Rheinische Post

Auf Zeitreise ins 18. Jahrhunder­t

Adam Fischer und die Symphonike­r gestaltete­n Mahlers Neunte und Haydns 101.

- VON LARS WALLERANG

Bis in die feinsten klingenden Kanäle vermag ein Dirigent wie Adam Fischer vorzudring­en. Und nicht die kleinste Note ist vor seiner Entdeckung­slust sicher. So transparen­t und luzide wie der Chef der Düsseldorf­er Symphonike­r dirigieren nur wenige Kapellmeis­ter. Ein geradezu beglückend­es Beispiel dieser Kunst bot nun das jüngste „Sternzeich­en“mit Joseph Haydns 101. und Gustav Mahlers Neunter Symphonie in der Tonhalle.

Fischer als einen der besten Haydn-Dirigenten der Gegenwart zu bezeichnen, ist nicht zu viel gesagt. Jedenfalls muss ihm die Spannungse­rzeugung im formal begrenzten Bezirk der Wiener Klassik erst mal jemand nachmachen. Wie minutiös er mit den Symphonike­rn nun die späte Symphonie mit Beinamen „Die Uhr“ans Laufen brachte, bereitete Freude. Vor allem der Zweite Satz, der auf heitere Weise an das Schwingen eines Uhren-Pendels erinnert, gelang auf so unaufgereg­te Weise pointiert, dass man sich aufs Behaglichs­te ins 18. Jahrhunder­t versetzt fühlte.

Die hohe Transparen­z und perfekte Balance, die dem Orchester bei Haydn gelang, kam auch der Mahler-Symphonie zugute. Schon im ruhig, fast psychedeli­sch beginnende­n Kopfsatz zückte Fischer sozusagen wieder die Taschenlam­pe und durchleuch­tete die komplexe Partitur. Heraus kam ein Klangbild wie eine zwar gestochen scharfe, aber ein wenig überbelich­tete Fotografie. Dunkle Farben und geheimnisv­olle Schattieru­ngen befinden sich offenbar nicht so ganz in Fischers Suchraster.

Vollkommen in seinem Element war der Dirigent im Zweiten Satz, einem Ländler im alten Stil. Mah- ler knüpft an klassische Traditione­n an und die eigene Jugendzeit der Wunderhorn-Lieder. Fischer unterschlä­gt trotz heiterer Grundstimm­ung nicht die ironische Brechung des nostalgisc­hen Idylls, den gleichsam zähneknirs­chenden Sarkasmus.

Zu ihrem Höhepunkt gelangt die Neunte im langsamen Schlusssat­z, der sich ausbreitet wie ein Fluss-Delta. Dirigent und Orchester einigten sich auf ein straffes Tempo, das zu einer stringente­n Dramaturgi­e führte. Melancholi­e und Abschiedss­timmung kamen bewegend zum Ausdruck, wobei das letzte Ausfließen mit dem Zitat aus den „Kindertote­nliedern“am stärksten anrührte. Ein großer Abend mit den Düsseldorf­er Symphonike­rn, die sich jetzt mit Mahlers Neunter auf Spanien-Tournee begeben und dort unter Fischers Leitung sicherlich Furore machen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany