Rheinische Post

Getarnt als Polizisten bringen Betrüger Senioren um ihr Geld. So gehen sie vor.

Getarnt als Polizisten bringen Betrüger Senioren um ihr Vermögen. So funktionie­rt der Telefontri­ck.

- VON STEFANI GEILHAUSEN von denen kommt dann einer und holt das ab. Dann ist das in Sicherheit.

DÜSSELDORF Rund 9000 Senioren in NRW sind im Jahr 2017 von Betrügern angerufen worden, die sich als Polizisten vorstellte­n und versuchten, den Angerufene­n ihrVermöge­n abzuschwat­zen. Das gelingt nicht immer. Aber wenn, ist der Schaden enorm: Im hohen sechsstell­igen Bereich liegt die Beute, die Ermittlern zufolge vor allem in die Türkei gebracht wird. Von dort kommen in der Regel auch die Anrufe.

Der Trick am Telefon funktionie­rt durch geschickte Gesprächsf­ührung und weil gerade ältere Menschen großes Vertrauen in die Polizei haben – und die vermeintli­chen Kommissare nicht oder zu spät in Frage stellen. Wie das läuft, zeigt unser Protokoll, das wir auf Basis von Gerichtsve­rfahren und Opferberic­hten rekonstrui­eren. Namen und persönlich­e Umstände sind fiktiv.

Guten Tag, hier ist Kommissar Müller von der Kripo Düsseldorf. Spreche ich mit Frau Schmidt?

Die Kriminalpo­lizei? Was wollen Sie denn von mir?

Sind Sie denn die Frau Schmidt?

Jaja, bin ich.

Frau Schmidt, hören Sie mir gut zu. Bei Ihnen hat es einen Einbruch gegeben.

Bei mir?

Also nicht direkt bei Ihnen, schon ein Stück weg. Da ermitteln wir jetzt. Wir waren da ganz schnell da, aber nicht schnell genug, der Täter war schon weg. Aber wir haben da einen Rucksack gefunden. Hören Sie mir zu, Frau Schmidt?

Jaja, ich höre zu.

Im Rucksack haben wir ein Heft gefunden, da stand Ihr Name drin.

Mein Name?

Ja, Frau Schmidt, Vorname, Nachname, Geburtsdat­um, ihre Bankdaten...

Von der Sparkasse?

Genau. Kontonumme­rn, alles. Und da stand auch was von einem fünfstelli­gen Betrag.

Aber wie kommen die denn da dran?

Frau Schmidt, das wüssten wir auch gern, glauben Sie mir. Aber das spielt im Moment keine Rolle. Wir müssen davon ausgehen, dass die Einbrecher Sie im Visier haben. Die werden zu Ihnen kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Um GottesWill­en.Was soll ich denn da machen?

Sie müssen keine Angst haben, wir sind ja da. Wir kümmern uns darum. Wichtig ist aber erst einmal, dass Sie ihre Wertsachen in Sicherheit bringen.

Haben Sie Schmuck zu Hause?

Von meiner Mutter noch, ein paar Sachen.

Und Bargeld?

Nur ein paar tausend, was man halt so daheim hat, für alle Fälle.

Frau Schmidt, dann machen wir jetzt Folgendes. Ich will Ihnen ja helfen. Sie packen das Geld und den Schmuck und was Ihnen noch einfällt, in eine Tasche. Und die stecken sie in einen Müllsack und deponieren den bei den Tonnen.

Bei den Mülltonnen?

Genau. Wir haben da Kollegen in Zivil postiert, verdeckte Ermittler,

Warum kommt der denn nicht klingeln?

Denken Sie doch mal nach, Frau Schmidt. Die Einbrecher, das sind Profis. Die stehen schon längst parat und beobachten Ihr Haus. Wenn ich da einen Streifenwa­gen schicke, dann wissen die doch Bescheid. Und Sie wollen doch auch, dass wir die erwischen.

Ja, aber was hab ich denn damit zu tun?

Frau Schmidt, das hab ich jetzt aber nicht gehört. Sie sind dazu verpflicht­et, der Polizei zu helfen. Und sprechen Sie um Himmels Willen meinen Kollegen nicht an, damit bringen Sie den in Lebensgefa­hr. Haben Sie das verstanden, Frau Schmidt?

Ja, das will ich ja auch nicht. Aber ich weiß nicht.

Was wissen Sie nicht, Frau Schmidt? Ich habe Ihnen gesagt, ich bin Kriminalko­mmissar bei der Kripo Düsseldorf. Sie sehen ja auch im Telefondis­play die 110. Das ist die Polizei, Frau Schmidt. Da müssen Sie schon Folge leisten. Sie packen das jetzt mal zusammen, und dann melde ich mich wieder.

Eine Viertelstu­nde später.

Frau Schmidt? Müller noch mal von der Kripo. Wie weit sind Sie?

Hören Sie, ich hab mir das überlegt.

Sie haben was? Frau Schmidt – Augenblick mal, ich hab den Kollegen am anderen Ende. Klaus, nein, Frau Schmidt hat das noch nicht rausgelegt. Die nimmt das hier nicht ernst, kann sein, dass du die gleich abholen musst zur Wache.

Hallo? Natürlich nehme ich Sie ernst, es ist nur, ich würde gerne mit meiner Tochter sprechen, bevor...

Also das ist doch nicht zu fassen. Jetzt wollen Sie auch noch Ihre Tochter in Gefahr bringen. Jetzt ist hier Schluss mit der Höflichkei­t (brüllt). Das ist hier keine Frage, ob Sie das wollen. Das ist eine polizeilic­he Anordnung. Ich kann Sie auch festnehmen lassen, wenn Sie sich widersetze­n.

Aber es ist doch nur, das Geld, das ist doch mein Erspartes, wenn das weg...

(lacht) Frau Schmidt, jetzt machen Sie mal nen Punkt. Bei der Polizei kommt doch nix weg. Das ist ja lächerlich. Also was ist jetzt? Muss ich den Staatsanwa­lt einschalte­n oder sind Sie jetzt vernünftig?

Und Ihr Kollege holt das dann direkt ab? Dass da nicht der Einbrecher dran geht, mein ich doch nur.

Natürlich, Frau Schmidt. Das hab ich Ihnen doch gesagt. Ich hab den noch am Ohr, Klaus, hast du gehört, die Frau Schmidt stellt das jetzt raus. Machst du schnell, ne. Und pass auf die auf Klaus. So, Frau Schmidt, mein Kollege steht parat.

Ich sehe niemanden.

Das wär ja auch noch schöner, wenn Sie unsere verdeckten Ermittler sehen könnten. Ich sag Ihnen Bescheid, sobald der sich bei mir gemeldet hat.

Frau Schmidt verliert 20.000 Euro und den Schmuck ihrer Mutter an die Verbrecher. Die wittern mehr. Schon am nächsten Tag wird sich Kommissar Müller erneut bei ihr melden. „Weil Sie uns so geholfen haben, will ich auch was für Sie tun. Das kann mich in Teufels Küche bringen, weil ich Ihnen das eigentlich gar nicht erzählen darf. Aber es geht um Ihre Bank. Da ermitteln wir schon seit Monaten gegen zwei betrügeris­che Sachbearbe­iter. Haben Sie da noch Sparkonten? Am besten lösen Sie die auf. Überweisen Sie alles Geld auf ein sicheres Konto. Es dauert nicht mehr lange, dann lassen wir die beiden hochgehen. Aber was dann weg ist, ist weg. Wie gesagt, ich hätte das gar nicht erzählen dürfen, Sie dürfen da mit niemandem drüber sprechen. Nur, weil Sie so nett waren, da will ich nicht mitansehen, wie Sie Ihr Erspartes verlieren.“

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FOTO: ISTOCK MONTAGE: SCHNETTLER Die Kontaktauf­nahme der Betrüger mit Senioren erfolgt häufig über das Handy.

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