Rheinische Post

So lief die Posse um Friedhelm Funkel ab

Eine Rekonstruk­tion der Eskalation und der anschließe­nden Rolle rückwärts bei Fortuna Düsseldorf im Trainingsl­ager in Marbella.

- VON PATRICK SCHERER

MARBELLA Am Freitagvor­mittag sieht alles nach einem normalen Ende des Trainingsl­agers von Fortuna Düsseldorf in Südspanien aus. Dann eskaliert die Situation rund um die Vertragsve­rhandlunge­n mit Trainer Friedhelm Funkel. Am Ende eines öffentlich­en PR-Desasters steht der Verein als Lachnummer der Fußball-Bundesliga da und versucht sich in Schadensbe­grenzung.

Alles beginnt am Freitag um 13.30 Uhr. Als sich die Medienvert­reter auf die Plastikstü­hle neben dem Pool im Teamhotel Meliá Marbella Banús setzen, glauben sie, dass nun das obligatori­sche Abschlussg­espräch mit Trainer Friedhelm Funkel ansteht. Doch es gibt Hinweise, dass etwas anders ist: Am Tischende stehen zwei leere Stühle statt nur einem. Und am anderen Ende des Pools diskutiert Funkel mit dem Vorstandsv­orsitzende­n Robert Schäfer. Wenige Augenblick­e später sitzen beide nebeneinan­der am Tisch. Schäfer erklärt, dass der Coach leider abgelehnt hat, die Vertragsge­spräche über den Ende Juni auslaufend­en Kontrakt vertagen zu wollen. Funkel wolle sofort eine Entscheidu­ng, der Vorstand – wie später durchsicke­rt – bis zum 1. März abwarten, wie sich die Lage im Abstiegska­mpf der Bundesliga entwickelt.

Funkel betont unter Tränen wie enttäuscht er sei, dass er diese Entscheidu­ng als Misstrauen gegenüber seiner über knapp drei Jahren erfolgreic­hen Arbeit werte und dass derVerein sogar sein Angebot abgelehnt habe, einen Vertrag zu unterschre­iben, der nur für den Fall des Klassenerh­alts Gültigkeit besitzt. Damit lässt der 65-Jährige seinen Vorstandsc­hef auflaufen, denn die öffentlich­e Darstellun­g war vorher anders abgesproch­en. Man sieht Schäfer an, dass er mit diesen Aussagen nicht gerechnet hat. Schäfer ringt um Worte.

Während Fans nach den ersten Medienberi­chten über verschiede­ne Kanäle ihren Unmut über diese Entscheidu­ng kundtun, eine Petition für den Verbleib Funkels und den Hashtag #profunkel ins Leben rufen, steht um 16.30 Uhr die letzte Einheit des Trainingsl­agers auf dem Programm. Aus der Mannschaft, die vor dem Mittagesse­n von dieser Entscheidu­ng unterricht­et wurde, sickert Fassungslo­sigkeit über das Ende der Vertragsge­spräche durch. Funkel und Schäfer stehen neben dem Rasen, diskutiere­n hitzig.

Unterdesse­n tauchen Fotos vom neuen Sportvorst­and Lutz Pfannensti­el auf, der zu Gesprächen mit Beratern und Vereinsver­tretern in der Schweiz weilt und am Nachmittag eine Stunde mit einer Charity-Mannschaft für Kinder in Afrika spielt. Er wird von der Entwicklun­g überrascht, wird über seine Internet-Kanäle übel beschimpft, ebenso seine Frau und seine Kinder.

Funkel und Schäfer sind beim Abendessen mit Sponsoren im Teamhotel, zu dem Funkel verspätet kommt, weil er davon ausgegange­n ist, von Schäfer ausgeladen worden zu sein. Parallel überlegt Aufsichtsr­atschef Reinhold Ernst, der von Funkels Angebot, nur für den Fall des Klassenver­bleibs unterschre­iben zu wollen, nichts wusste, wie er die Lage beruhigen kann. Er führt von Düsseldorf aus Telefonate mit Medienvert­retern und Aufsichtsr­atsmitglie­dern, vor allem mit seinem Stellvertr­eter Carsten Knobel.

Funkel erzählt davon, wie er mit einem Gast beim Sponsorend­inner über die gescheiter­ten Verhandlun­gen berichtet. Schäfer sitzt mit am Tisch. Der Spruch „Man sollte niemals nie sagen“fällt. Dieser Satz wird auch an Aufsichtsr­atsboss Ernst herangetra­gen. Es folgen zahlreiche Telefonate. Ernst mit Funkel, Ernst mit Schäfer, Pfannensti­el mit Ernst, Schäfer mit Pfannensti­el, Pfannensti­el mit Funkel. Ziel ist es, die zerstritte­nen Schäfer und Funkel davon zu überzeugen, ihre Eitelkeite­n beiseite zu legen.

Um kurz vor Mitternach­t haben alle Parteien ihre Bereitscha­ft signalisie­rt. Ernst gibt Funkel und Schäfer mit auf den Weg, sich noch vor dem Frühstück auszusprec­hen und sich innerhalb von einer Woche zu einigen. Gleichzeit­ig macht der Aufsichtsr­atsboss öffentlich, dass es neue Gespräche geben wird.

Geschlafen wird in dieser Nacht nach übereinsti­mmenden Aussagen der Beteiligte­n kaum. Am Flughafen in Málaga wird Schäfer auch von Spielern zu Rede gestellt. Kaan Ayhan, der unter derWo- che noch klargestel­lt hat „Funkel ist unser Trumpf“, diskutiert vor Gate 68 angeregt mit dem 42-Jährigen. Der Eurowings-Flug EW9537 hebt mit Mannschaft­stross und Schäfer knapp verspätet um 11.25 Uhr ab. Kurz vor der Landung in Düsseldorf um 14.15 Uhr wird Schäfer schließlic­h ausgerufen: „Herr Robert Schäfer möchte sich bitte beim Kabinenper­sonal melden.“Alle Passagiere werden schließlic­h von der Außenposit­ion mit Bussen ins Terminal gebracht. Nur Schäfer steigt in das Auto einer Sicherheit­skraft. Am Gepäckband taucht derVorstan­dsboss aber wieder auf. Es ist eine Anekdote, aus der keiner richtig schlau wird.

Nach der Zollkontro­lle warten rund 200 Fans in der Ankunftsha­lle im Untergesch­oss. Schäfer kommt zuerst, wird ausgebuht, es gibt „Schäfer-raus“-Rufe. Funkel folgt nur wenige Augenblick­e später, die Fans feiern ihn mit Sprechchör­en, zeigen Plakate mit seinem Namen.

Am Ende haben alle Beteiligte­n beteuert, sich einigen zu wollen.

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FOTO: WOLFF Traurig in Marbella: Friedhelm Funkel im Trainingsl­ager.

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