Drama für die Wirecard-Aktionäre
Nach dem Horror-Freitag mit einem Kursabsturz um 31 Prozent will sich das Unternehmen am Montag zu den Vorkommnissen am Kapitalmarkt äußern. Der Fall erinnert an 2016, als Wirecard Opfer einer Kursmanipulation war.
DÜSSELDORF Wenn bei einer Aktie binnen einer einzigen Stunde mehrere Milliarden Euro Börsenwert (zumindest vorüberghend) vernichtet werden, darf man wohl von einem Drama für die betroffenen Aktionäre reden. Umso sehnlicher warten die Anteilseigner des ZahlungsdienstleistersWirecard auf den Montag. Um 13 Uhr wollen sich dieVerantwortlichen des Unternehmens in einer Telefonkonferenz zu den „Vorkommnissen am Kapitalmarkt“äußern – in der Hoffnung, dass sich die Aktie danach weiter berappelt, nachdem sie gegenüber dem Tiefpunkt am Freitag schon wieder zehn Euro gewonnen hat.
Aber damit ist nur ein Teil des Börsen-Crashs wieder repariert. Am Mittwoch hatte der Kurs noch bei 162 Euro gelegen, war dann um 16 Prozent abgeschmiert, erholte sich kurz, ehe er am Horror-Freitag auf 103,50 Euro abstürzte. Der Grund: zwei Berichte in der „Financial Times“, in denen von kriminellen Machenschaften die Rede war. Eine von Wirecard beauftragte Anwaltskanzlei aus Singapur habe in der dortigen Niederlassung Hinweise auf finanzielle Unregelmäßigkeiten entdeckt. In einem internen Bericht der Kanzlei Rajah & Tann sei von einem Verdacht auf gefälschter Buchführung, Betrug, Korruption und Geldwäsche die Rede gewesen. Davon habe das Spitzenmanagement bereits am 8. Mai 2018 in ei- ner Präsentation erfahren, schrieb die Zeitung. Wirecard hat die Vorwürfe in beiden Fällen vehement bestritten. Die Behauptungen seien „irreführend und diffamierend“, dass die Unternehmensführung von solchen Ergebnissen einer Prüfung gewusst habe, sei falsch.
Aber alle Unschuldsbeteuerungen haben den steilen Absturz an der Börse nicht verhindern können. Die Finanzaufsicht Bafin hat sich eingeschaltet; die Staatsanwaltschaft München ermittelt nun, weil durch die Kursverluste die Frage aufgeworden wird, ob bei Wirecard nicht in großem Stil der Kurs manipuliert worden sein könnte. Nach außen hin steht Aussage gegen Aussage. Aber: Zumindest merkwürdig erscheint, dass die Berichterstattung eines der beiden jetzt beteiligten „Financial-Times“-Autoren vor knapp drei Jahren schon einmal einen Kurseinbruch beiWirecard ausgelöst hat. Anfang 2016 verlor das Papier etwa ein Vietel seines Wertes, nachdem unter Berufung auf einen bis dato unbekannten Börsendienst ebenfalls von kriminellen Machenschaften die Rede gewesen war. Damals endeten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit der Erkenntnis, die Kurse seien manipuliert worden. Es gab einen Strafbefehl gegen den Heruasgeber des Dienstes.
Der Zusammenhang ist natürlich kein Beweis dafür, dass alles jetzt genauso abgelaufen ist. Und für Wirecard-Aktionäre, die aus Angst vor noch höheren Verlusten ihre Aktien
verkauft haben, ist das auch nur ein schwacher Trost. Denn das verlorene Geld werden sie nicht zurückbekommen. Und das nach einem Jahr, in dem der Online-Zahlungdienstleister am Aktienmarkt mehr als 42 Prozent zugelegt hat, in dem er zwischenheitlich mehr wert war als die Deutsche Bank und in dem er immerhin die Commerzbank aus dem Deutschen Aktien-Index (Dax) verdrängt hat.
Der AufsteigerWirecard war einer der Überlebenden des Dotcom-Dramas zu Beginn des Jahrtausends, als allein das Wort Internet genügte, um bei gierigen Anlegern irrwitzige Phantasien von unendlichen Kursgewinnen auszulösen. Seither hat sich das Unternehmen, das früher Zahlungen für die Glückspielund Pornoindustrie abwickelte, zwar stark verändert. Aber so ganz scheinen manche Anleger dem Emporkömmling doch nicht zu trauen.