München leuchtet
Ein Besuch der Museen in der bayerischen Landeshauptstadt lohnt sich. Ein Rundgang durch die neuen Ausstellungen der süddeutschen Metropole.
Während die Neue Pinakothek zum Jahreswechsel ihre Pforten geschlossen hat, um in den kommenden fünf Jahren aufwändig saniert zu werden, ist nur einen Steinwurf entfernt so viel los wie lange nicht mehr: Denn die Alte Pinakothek hat nach abgeschlossener Sanierung wieder alle ihre Säle für Kunstflaneure geöffnet. Und weil im klassizistischen Prachtbau ohnehin einige Meisterwerke von Leonard da Vinci und Sandro Botticelli, Filippino Lippi und Giotto zu Hause sind, lag der Gedanke nahe, dieWiedereröffnung des Münchner Museums mit einer Schau über die schillernde Kunst der Renaissance zu begehen, sich bei internationalen Leihgebern noch ein paar unbezahlbare Schätze auszuborgen und „Florenz und seine Maler“in opulenter Weise zu feiern.
In der von Architekt Leo von Klenze auf Geheiß von König Ludwig I. erbauten Alten Pinakothek darf man rund 120 Meisterwerke der Renaissance bestaunen, Gemälde und Skulpturen, Zeichnungen und unzählige Schautafeln und Medienstationen, mit denen der Besucher sein Kunstinteresse vertiefen kann. Die Zeit, als in Florenz die Medici die Macht ergriffen und mit ihrem Geld die Kunst beförderten, wird in allen Facetten ausgeleuchtet. Die Arbeitsweise und die Ideenwelt der Maler, die Erforschung derWirklichkeit und die Suche nach den Gesetzen von Harmonie und Schönheit stehen im Mittelpunkt der Kunst auf der Schwelle zur Neuzeit. Allerdings hat die an sich sensationelle Schau einen Haken: Sie versammelt auf zu engem Platz zu vieleWerke.Vor zahllosen Stellwänden und Raumteilern drängeln sich viel zu viele Besucher.
Dass weniger oft mehr ist, erlebt man nur wenige Schritte entfernt im Museum Brandhorst. Während im Obergeschoss in einer Dauerausstellung die irritierenden und animierenden Werke von Cy Twombly den Betrachter in einen abstrakten Farbrausch versetzen, ist eine ganze Etage freigeräumt und reichlich Platz geschaffen worden, um das Lebenswerk des inzwischen 91-jährigen Alex Katz zu würdigen. Katz gilt als einer der Väter der Pop-Art und hat Kollegen wie Warhol und Rauschenberg nachhaltig beeinflusst. Immer wieder setzt er sich mit der Welt des Films, der Mode und der Werbung auseinander, schafft mit seinen flächigen Farbaufträgen impressionistische Landschaften und ikonische Porträts. Bewegung und Tanz, spontane Natureindrücke, unerwartete Lichtreflexe, abstrakte Farbspiele beschäftigen Katz genauso wie kühler Realismus und kalkulierte Posen. Seine oft großformatigen Bilder, auch das zeigt die mit 90 Werken gut bestückte und luftig gehängte Ausstellung, basieren oft auf vielen kleinen Skizzen und Studien. Scheinbar nebenbei und ohne großen Aufwand entsteht bei Katz zeitlos gültige Kunst.
Ob man das irgendwann auch von Jonathan Meese behaupten kann? Einblicke in das künstlerische Chaos und die gezielte Provokation dieses kindlichen Clowns und obsessiven Selbstdarstellers gibt die Pi- nakothek der Moderne: „Die Irrfahrten des Meese“zeigt einen Künstler, der sich gern als moderner Odysseus stilisiert und als Erlöser und Befreier auftritt. Seit er wegen eines ausgestreckten Arms und vermeintlichen Hitler-Grußes unter Nazi-Verdacht geriet und die Bayreuther Festspiele ihm den Stuhl vor die Tür setzten, war es um den spätpubertären Künstler recht still geworden. Jetzt darf er sich wieder laut austoben, bizarre Spielzeuge vorzeigen und in einem Endlos-Video den tanzenden Berserker geben. Auf einem mit Strichmännchen, Pfeilen und Polit-Phrasen vollgepinselten Bild porträtiert er sich sogar als „Kunstbengel“.
Bevor einem die Kunst das Hirn vernebelt, empfiehlt sich ein Ab- stecher zum Haus der Kunst und der Besuch einer Ausstellung, die man nicht versäumen sollte: „Für alle Lieben in der Welt“versammelt 200 Werke von Jörg Immendorff. Die Schau schreitet durch Leben undWerk des an ALS erkrankten und 2007 gestorbenen Künstlers, der zuletzt nur noch mit Unterstützung von Assistenten, die seine Bilder nach seinen exakten Vorgaben ausführen mussten, malen konnte.
Wir erleben Immendorff noch einmal als politischen Agitator und sensiblen Beobachter der Zeitläufte, als harten Kerl mit welchem Kern und Grenzgänger zwischen Ost und West. Am Eingang begrüßt uns die Skulptur eines wild gestikulierenden Joseph Beuys, der einen kleinen lustigen Affen spazieren führt: eine liebevoll-ironische Hommage von Immendorff an seinen Düsseldorfer Kunst-Lehrer, mit dem er manchen Streit ausgefochten hat.
Höchste Zeit für eine Erfrischung in der Goldenen Bar: sie ist Kult und mehr als nur einfach ein Café im Haus der Kunst. Mit ihrem morbiden Charme, ihrem fleckigen Mobiliar und ihrer kleinen, aber feinen Karte an Speisen und Getränken ist sie zum Szene-Treffpunkt geworden. Auch nachts. Denn da kann man die Goldene Bar, wenn im Museum längst nächtliche Stille herrscht, über einen Seiteneingang betreten.
Schon Thomas Mann schaute in seiner Novelle „Gladius Dei“auf die Kunstwelt seiner hass-geliebtenWahlheimat und schrieb:„München leuchtete.“Das gilt heute immer noch. Performance