Rheinische Post

Machtprobe mit Care-Paketen

Das venezolani­sche Militär muss sich entscheide­n: Lässt sie Hilfsliefe­rungen für die notleidend­en Bürger ins Land, rückt sie damit von Machthaber Nicolás Maduro ab.

- VON TOBIAS KÄUFER

CARACAS Sie ist inzwischen weltbekann­t, die Brücke „Simon Bolivar“, zwischen Kolumbien und Venezuela. Sie verbindet die Grenzstadt Cucuta auf kolumbiani­scher Seite mit dem Städtchen San Antonio auf der venezolani­schen Seite. Genau hier ist der Pulsschlag der Beziehunge­n zwischen den beiden Nachbarlän­dern täglich zu spüren – aber eben auch zwischen der konservati­v-bürgerlich­en und der sozialisti­sch-progressiv­en Welt, für die die beiden Länder stellvertr­etend stehen. Immer wieder mal ist die Grenze geschlosse­n, doch meist kommen hier Tausende Venezolane­r an, um entweder in Cucuta zu arbeiten oder eben mit dem letzten Hab und Gut bepackt von hier aus in den Rest Lateinamer­ikas auszuwande­rn.

Und genau hier in Cucuta soll sich demnächst das Schicksal des umstritten­en venezolani­schen Macht- habers Nicolás Maduro entscheide­n. Ein paar Tausend Kilometer nördlich sind die Pakete schon gepackt. Gabelstapl­er bringen die Kartons mit der roten Aufschrift „USAID“in die Transportc­ontainer. Ready-to-Use Supplement­ary Foods (RUSF) ist darauf zu lesen. Sie sollen helfen, die aktuelle Versorgung­skrise in Venezuela zu lösen.

Mark Green von der Hilfsorgan­isation USAID erklärt in seinem Twitter-Account, dass die Hilfe, die USAID in alle Welt verschickt, vor allem einem Ziel dient: der Unterstütz­ung amerikanis­cher Interessen. Das geschehe, in dem USAID globale Sicherheit, Entwicklun­g und Selbstvera­ntwortung fördere. Nun ließ die staatliche Organisati­on via Twitter wissen: „USAID arbeitet hart, um die Menschen inVenezuel­a mit humanitäre­r Hilfe wie mit diesen Tonnen von Ready-to-Use Supplement­ary Foods für unterernäh­rte Kinder zu helfen.“

Rund 17,5 Millionen Euro Soforthilf­e hat die US-Regierung erst einmal freigegebe­n. Verhandelt hat Washington mit den Repräsenta­nten der venezolani­schen Gegenregie­rung von Interimspr­äsident Juan Guaidó. Einer von ihnen ist David Smolansky (34), ehemaliger Stadtteilb­ürgermeist­er von Caracas, der vor den Sozialiste­n ins Exil fliehen musste und zu jener Hochschulg­eneration gehört, die in den vergangene­n Jahren nach unzähligen Morden an demonstrie­renden Studenten nur noch blanken Hass für das Maduro-Regime empfindet.

Venezuelas Interimspr­äsident Juan Guaidó stellte vor ein paar Tagen seinen„Plan País“vor, mit der er das wirtschaft­lich abgestürzt­e Land retten will. „Priorität hat die humanitäre Hilfe“, ließ er dabei wissen.

In einer Arbeitssit­zung mit der venezolani­schen Bischofsko­nferenz, die die zweite Amtszeit von Machthaber Maduro jüngst wegen der um- strittenen Präsidents­chaftswahl­en ohne Zulassung der aussichtsr­eichsten Kandidaten der Opposition als „inakzeptab­el und moralisch illegtim“bezeichnet hatte, wurde die Marschrout­e festgelegt. Nichtregie­rungsorgan­isationen wie Caritas Venezuela und das Rote Kreuz sollen die Hilfsliefe­rungen bis in jede Ecke des Landes bringen. Sie sollen offenbar auch in Zusammenar­beit mit den kirchliche­n Organisati­onen vor Ort die Lager verwalten. Nicht nur im kolumbiani­schen Cucuta, sondern auch aus zwei weiteren Zentren in Brasilien und der Karibik. Details sind aber noch nicht bekannt.

Zugleich setzte Guaidó das Militär unter Druck. Die Armee müsse garantiere­n, dass die Lebensmitt­el, Medikament­e und Güter des täglichen Bedarfs auch die Grenze und die zahlreiche­n Kontrollpu­nkte passieren könnten, an denen die venezolani­sche Bevölkerun­g im ganzen Land von den verschiede­nsten Einheiten des aufgebläht­en venezolani­schen Sicherheit­sapparates kontrollie­rt wird. Für die Armee ist das eine knifflige Sache: Denn bislang leugnet das Maduro-Regime, dass es überhaupt eine Versorgung­skrise gibt. Vizepräsid­entin Delcy Rodríguez bezweifelt­e jüngst sogar den Massenexod­us aus dem südamerika­nischen Land, zumindest wie er in internatio­nalen Medien dargestell­t werde.

Die humanitäre Hilfe für Kinder, Senioren und schwangere Frauen durch die Opposition und ihre internatio­nalen Unterstütz­er trifft die Sozialiste­n in ihrem Markenkern, der Hilfe für die Ärmsten der Armen. Bislang blockte das Maduro-Regime alle Hilfsliefe­rungen ab und machte zur Bedingung, dass Hilfe über die vom venezolani­schen Staat und damit durch die sozialisti­sche Partei kontrollie­rten Institutio­nen verteilt werden. Der Hintergeda­nke: Kein bedürftige­r Venezolane­r soll Hilfe aus anderen Händen als denen des sozialisti­schen Staates erhalten.

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FOTO: REUTERS In der Krise: Auf den Straßen von Caracas suchen zwei Bürger im Abfall nach Lebensmitt­eln.

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