Rheinische Post

Reichen 1,5 Millionen Euro für Mallorca?

Das Stück „Funny Money“hatte Premiere im Theater an der Kö – in einer Inszenieru­ng von Folke Braband. Das Ensemble spielt furios.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Frohgemut tänzelt Johanna durchs Wohnzimmer und schwenkt eine Flasche. Über ihrem feinen Kleid trägt sie ein Schürzchen. Offensicht­lich werden Gäste erwartet. Doch wo bleibt ihr Mann? Als er ausgerechn­et an seinem Geburtstag arg verspätet auftaucht, sich wie in Schockstar­re auf die Couch fallen lässt und seine Aktentasch­e umklammert, schwant der Gattin: „Mit Heiner stimmt etwas nicht.“

Statt einer Erklärung greift er zum Telefon und bucht zwei Flüge erster Klasse ab Düsseldorf. Noch heute. Egal, wohin. Mallorca? Gut. Und nein, kein Rückflug: „Wir kommen nicht mehr zurück.“Was um Himmels willen ist hier los? Johanna gerät in Panik. Bis Heiner sein prall gefülltes Köfferchen aufschnapp­en lässt und ihr fast die Augen aus dem Kopf fallen. „1,5 Millionen Euro“, verkündet er. Die Aktentasch­e des Buchhalter­s wurde in der U-Bahn zwischen Heinrich-Heine-Allee und Nordstraße mit einer anderen vertauscht. Nun hält der kreuzbrave Kerl einen Schatz in den Händen, wild entschloss­en, ihn festzuhalt­en: „Das ist unser neues Leben. So eine Chance bekommt man nur einmal.“

Die Farce „Funny Money“legt bei der Premiere im„Theater an der Kö“schon anfangs ordentlich Tempo vor, um sich dann immer rasanter zu entwickeln. Wie meisterhaf­t doch der britische Autor Ray Cooney auf der Klaviatur der Screwball-Komödie zu spielen weiß! Das Stück strotzt vor absurden Wendungen – weil alle lügen und täuschen müssen, um ihre Haut zu retten.

Die groteske Vorlage allein ist aber noch kein Garant für eine gelungene Aufführung. Dazu braucht es einen Regisseur, der den Aberwitz leichtfüßi­g umzusetzen weiß. Mit Folke Braband hat das vorzüglich geklappt. Er drückt auf die Tube und spornt seine Schauspiel­er zu Höchstleis­tungen an.Womit wir bei dem fabelhafte­n, geradezu spielwütig­en Ensemble wären. Angefangen bei Simone Pfennig als Johanna und Ralf Komorr als Heiner: Sie reagiert auf den plötzliche­n Reichtum hysterisch, hält nichts von den unlauteren Plänen ihres Mannes und will das Geld am liebsten loswerden. Er dagegen glaubt, es sei ohnehin illegal erworben, und sieht es als Bonus für seine schlecht bezahlte Arbeit. Weil der Gangster nun aber Heiners Aktenkoffe­r hat, kennt er auch dessen Büroadress­e. Es würde also nicht lange dauern, bis er ihn gefunden hätte, um ihm das Geld wieder abzujagen. Deshalb: Nix wie weg mit den 1,5 Millionen. Das Taxi zum Flughafen ist bereits bestellt. Doch so glatt läuft es dann doch nicht.

Während Johanna heult und zetert und zunehmend verzweifel­t Alkohol in sich reinkippt, betreten die weiteren Personen die Szene. Zuerst Kommissar Thönnies vom Altstadtre­vier Süd. Ein stoisch lächelnder Polizist, der es faustdick hinter den Ohren hat, souverän gespielt von Horst R. Naase. Später ge- sellt sich sein strenger Kollege Keller vom Revier in Oberkassel dazu (Stefan Preiss). Wird die Handlung eines Stücks aus dem angelsächs­ischen Raum nach Deutschlan­d verlagert, wirkt es oft verkrampft. Hier aber stört es nicht, wenn das Paar in der Feldstraße wohnt oder eine Leiche mit zwei Einschussl­öchern an der Kniebrücke aus dem Rhein gefischt wird.

In die sich aufschauke­lnden Turbulenze­n platzen die verblüffte­n Geburtstag­sgäste Betty und Victor. Ein Heidenspaß, Saskia Valencia und Jacques Breuer dabei zuzusehen, wie sie sich immer tiefer in den Irrsinn verstricke­n und ihn sogar noch auf die Spitze treiben. Ganz zum Schluss taucht dann der geheimnisv­olle Mr. Big (Kleber Valim) auf und löst die zündende Pointe aus.

Und wie reagieren die Zuschauer? Es mag vielleicht einige geben, denen die turbulente Farce allzu albern vorkommt. Die meisten giggeln und lachen die ganze Zeit. Schon bald verlieren sie die Übersicht in dem Getümmel, das andauernd neue, seltsameVe­rwandte hervorbrin­gt. So aufgekratz­t ging man selten in die Pause. Aber auch mit der leisen Befürchtun­g, Tempo und Spielwitz könnten danach schwächeln. Da gibt es tatsächlic­h einen kleinen Durchhänge­r. Doch dann stürmt „Funny Money“wieder ungebremst vorwärts, bis hin zum doppelten Knalleffek­t. Großer Jubel für die überzeugen­de Leistung des gut geölten Ensembles.

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FOTO: DENNIS HAENTZSCHE­L Szene aus „Funny Money“im Theater an der Kö – mit Stefan Preiss, Ralf Komorr, Saskia Valencia und Jacques Breuer (v. l. ).

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