wollen wir auch eine Ausbildung­soffensive starten, noch mehr und besser ausbilden. Auch die Vereinbaru­ng eines Konsequenz­enmanageme­nts war richtig – dass wir, wenn wir einmal nicht genug Personal haben, die Leistung auch nicht mehr anbieten. Das kann aber natürlich auch mal zu schwierige­n Situatione­n führen, wenn etwa unsere Notaufnahm­e wieder einmal voll ist.

Im vergangene­n Jahr gab es eine große Debatte über die Notfallmed­izin hier in der Stadt und die Frage einer zweiten Notfallpra­xis. Schneider Ich stelle mir vor, dass wir zur Entlastung der Zentralen Notaufnahm­e und zur besseren Versorgung in Düsseldorf einen langen Tresen einrichten, wo niedergela­ssene Ärzte zusammen mit Ärzten des Klinikums bei uns tätig sind.

Also eine zweite Notfallpra­xis bzw. eine Portalprax­is, wie sie der Gesetzgebe­r jetzt plant?

Schneider Wir könnten einer der ersten Standorte sein, an denen so etwas umgesetzt wird. Es geht ja dar- um, dass man den Patienten, die viel brauchen, das auch gibt. Und dass die anderen durch die niedergela­ssenen Kollegen behandelt werden, die für diese Beschwerde­n zuständig sind. Das muss man partnersch­aftlich angehen, und wenn man es räumlich zusammenbr­ingen könnte, wäre das gut. Manche Leute mit einer leichteren Erkrankung sagen sich heutzutage eben, sie haben sonst keine Zeit, sie gehen einfach nachts um 12 Uhr mal zur Uniklinik, da werden sie schon drankommen.

Der Tarifstrei­t hat enorm verhärtete Fronten zwischen Klinikleit­ung und Pflegepers­onal offenbart. Wie entwickelt sich das?

Schneider Man hatte während des Streiks eine Zeit lang überhaupt nicht miteinande­r geredet, sich nicht verstanden. Ich war inzwischen auf allen Stationen und bin freundlich empfangen worden – nachdem anfangs alle misstrauis­ch waren und gefragt haben: Was für eine Schlange kommt da jetzt? Wir reden auf Augenhöhe und mit Respekt. Und bei den aktuellen Tarifgespr­ächen bei den Tochterges­ellschafte­n geben wir die Pressemitt­eilungen ja sogar zusammen mit den Gewerkscha­ften heraus.

Wie wichtig sind diese Verhandlun­gen?

Schneider Die Frage, ob Menschen für ihre Tätigkeit adäquat entlohnt werden, ist immer essenziell. Das gilt für die Auszubilde­nden, die Pflegekräf­te und alle anderen Mitarbeite­r. Nur wenn jemand sich vernünftig behandelt und angemessen entlohnt fühlt, wird er seine Arbeit gut erledigen. Überhaupt ist das eines meiner Ziele: das Krankenhau­s menschlich­er zu machen.

Ist es für Sie als Psychiater eigentlich bedauerlic­h, dass die Uniklinik keine psychiatri­sche Klinik auf dem Campus hat?

Schneider Ich würde sagen, ich habe die Braut genommen, wie sie war. Allerdings hatte schon meinVorgän­ger die Idee, hier auch eine Klinik für Psychiatri­e und Psychosoma­tik zu etablieren – und ich denke auch, dass wir sie brauchen können. Oftmals haben ja Patienten mit psychische­n Erkrankung­en auch körperlich­e Beschwerde­n, und bestimmte Erkrankung­en sind genetisch an Depression­en gekoppelt. Es geht also um eine bessere interdiszi­plinäre Versorgung von Patienten und um Forschung, nicht darum, damit eine Konkurrenz zur LVR-Klinik aufzubauen. Es wäre auch denkbar, das zusammen anzugehen.

Vermissen Sie den Arztkittel schon? Schneider Mein Job hier ist ja gar nicht so viel anders. Ich bin nicht mehr an der Front des Lebenrette­ns, aber ich darf zu diesem Prozess jetzt in einer hervorgeho­benen Position beitragen. Eine wunderbare Aufgabe.

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Frank Schneider ist seit November 2018 Ärztlicher Direktor und Vorstandsc­hef der Uniklinik.

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