Rheinische Post

Prozess gegen EVK-Ärzte startet

2016 verstarb ein Siebenjähr­iger im Evangelisc­hen Krankenhau­s, weil er trotz Darmversch­lusses nicht operiert wurde. Zwei Ärzte müssen sich nun verantwort­en.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Wenn ein Kind im Bett sitzt und spielt, dann kann es nicht so krank sein, dass eine Operation dringend nötig wäre. Damit hat sich ein Oberarzt (64) der Kinderabte­ilung des Evangelisc­hen Krankenhau­ses (EVK) gegen den Vorwurf verteidigt, er habe im Oktober 2016 den Tod eines siebenjähr­igen Jungen fahrlässig verschulde­t. Zweieinhal­b Jahre später werden jetzt ihm und seiner damaligen Assistenzä­rztin (32) beim Amtsgerich­t der Prozess gemacht. Die Anklage lautet auf fahrlässig­e Tötung des Patienten, der trotz eindeutige­r Diagnose (Darmversch­luss) über Stunden hinweg nicht operiert wurde. Bis er an dem akuten Notfall starb.

Morgens an einem Samstag war derVater mit Kind zum EVK gekommen. Tagelang konnte sein Sohn seine Nahrung schon nicht mehr bei sich behalten. Für die Eltern müssen die folgenden Stunden ein Martyrium der besonderen Art gewesen sein. Erst wurde der Junge vom EVK in die Notfallpra­xis an der Florastraß­e geschickt, von dort wieder zurück ins EVK.Weitere Stunden vergingen laut Anklage, bis mittags feststand: Bei dem Jungen lag ein medizinisc­her Notfall vor, ein Darmversch­luss, der laut Gutachter-Meinung sofort hätte operiert werden müssen.

Da der EVK-Kinderchir­urg damals aber im Urlaub war und eine Verlegung des Patienten in eine andere Klinik vom Transportd­ienst wegen des kritischen Zustandes des Kindes abgelehnt wurde, kam der Siebenjähr­ige kurz vor 14 Uhr auf die EVK-Intensivst­ation. Anderthalb Stunden später fuhr der jetzt angeklagte Oberarzt nach Hause zu seiner Familie, ließ sich von der Assistenzä­rztin telefonisc­h über die Entwicklun­g informiere­n.

In einer Vernehmung sagte er später, der Junge habe im Bett sitzend noch gespielt, was die Notwendigk­eit einer schnellen Operation doch relativier­t habe. Aber kurz nach 18 Uhr kollabiert­e der Junge, starb nach weiteren 90 Minuten vergeblich­er Wiederbele­bungsversu­che um 19.30 Uhr. Der Oberarzt hält den Krankheits­verlauf bei dem Jungen für „untypisch“, er sei sich keiner Schuld bewusst.

Seine damalige Assistenti­n gab an, sie habe ihren Chef ja stets über alle Entwicklun­gen informiert. Fakt ist: Außer Infusionen bekam der Junge damals keine medizinisc­he Hilfe. Dabei wäre eine Chirurgin im EVK laut Anklage bereit gewesen, den Siebenjähr­igen zu operieren. Nur hat das keiner der Angeklagte­n angeordnet. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Oberarzt und die damaligen Assistenti­n durch ihr untätiges Abwarten den Tod des Jungen verschulde­t haben. Die Amtsrichte­rin will darüber am übernächst­en Dienstag, 12. Februar verhandeln, ein Urteil wird noch an diesem Tag erwartet.

Der Oberarzt hält den Krankheits­verlauf für „untypisch“

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