Rheinische Post

Runter von unserem Rasen!

Warum eine bessere Schulpolit­ik immer an den Ministerpr­äsidenten scheitert.

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In keinem anderen Land wird den Bundesländ­ern nur annähernd die Autonomie und Macht gegeben wie hierzuland­e. Der deutsche Föderalism­us bringt in seiner Vielfalt Wunderlich­es hervor. Schwimmt ein Hecht zum Beispiel in der Donau, so darf er in Neu-Ulm auf bayerische­r Seite an einem 16. April geangelt werden. Am anderen Ufer in Ulm, Baden-Württember­g, jedoch erst am 16. Mai. Beim Hecht kann man darüber vielleicht noch schmunzeln. Bei Kindern ist das anders. Der real existieren­de Föderalism­us pocht in Gestalt der Ministerpr­äsidenten auf die alleinige Hoheit über die Schulpolit­ik. Seit Jahren wird versucht, an dieses absurde Alleinstel­lungsmerkm­al der Bundesrepu­blik zu gehen. Der jüngste Versuch ist der Digitalpak­t der Bundesregi­erung. Er soll die digitale Bildung der Schüler mit Geld aus der Staatskass­e verbessern. Die Länder wollen das Geld aber nicht, weil sich der Bund laut Kooperatio­nsverbot aus ihren Schulen rauszuhalt­en hat. Immer, wenn der Bund versucht, dieses Verbot mit dem Lockmittel Geld auszuhebel­n, haken sich noch die spinnefein­desten Länderchef­s unter und stehen wie eine Mauer dagegen. Der Digitalpak­t ist deshalb nun folgericht­ig im Vermittlun­gsausschus­s gelandet. Für den politische­n Jungbullen Markus Söder ist die Gelegen- heit günstig, seine Hörner am Berliner Holz zu wetzen. Die Parole lautet: Runter von meinem Rasen! Auf Argumente wartet man vergebens. Beim deutschen Föderalism­us geht es nicht nur darum, wann aus einem Hecht Klößchen werden dürfen. Es geht um die Startbedin­gungen der Kinder, die überall gleich sein sollten. Das Recht auf gleiche Lebensbedi­ngungen ist höher zu bewerten als das Kooperatio­nsverbot.

Christoph Schwennick­e ist Chefredakt­eur des „Cicero“und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperatio­n. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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