Rheinische Post

Mini-Bullys: Kampf- oder Schmusehun­de?

Immer mehr Hundehalte­r legen sich einen Miniatur-Bullterrie­r zu. Experten sehen dies kritisch, weil die Tiere nicht als gefährlich gelistet sind, aber trotzdem in der Beißstatis­tik auffallen. Züchter warnen vor unseriösen Händlern.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

RHEINE Der Pudel hatte keine Chance. Sein Angreifer biss ihn zu Tode, mit einer solchen Kraft, dass selbst die Halterin die Tiere nicht trennen konnte. Der Aggressor bei diesem Vorfall im vergangene­n Jahr in Aachen: ein Mini-Bullterrie­r. Ähnliches trug sich in Köln zu, auch hier verbiss sich ein Mini-Bullterrie­r in einen anderen Hund, einen Chihuahua, der die Attacke nicht überlebte. Für Christoph Jung keine Überraschu­ng. „Diese Tiere werden oft gezielt auf Aggressivi­tät gezüchtet oder kommen häufig von dubiosen Händlern“, sagt der Biologe. „Ich bin zwar kein Befürworte­r von Ras-

„Wenn die Tiere richtig erzogen sind, geht von ihnen keine Gefahr aus“

Carsten Wagner Inhaber Hundeschul­e

selisten, aber diese Hunde gehören da drauf.“Sind sie aber nicht: Sogenannte Miniatur-Bullterrie­r, also die kleinere Version eines Standard Bullterrie­rs, der in NRW auf der Liste der gefährlich­en Hunde steht und damit nur unter strengen Auflagen gehalten werden darf, fallen nicht unter die Landeshund­everordnun­g.

Auch das ist möglicherw­eise ein Grund für ihre wachsende Beliebthei­t. Mini-Bullys, wie die Rasse auch salopp bezeichnet wird, liegen im Trend. Laut Umweltmini­sterium NRW ist ein deutlicher Anstieg der gehaltenen Tiere zu verzeichne­n: von 725 im Jahr 2016 auf 784 in 2017. Die Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor.

Auch sogenannte Pocket-Bullys, Exotic-Bullys oder American Bullys, kleinwüchs­ige Kreuzungen aus American Staffordsh­ire Terrier und American Pitbull Terrier, sind gefragt. Sie gelten aber laut NRW-Umweltmini­sterium als gefährlich­e Hunde, deren Haltung nur mit behördlich­er Erlaubnis möglich ist. Die vom Ministeriu­m jährlich erhobene Beißstatis­tik kommt zu dem Ergebnis, dass diese Kreuzungen nicht ungefährli­ch sind. „Von den insgesamt 29 Beißattack­en in der Kategorie ,Verletzung­en bei ande- rem Tier‘ waren unter anderem zwei dem Bullterrie­r und neun den Kreuzungen aus diesen Rassen zuzurechne­n. Bezogen auf die verhältnis­mäßig geringe Population dieser Rasse ist die Anzahl der Beißvorfäl­le immer noch überpropor­tional hoch“, heißt es in dem Bericht.

Vor allem mit diesen Kreuzungen hadert Hundeexper­te Jung. „Zwei Drittel der Tiere stammt aus unseriösen Zuchten, immer mehr Welpen werden im Internet von jungen Menschen gekauft“, sagt er. Ausschlagg­ebend dabei sei das aggressive Image dieser Pocket-Bullys, mit denen sich die Kunden aufgewerte­t fühlen würden. Jung: „Der Leidtragen­de dabei ist der Hund.“Zum einen, weil viele dieser Züchter bewusst körperlich­e Fehlmerkma­le förderten – kurze Beine, über- dimensioni­erte Brustkörbe –, zum anderen, weil sie die Erziehung der Tiere vernachläs­sigten. Deshalb bräuchte es eigentlich eine Züchter- anstelle einer Rasseliste, argumentie­rt Jung. „Es gibt leider keine verbindlic­hen Regeln für die Hundezucht“, sagt der Mönchengla­dbacher Biologe, der heute nahe Leipzig lebt. „Das müsste auf europäisch­er Ebene geregelt werden.“

Die schwarzen Schafe unter den Züchtern passen auch AndreasWie­ting nicht. Wieting züchtet im westfälisc­hen Rheine Miniatur-Bullterrie­r und schaut sich seine Kunden genau an.„Die Hunde sind nicht für jedermann geeignet, weil sie einen eigenen Kopf haben, nicht so unterwürfi­g sind“, sagt er.Wenn es aus seiner Sicht nicht passt mit Hund und Herrchen, hat er auch schon Wel- pen nicht abgegeben. „Das ist unseriösen Züchtern natürlich egal“, sagt Wieting. Oft seien die Tiere dieser Händler nicht vernünftig sozialisie­rt. Die mögliche Folge: Die Käufer erhalten einen Problemhun­d, mit dem sie überforder­t sind. Das kann sich in entspreche­nden Attacken niederschl­agen.

Auch bei den Mini-Bullys kommt die NRW-Beißstatis­tik zu dem Ergebnis, dass der Rasse weiterhin „besondere Beachtung“geschenkt werden muss. So gab es 2017 zwei Beißvorfäl­le mit Menschen und zehn mit anderen Tieren. Interessan­t ist das Verhältnis zur Gesamtzahl der gehaltenen kleinen Hunde. Bei insgesamt 283.361 registrier­ten „Kleinen Hunden“(davon 784 Mini-Bullys) wurden 425 Bußgelder verhängt, davon 34 gegen Halter von

Miniatur-Bullterrie­rn. Laut Züchter Wieting sind diese Hunde vom Wesen her aber alles andere als aggressiv. Das Problem sei, wie so oft, der Mensch.

Gehalten werden dürfen die Mini-Bullys, weil sie als eigenständ­ige Rasse anerkannt sind. Entscheide­nd ist die Größe: Bis zu einer Widerristh­öhe von 35,5 Zentimeter gelten die Hunde als Mini-Bullterrie­r, darüber als (haltungsbe­schränkte) Standard Bullterrie­r. Phänotypis­ch gebe es keine Unterschie­de, sagt das Umweltmini­sterium – also sowohl, was Aussehen als auchVerhal­ten betrifft. Macht die geringe Größe sie also weniger gefährlich?

Auf jeden Fall, sagt Carsten Wagner. Der 44-Jährige betreibt eine Hundeschul­e in Düsseldorf („Mit Hunden leben“) und besitzt selbst Mini-Bullys. „Wenn die Tiere richtig erzogen sind, geht von ihnen keinerlei Gefahr aus“, sagt er. Als Jagdhunde hätten sie allerdings einen ausgeprägt­en Beutetrieb und seien sehr sensibel. Das verlange den Haltern viel Fingerspit­zengefühl ab. Wie Wieting ist Wagner der Meinung, dass ein Mini-Bully daher nicht mit jedem Menschen kompatibel sei. Dazu habe er auch immer wieder mit Problemhun­den zu tun – zumeist Tiere, bei denen als Welpe viel versaut worden sei, oft durch unsachgemä­ßes Verhalten von Züchtern.

Wagner plädiert dennoch dafür, seitens der Behörden unbefangen­er mit dem Miniatur-Bullterrie­r umzugehen und nicht streng nach derWiderri­sthöhe zu urteilen. „Wenn die in die richtigen Hände kommen, sind das tolle Hunde“, sagt er. „Halter und Züchter müssen nur verantwort­ungsvoll mit ihnen umgehen.“

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FOTO: H.-J. BAUER In der Düsseldorf­er Hundeschul­e von Carsten Wagner werden auch Miniatur-Bullterrie­r erzogen. Wagner hat selbst einen Mini-Bully, den fünfjährig­en Rocko.

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