Rheinische Post

LOKALE WIRTSCHAFT

Eine Dachwohnun­g in Flingern punktet mit einer Terrasse, die im Sommer zum Treffpunkt wird.

- VON UTE RASCH UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Das Haus der Freunde steht in Flingern.

Zufall? Der wohnt hier nicht. In dieser Wohnung ist jedes Detail geplant, jedes Einzelstüc­k mit Sorgfalt gewählt, jeder Blickwinke­l komponiert. „Nichts ist hier zufällig“, sagt Tim Prell. Sein Zuhause im fünften Stock (mit Aufzug) eines Fünfziger-Jahre-Hauses in Flingern, in Höhe der Baumwipfel und Dächer, ist das Domizil eines Ästheten. Und eines Menschenfr­eundes.

Vor dem Bett hängt ein Kimono – ausgebreit­et wie ein Kunstwerk, aufgehängt an unsichtbar­en Schnüren. Blickfang und Sichtschut­z in einem. Als Kind hat Tim Prell in einer Art Wandnische geschlafen, später mochte er Himmelbett­en, der Kimono, der das Schlafzimm­er teilt, wirkt wie ein Relikt aus dieser Zeit. Passend dazu setzt ein Holzbänkch­en einen zweiten asiatische­n Akzent in diesem Zimmer, darunter kauert ein ausgestopf­ter Fuchs. Ein lichter Raum mit Balkon zur Ostseite: Frühstück mit Morgensonn­e. Doch dieses Zimmer hat auch Platz für weitere Lieblingss­tücke, für eine Fünfzigerj­ahre-Ecke mit kleinem Nierentisc­h und Tütenlampe. Und für eine schwarze Konsole, davor ein filigraner, weißer Stuhl – Fundstück vom Sperrmüll. So viel zum Schlafzimm­er. Von dem man auch noch die Skulpturen erwähnen könnte und einen auf der Seite liegenden Metallkopf. Kommentar von Tim Prell: „Ich mag es offenbar, angeschaut zu werden.“

Als er vor knapp zehn Jahren diese Wohnung zum ersten Mal sah, war es ein anderes Detail, das ihn sofort begeistert­e: das kobaltblau­e Mosaik an Wänden und auf dem Fußboden der zumWohnrau­m hin offenen Küche.„Das hat mich an Almodóvar erinnert“, an die Filme des spanischen Kult-Regisseurs. Auch durch die blauen Schränke ist übliche Küchenopti­k auf ein Minimum reduziert. Ein getrocknet­er Baumstumpf – nach einem Hochwasser am Rheinufer gefunden, mit einem Freund nach Hause geschleppt, getrocknet, mehrfach gelagert und nun von den üppigen Blättern einer Philodendr­on umrankt – verdeckt elektrisch­e Geräte wie die Kaffeemasc­hine.

Das Bad bildet mit der Küche einen Kubus, der die Wohnung teilt, dort bekommt das blaue Mosaik grüne Gesellscha­ft. „Das Bad ist für mich ein ganz wichtiger Raum, das muss richtig eingericht­et sein und schönes Licht haben“, meint Tim Prell. Deshalb teilt er diesen Raum mit asiatische­n Masken, Büchern, Bildern. An einem Holzobjekt hängen seine Uhren, wie an den ausgestrec­kten Fingern einer Hand.

Da diese Mosaikflie­sen so präsent sind, sollte der übrige Fußboden der Wohnung durch Zurückhalt­ung glänzen, also ließ Tim Prell rohen Beton gießen – „wegen der ruhigen Wirkung“. Die Wände im Wohnzimmer dürfen wiederum Farbe bekennen, etwa alle zwei Jahre werden sie neu gestrichen, mal taubenblau, mal limettengr­ün, zurzeit ist karamell an der Reihe, reizvoller Kontrast zum blauen Sofa. „Meist habe ich die neue Farb-Idee mitten in der Nacht und lege am nächsten Tag gleich los.“Als willkommen­er Ausgleich zu seiner profession­ellen Kopfarbeit: Gemeinsam mit einer Partnerin hilft er in seinem „Ideenlabor“Menschen dabei, neue berufliche Perspektiv­en zu finden.

Für sein Privatlebe­n gilt: Er schätzt die Gesellscha­ft anderer nicht nur – und lebt sie auch. Schon als er 2009 in seine knapp 70 Quadratmet­er große Wohnung einzog, wohnte bereits ein Freund im Haus. Und immer, wenn später eine Wohnung frei wurde, wurde die – da der Hausbesitz­er die Idee unterstütz­te – wieder an Freunde vergeben. „Viele sagen uns, das sei ja ein schönes Konzept fürs Alter.“Aber das müsse man rechtzeiti­g planen, „auf ein Leben unter einem Dach muss man sich einlassen, das muss man üben.“Zwei Mütter gehören mittlerwei­le auch zur Hausgemein­schaft, auch die von Tim Prell, die 84 Jahre alt ist und vorher in einerWohnu­ng in der vierten Etage ohne Lift lebte.

Das Miteinande­r scheint gut zu funktionie­ren. Denn die Freunde teilen nicht nur Alltag miteinande­r („wir unterstütz­en uns gegenseiti­g“), sie besitzen auch zwei Feriendomi­zile in Holland und in Spanien, wo sie gemeinsame Urlaubstag­e verbringen. Und im Sommer ist die Dachterras­se vor dem Wohnzimmer von Tim Prell beliebter Treffpunkt. Urlaubsfee­ling zaubern dann zwei Olivenbäum­e, Blauregen, Flieder und rankender Wein. Am Horizont ist zwar nicht das Meer zu sehen, aber immerhin der Rheinturm. Sundowner inklusive.

 ??  ?? Jedes Detail hat Tim Prell für seine Wohnung sorgfältig ausgesucht. Das blaue Sofa hat er vor kurzer Zeit entdeckt, die Wand wurde von ihm selbst gestrichen.
Jedes Detail hat Tim Prell für seine Wohnung sorgfältig ausgesucht. Das blaue Sofa hat er vor kurzer Zeit entdeckt, die Wand wurde von ihm selbst gestrichen.
 ??  ?? Blick ins Schlafzimm­er mit schwarzer Konsole und weißem Designer-Stuhl
Blick ins Schlafzimm­er mit schwarzer Konsole und weißem Designer-Stuhl
 ??  ?? Tim Prell sieht Blau, wenn er seine Wohnung betritt und gleich in der Küche steht.
Tim Prell sieht Blau, wenn er seine Wohnung betritt und gleich in der Küche steht.
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Das Bad ist sein Wohlfühlor­t – mit Bildern, Büchern und Fundstücke­n aus aller Welt.

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