Erinnerung an mutige Düsseldorferinnen
Mosaikstücke aus dem Leben von 16 Düsseldorfer Frauen zur NS-Zeit zeigt eine Ausstellung, die heute eröffnet wird.
Sie waren mutig und standhaft. Sie haben Stärke gezeigt, als die große Mehrheit geschwiegen hat. Sie leisteten Widerstand gegen das NS-Regime, wurden verfolgt oder haben Verfolgte gerettet: Vorbilder, unvergessen. Tatsächlich? An 16 Düsseldorfer Frauen erinnert eine Ausstellung, die heute Abend in der Mahn- und Gedenkstätte eröffnet wird. Dabei zeigt sich, dass das kollektive Gedächtnis durchaus Lücken hat: An fünf dieser Frauen erinnert bis heute kein Straßenname.
Kurz geschnittenes Haar, hochgeschlossene Bluse, warmherziges Lächeln, so blickt uns Cilly Helten von einem Foto entgegen. Eine Frau, die doppelt gefährdet war, als Kommunistin und weil sie Frauen liebte. 1942 wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, nachdem man sie angeklagt hatte, „Feindsender“gehört zu haben. Dort begegnete ihr die Sozialdemokratin Rosa Jochmann. „Aus Briefen von Überlebenden erfahren wir, dass sich beide Frauen um inhaftierte Mädchen und junge Frauen gekümmert haben“, sagt Astrid Hirsch, die mit Hildegard Jakobs die Ausstellung kuratiert hat. Auch sei es ihnen gelungen, für andere Lebensmittel, Medikamente und Kleidung zu beschaffen. Beide Frauen überlebten das KZ, zogen später nach Wien, wo Cilly Helten 1974 starb. In Düsseldorf wird zurzeit darüber diskutiert, ob eine Straße nach ihr benannt werden soll.
Diese Ehrung wurde auch ihr bisher verwehrt: Hulda Pankok, geborene Droste, die ihre Kindheit und Jugend in einem liberalen Elternhaus verbrachte, der Vater war Journalist, die Mutter Theaterkritikerin. Auch Hulda wurde Journalistin und lernte bei einem Interview den Künstler Otto Pankok kennen, den sie 1921 heiratete.Während der NSZeit machte der Maler keinen Hehl aus seiner Freundschaft zu den Düsseldorfer Sinti, seine Kunst wurde als „entartet“diffamiert, Hulda be- kam 1937 Berufsverbot. Um sich der ständigen Überwachung zu entziehen, verließen die beiden Düsseldorf und lebte in einem Bauernhaus in der Eifel, dort versteckten sie den befreundeten Maler Mathias Barz und seine jüdische Ehefrau Hil- de. Für diese Rettungsaktion wurde das Paar von der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel als„Gerechte unter den Völkern“geehrt. In Düsseldorf trägt eine Gesamtschule den Namen Hulda Pankok, sie starb 1985 im Alter von 90 Jahren.
„Gerechte unter den Völkern“– diese Ehre wurde auch Hilde und Joesph Neyes (er leitete nach 1945 die Robert Schuman Hochschule) zuteil. Ihr Sohn Peter, der am Freitag die Düsseldorfer Ausstellung vorab besuchte, erinnert sich ge- nau an den 17. September 1944, als plötzlich Erna Etscheit, eine jüdische Freundin der Familie, vor dem Haus in Oberkassel stand – und um Hilfe bat, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Name auf einer Deportationsliste stand. Das Paar zögerte nicht. „Plötzlich war Tante Erna immer da“, erinnert sich Peter Neyes, der damals fünf Jahre alt war. Auch daran: Seine Mutter brachte ihm und seiner kleinen Schwester bei, jedes Mal mit Tante Erna verstecken zu spielen, sobald es klingelte. Ihr Trick funktionierte, alle überlebten Verfolgung und Krieg, die mutige Hilde Neyes starb 1948 an Tuberkulose.
Sie waren Ärztinnen und Pionierinnen: Selma Meyer und Hedwig Danielewicz, beide um 1880 geboren, zählten sie zu den ersten Frauen, die ein Medizinstudium absolvierten. Hedwig Danielewicz hatte eine Praxis an der Schadowstraße, konvertierte zum katholischen Glauben, retten konnte sie das nicht: 1941 wurde sie mit ihrer Schwester ins Ghetto von Minsk verschleppt.
Selma Meyer war Kinderärztin und wurde 1927 als erste Frau in Deutschland zur Professorin für Kinderheilkunde ernannt. „Es gelang ihr, sich als Frau in der männlich dominierten Medizin einen Namen zu machen und Respekt und wissenschaftliche Anerkennung zu bekommen“, so Astrid Hirsch. Ihre Reputation schützte sie nicht davor, 1933 ihre Position als Professorin zu verlieren, ebenso ihre Kassenzulassung. Sechs Jahre später gelang ihr die Flucht nach London, später nach New York, wo sie bis zu ihrem Tod 1958 als Kinderärztin praktizierte.
Und Hedwig Danielewicz? Die Medizinerin hat nicht überlebt, ihre Spuren verlieren sich im Minsker Ghetto.