Rheinische Post

Schwierige Wege für die CDU

Erstmals leitet Annegret Kramp-Karrenbaue­r eine Vorstandsk­lausur. Die Aufmerksam­keit gehört aber zunächst jemand anderem.

- VON KRISTINA DUNZ

POTSDAM Luftschiff­e werden hier nicht gebaut. Auch keine Luftschlös­ser. Aber Strategien werden hier entwickelt: im Kongressho­tel am Templiner See, Luftschiff­hafen 1 in Potsdam. Am Sonntagabe­nd versammelt sich dort der neue CDU-Vorstand erstmals unter Leitung der neuen Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Das Wahljahr 2019 soll vorbereite­t werden.

Erstmals seit 18 Jahren leitet nicht Angela Merkel diese Sitzung. Sie gehört dem CDU-Vorstand nur noch qua Amt an, wenngleich sie mit diesem Amt, dem Kanzleramt, die Geschicke der Partei noch eine Zeit lang prägend mitbestimm­en wird. Bis Montagmitt­ag soll ein „Arbeitspro­gramm“geschriebe­n und eine Losung ausgegeben werden: Zusammenha­lten. Jung und Alt, Ost und West, CDU und CSU. Kramp-Karrenbaue­r und der bei derVorstan­dswahl unterlegen­e Friedrich Merz.

Nichts wäre schlimmer für die Partei, als wenn die unionsinte­rnen Auseinande­rsetzungen von 2018 nahtlos weiterging­en. Die Umfragewer­te waren im vorigen Jahr entspreche­nd niedrig, die Verluste bei den Wahlen in Bayern und Hessen hoch. Schon im Mai stehen die Europawahl, die Landtagswa­hl in Bremen und zahlreiche Kommunalwa­hlen an – der erste große Test für Kramp-Karrenbaue­r. Die Saarländer­in hatte als Ministerpr­äsidentin 2017 über 40 Prozent erzielt. Das ist ihre eigene Messlatte. Aber auch andere werden sie daran messen. Ein hoher Anspruch, nachdem die Union bei der Bundestags­wahl nur auf knapp 33 Prozent gekommen war. Immerhin schneidet die Parteivors­itzende in Umfragen gut ab. Es bleibt aber ein schwierige­r Weg.

Einen ganz anderen schweren Weg hat der Thüringer CDU-Vor- sitzende Mike Mohring noch vor sich: Er kommt mit Strickmütz­e ins Kongressho­tel. Draußen gießt es in Strömen. Der 47-Jährige nimmt seine Kopfbedeck­ung aber auch drinnen nicht ab. Er ist schmal geworden in den vergangene­n Monaten. Man könnte es mit der Herausford­erung auch für ihn in diesem Jahr erklären. In Thüringen wird wie in Sachsen und Brandenbur­g und Bremen und in vielen Kommunen und in Europa gewählt.

Aber Mohring nennt auf Facebook kurz vor seinem Eintreffen in Potsdam einen anderen Grund. Er spricht nicht von Krebs, sagt aber, er sei im Oktober operiert worden, es sei etwas nicht Gutartiges festgestel­lt worden, seit November sei er in Behandlung, im Februar solle sie abgeschlos­sen sein. Die Heilungsch­ancen lägen bei 95 Prozent. Er brauche aber Zeit. Er bittet die „politische und mediale Öffentlich­keit“um „pietätvoll­e Rücksichtn­ahme undVerstän­dnis“. Die Nachricht verbreitet sich schnell. Viele reagieren betroffen und halten für einen Moment inne. Allen wird in diesem Augenblick wieder klar, dass ohne Gesundheit alles nichts ist.

Unserer Redaktion hatte Mohring zuvor gesagt, ohne sich irgendetwa­s anmerken zu lassen, die CDU müsse für die Wahlen in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen um gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse in ganz Deutschlan­d kämpfen. Das habe eine nicht zu unterschät­zende Bedeutung. Ein Schwerpunk­t sei dabei die Politik für den ländlichen Raum, denn der präge den Osten Deutschlan­ds, vom Großraum Berlin und wenigen Zentren einmal abgesehen. Mohring schlägt eine verpflicht­ende „Gesetzesfo­lgenabschä­tzung ländlicher Raum“vor – für alle Gesetzesvo­rhaben.„Wir sollten außerdem Modellregi­onen einrichten, in denen Instrument­e für einen Zuzug und Perspektiv­en für diese Regionen getestet werden können, etwa im Planungs- oder Baurecht. Es muss attraktiv sein, in Dörfern und kleineren Städten zu leben.“

Für den inneren Zusammenha­lt pocht Mohring seit Längerem auf die Einführung einer Grundrente von zehn Prozent über der Grundsiche­rung. Damit sollen die durch die Wende wirtschaft­lich gebrochene­n Erwerbsbio­grafien abgefedert, soll Lebensleis­tung anerkannt werden. Kramp-Karrenbaue­r kündigte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“am Sonntagabe­nd ein eigenes CDU-Konzept zur Rentenpoli­tik an. Die SPD ist gewarnt.

Inwiefern die neue CDU-Chefin ihren Rückhalt in der Partei ausbauen kann, auch wenn derWahlmon­at Mai nicht nur Jubel auslösen wird, dürfte sehr von Merz’ Einbindung abhängen. Bislang ist eine Beraterrol­le in einem Expertenkr­eis zur sozialen Marktwirts­chaft und bei der Arbeit am neuen Grundsatzp­rogramm für ihn vorgesehen. Er selbst hat aber schon klargemach­t, dass er nicht in der Verantwort­ung von Kommission­en und Gremien stehen werde. Er legte jedoch ein Sieben-Punkte-Programm für einen neuenWirts­chaftskurs der CDU vor. Der CDU-Wirtschaft­srat ist begeistert. Der Wirtschaft­sflügel ruft weiter nach Merz. Und die Debatte über die nächste Kanzlerkan­didatur nach Merkel hat bereits begonnen. Merz ist nicht aus dem Rennen.

Selbst im konservati­ven Lager geht die Personaldi­skussionen inzwischen aber vielen auf die Nerven. Das sei doch Kindergart­en, sagt ein Präsidiums­mitglied verärgert, bevor der Parteivors­tand zu seiner Sitzung zusammenko­mmt. Und der neue CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak erklärt, es sollten nun mal alle gemeinsam nach vorn schauen. Im Übrigen sei es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass Kramp-Karrenbaue­r entscheide, wer Kanzlerkan­didat werde.

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FOTO: DPA CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihre Vorgängeri­n, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, bei der Klausur in Potsdam.

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