Rheinische Post

Katholiken für „mutige Reformen“

Kardinal Marx wird zu Konsequenz­en aus dem Missbrauch­sskandal aufgeforde­rt.

-

FRANKFURT (kna) Vor dem geplanten weltweiten Bischofstr­effen im Vatikan zum Missbrauch­sskandal in der Kirche haben sich prominente deutsche Katholiken in einem offenen Brief mit Forderunge­n an Kardinal Reinhard Marx gewandt. Darin verlangen sie„mutige Reformen“. Die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“druckte den Brief ab. Zu den neun Unterzeich­nern gehören auch der Jesuitenpa­ter Ansgar Wucherpfen­nig und Klaus Mertes, der 2010 als ehemaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs Fälle von Missbrauch an der Schule öffentlich gemacht und eine Lawine neuer Erkenntnis­se über Missbrauch­staten in Kirche und Gesellscha­ft ausgelöst hatte.

An alle Bischöfe gerichtet, fordern die Unterzeich­ner: „Binden Sie sich selbst durch echte Gewaltente­ilung – das passt besser zur Demut Christi und in den Rahmen der für alle geltenden Gesetze.“Außerdem sollten „Überhöhung­en des Weiheamtes“abgebaut und es für Frauen geöffnet werden. Weiter heißt es: „Stellen Sie den Diözesanpr­iestern die Wahl ihrer Lebensform frei, damit der Zölibat wieder glaubwürdi­g auf das Himmelreic­h verweisen kann.“Zudem fordern die Unterzeich­ner einen „Neustart mit der Sexualmora­l - eine verständig­e und gerechte Bewertung von Homosexual­ität inklusive“.

Die Unterzeich­ner des Briefes bitten Kardinal Marx als Vorsitzend­en aus dem offenen Brief

der Deutschen Bischofsko­nferenz, bei dem für Ende Februar geplanten Treffen in Rom den„wichtigste­n Ertrag“der im Herbst 2018 in Fulda vorgestell­ten Missbrauch­sstudie zur Sprache zu bringen: „Missbrauch in unserer Kirche hat auch systemisch­e Gründe.“Die„Versuchung des Klerikalis­mus“folge dem Klerus wie ein Schatten.„Die Aussicht auf Macht in Männerbünd­en zieht Menschen aus Risikogrup­pen an. Sexuelle Tabus blockieren notwendige Klärungsun­d Reifungspr­ozesse.“

Seit 2010 seien die Bischöfe mit Prävention und Sanktion von Missbrauch­staten gut vorangekom­men. Nach der jüngsten Studie hätten sie Betroffenh­eit zum Ausdruck gebracht und Abbitte geleistet. Worte allein helfen aber nun nicht weiter, wie es heißt. Die meisten aktiven Katholiken trügen die „vormoderne Ordnung der Kirche“nicht mehr mit. „Sie ertragen sie nur noch.“In dem Zusammenha­ng verweist der Brief auch auf Austrittsz­ahlen.

Für die katholisch­e Kirche hatten Wissenscha­ftler die „Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjähr­igen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofsko­nferenz“Ende September in Fulda bei der Herbstvoll­versammlun­g der Bischöfe vorgestell­t. In den kirchliche­n Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das Forscherte­am Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldig­te Priester, Diakone und Ordensleut­e gefunden. Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus.

„Stellen Sie den Diözesanpr­iestern die Wahl ihrer Lebensform frei“

Newspapers in German

Newspapers from Germany