Rheinische Post

„Der schönste Stadtteil von Düsseldorf“

Viel los, viel Verkehr und unter dem Strich eine tolle Lebensqual­ität: Die Menschen rund um die Lorettostr­aße sind zufrieden.

- VON NICOLE KAMPE UND UWE-JENS RUHNAU

UNTERBILK Kristina Tewes und Matthias Goergens haben drei Kinder. Diese sind heute fünf, sieben und elf Jahre alt. Irgendwann hat sich das Paar hingesetzt und eine Pround-Contra-Liste aufgestell­t. „Wir haben uns gefragt, ob wir mit den Kindern in Unterbilk wohnen bleiben wollen oder lieber aufs Land ziehen.“Die Familie wohnt in der Wilhelm-Tell-Straße, die von der Lorettostr­aße abzweigt. „Am Ende kam heraus, dass fast nichts für den Wegzug sprach.“Gründe: Die Kinder kommen mit dem Verkehr klar, haben die Schulen in der Nähe, zum Sport geht es nur über eine Ampel, die Innenstadt ist nah, der Rhein auch. „Außerdem haben wir Lokale und Geschäfte“, ergänzt Peter Müller. Der Markt auf dem Friedenspl­ätzchen hat viele Fans, dort trifft Ingeborg Wolff ihre Bekannten und bekommt frisches Obst und gutes Fleisch. „Nur ein Fischhändl­er fehlt.“Gelobt wird, dass im Stadtteil alle gesellscha­ftlichen Schichten und Generation­en zusammenle­ben. „Für mich ist es das schönste Viertel von Düsseldorf“, sagt Beate Glaser. Übersichtl­ich sortiert dank eines Schachbret­t-Straßensys­tems, fast alles gut fußläufig erreichbar, genug Ärzte und ein Krankenhau­s. Das sind aktuell die wichtigen Themen im Stadtteil:

Autoverkeh­r Die Lorettostr­aße war früher eine Durchgangs­straße. Daran können sich viele Unterbilke­r wie Franz-Josef Cüppers bestens erinnern. Der Apotheker hatte sich mit dem damaligen Oberbürger­meister Joachim Erwin für den Umbau der Straße eingesetzt. Acht Bäume, 32 Laternen und eine neue Asphaltdec­ke hat die Straße bekommen, dazu Schrägpark­plätze. Cüppers ist zufrieden, „nur die Idee, einen richtigen Radweg umzusetzen, hat nicht funktionie­rt“. Die ÖP- NV-Anbindung ist aber so gut, dass viele Anwohner das Auto immer öfter stehen lassen oder aufs Carsharing umsteigen.

Aktuell gibt es eine Initiative für Tempo 30 auf der Bilker Allee. Schulleite­r von Grund- und Realschule, Anwohner, Händler und der Bezirksbea­mte der Polizei setzen sich für die Reduzierun­g der Geschwindi­gkeit auf der Hauptverke­hrsader ein. Sie wollen nicht warten, bis ein schlimmes Unglück passiert. Unfälle hat es schon einige gegeben. Es gibt aber auch andere Auffassung­en. Ein Mann Mitte 30, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hält die Reduzierun­g für unnötig. Er sei eifriger Radfahrer und habe noch keine brenzlige Situation erlebt.

Parken Oft sehen Anwohner und Händler Autos auf der Lorettostr­aße und Bilker Allee, die über Tage dort abgestellt sind. Die Anlieger fänden es gut, Kurzzeitpa­rken einzuführe­n, die Langzeitpa­rker könnten dann in Richtung Rheinknieb­rücke ausweichen, schlägt Fabian Pramel vor. Parkplätze sind im eng bebauten Jahrhunder­twende-Stadtteil Mangelware. Ein ganz typisches Bild im Viertel: Gleich neben der Mobilen Redaktion an der Ecke Loretto-/ Düsselstra­ße stellt ein junger Mann sein Auto auf dem rot markierten Radbereich ab, bringt seine Hemden in die Reinigung und schaut noch beim Friseur vorbei. „Das würde er sich auf der normalen Fahrbahn nicht trauen“, sagt Dirk Jehle vom Heimat- und Bürgervere­in. Volker Wirths hat 20 Jahre auf seinen Garagenpla­tz gewartet. Er hat das Glück, eine Eigentumsw­ohnung zu besitzen – in einem der ersten Häuser, in denen Arbeitskrä­fte von Mannesmann nach dem Krieg gemeinsam Eigentum schaffen konnten.Wirths findet die Idee von Oberbürger­meister Thomas Geisel nicht schlecht, in Stadtteile­n, in denen Parkplätze rar sind, bis Mitternach­t oder län- ger Parkgebühr­en einzuführe­n und gleichzeit­ig Anwohner-Parkauswei­se. „Vielleicht bringt es etwas, nach Unterbilk kommen viele Besucher, die abends Parkplätze blockieren.“

Radverkehr „Die Fußgänger haben keine Chance“, sagt Ingeborg Wolff, „die Autos fahren zu schnell, viele Radfahrer sind rücksichts­los.“Beate Glaser sieht es genauso, „die Radler verhalten sich oft gemeingefä­hrlich.“Für die Radler selbst ist die Verkehrsfü­hrung aber auch ein Problem,Wolfgang Fiegen nennt die Situation „lebensgefä­hrlich“. Gerade rund die Bilker Kirche traut er sich nur im Schritttem­po zu fahren. „Zum Glück ist dort noch nichts Schlimmere­s passiert.“Erich Pliszka, der seit mehr als 50 Jahren im Viertel lebt, weist darauf hin, dass die Verkehrsfü­hrung schon vor 25 Jahren ein großes Thema war. „Als der Rheinufert­unnel gebaut wurde, hat man uns gesagt, derVerkehr soll um die Kirche herum geführt werden.“Das sei aber nie passiert.

Handel Die vielen Geschäfte sind eine schöne Sache, aber einiges ist weggefalle­n und fehlt den Bürgern. „Wir hatten hier zwei Strauß-Filialen“, sagt Margret Huth. Heute müsse man für ein Unterhemd in die Stadt fahren. Die RP-Leser vermissen auch einen größeren Supermarkt, den Metzger an der Ecke und ein Haushaltsw­arengeschä­ft. „Es gibt nichts Normales hier“, sagt Ingeborg Wolff, die sich einen größeren Supermarkt wünscht, „eine Handtasche muss ich nicht einmal in der Woche kaufen“. Für viele sei es auch zu teuer geworden in Unterbilk, „gerade die Älteren, die nicht so viel Geld haben, finden das“, sagt Erich Pliszka. Beate Glaser fehlt zudem ein Bankautoma­t. Das sagt auch Christian Holthausen von der Werbegemei­nschaft Lorettovie­rtel, der versucht, sich noch stärker mit der Bilker Allee zu vernetzen, wo es einen großen Supermarkt gibt. „Manchmal sind Lorettostr­aße und Bilker Allee immer noch zu sehr für sich“, so Holthausen.

Landtag Auf die Pläne zur Erweiterun­g des Landtags blicken die Unterbilke­r mit Sorge: „Es stehen so viele Gebäude leer, warum muss der Landtag dort am Rhein vergrößert werden?“, fragt Peter Müller, der fürchtet, Frischluft­schneisen könnten blockiert werden. Sonst hat er aber kein Problem damit, dass die NRW-Regierung ihren Sitz in Unterbilk hat. Und viele andere stimmen ihm zu. „Von den Demos sind wir nicht betroffen“, sagt Bezirksbür­germeister Marko Siegesmund, „die ziehen eher über die Graf-Adolf-Straße“.

Friedenspl­ätzchen Ein zentraler Ort im Stadtteil ist das Friedenspl­ätzchen, das die Unterbilke­r schätzen – nicht nur wegen des Markts. „Die Kinder toben dort, Erwachsene spielen Boule“, erzählt Fabian Pramel, der vor allem das Verhältnis zwischen Gastronomi­e und Fläche, für die kein Geld bezahlt werden muss, lobt. Alles in allem sind die Menschen zufrieden mit ihrem Stadtteil, und wenn in Unterbilk gejammert wird,„jammern wir auf hohem Niveau“, sagen Besucher der Mobilen Redaktion.

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RP-FOTO:ORTHEN RP-Lokalchef Uwe-Jens Ruhnau (links) diskutiert mit den Anwohnern der Lorettostr­aße. Diese mögen ihr Viertel, haben aber auch Wünsche.

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