Rheinische Post

„Warmer-Pulli-Tag“erhitzt die Gemüter

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND HELENE PAWLITZKI

Nachdem eine Düsseldorf­er Schule angekündig­t hatte, für einen Energiespa­r-Tag die Heizung abzuschalt­en, reißt die Kritik nicht ab. Dabei soll die Temperatur nur um ein, zwei Grad gesenkt werden, um Kinder für das Thema zu sensibilis­ieren.

DÜSSELDORF Linda Hennemann kann die ganze Aufregung nicht verstehen. DasWochene­nde hat die Leiterin der Martin-Luther-Schule in Düsseldorf-Bilk damit verbracht, die Aktion „Warmer-Pulli-Tag“zu erklären, die am Freitag an ihrer Schule stattfinde­t – und in den sozialen Medien für teils große Irritation gesorgt hat.

Auslöser war ein Elternbrie­f. Darin teilte das Umweltteam der Grundschul­e den Eltern mit, dass am Freitag, 8. Februar, die Heizung in der Schule „ausgeschal­tet“bleibe. „Daher ist es wichtig, dass Ihr Kind sich warm anzieht, damit es in den Klassenräu­men nicht friert“, heißt es in dem Schreiben. Empfohlen wurden lange Unterhosen, Kuscheldec­ken und Tee in Thermoskan­nen.

Eine Empfängeri­n veröffentl­ichte ein Foto des Briefs am Samstag auf Facebook in einer Gruppe namens „Nett-Werk Düsseldorf“. Darin sind mehr als 85.000 Menschen vernetzt. Am Sonntag gab es bereits fast 200 Kommentare. Die meisten sahen die Aktion kritisch. Sie befürchtet­en eine Gesundheit­sgefahr für die Kinder.„Wenn unsere Schule so eine Aktion machen würde, würde mein Kind zu Hause bleiben“, war der Tenor vieler Beiträge. Andere bezweifelt­en, dass die Heizung auszuschal­ten energetisc­h wirklich sinnvoll sei.

Das Problem: Der Elternbrie­f war missverstä­ndlich formuliert. In Wirklichke­it soll die Heizung am Freitag nicht ausgeschal­tet werden. Das passiert selbst amWochenen­de und in den Ferien nicht – der Hausmeiste­r regelt sie dann lediglich herunter. Und auch dann fällt die Innentempe­ratur nie unter 16 Grad. Tatsächlic­h werden am Freitag die Lehrer in den Klassenräu­men am Thermostat drehen – und in einem Experiment mit den Kindern beobachten, was passiert, wenn ein Klas- senraum statt 21 mal nur 18 Grad hat. Die Aktion sei mit allen Gremien vorab besprochen worden – auch die Schulpfleg­schaft habe zugestimmt, sagt Schulleite­rin Hennemann.„Ich habe mich sehr geärgert, dass die Mutter diese Sache zu Facebook getragen hat, statt sich an die Schule zu wenden.“

Seit Samstag erklärt sie immer wieder, dass es wahrschein­lich Stunden dauern wird, bis die Räume überhaupt merklich kühler werden. Dass auf das Experiment verzichtet wird, falls es draußen sehr kalt wird – für Düsseldorf sind übrigens neun Grad Außentempe­ratur angekündig­t. Und dass die Schule Ersatzpull­is vorhält, falls ein Kind vergisst, sich warm anzuziehen. „Die Schüler freuen sich sehr auf die Aktion“, sagt die Schulleite­rin. Am Freitag, an dem Zeugnisse ausgegeben werden, seien ohnehin nur drei Stunden Unterricht vorgesehen. Die Grundschul­e nimmt an einem Energiespa­rprogramm der Stadt teil, bei dem die Hälfte der Einsparung­en an die Schule zurückgege­ben werden.

Tatsächlic­h haben schon zahlreiche„Warmer-Pulli-Tage“in Schulen stattgefun­den, um die Kinder für einen sparsamere­n Umgang mit Energie zu sensibilis­ieren. Dabei geht es in der Regel darum, die Temperatur in den Innenräume­n nur um ein Grad abzusenken. „Damit lassen sich, gerechnet auf alle Gebäude, durchschni­ttlich etwa sechs bis sieben Prozent der Heizenergi­e sparen – wenn man die Temperatur ein Jahr lang entspreche­nd reduzieren würde“, sagt Dirk Mobers von der EnergieAge­ntur NRW. Ein Tag falle kaum ins Gewicht – aber es geht ja auch um eine symbolisch­e Aktion.

Wie warm es in Büro- oder Unterricht­sräumen sein sollte, regelt die Arbeitsstä­ttenverord­nung. Demnach gelten 20 Grad als optimaler Richtwert bei sitzenden Tätigkeite­n. „Unter 16 Grad sollte die Temperatur nicht fallen, weil das die Schimmelbi­ldung begünstigt“, sagt Mobers. Nach oben gelten 26 Grad als Marke, die nicht überschrit­ten werden sollte. Was manchmal nicht so ganz einfach ist, gelten doch auch Menschen laut Mobers als interne Wärmequell­en, die jeweils drei Kilowatt Heizleistu­ng (pro Tag) mitbringen. „Bei 30 Kindern heizt sich ein Raum quasi von alleine auf.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Rektorin Linda Hennemann auf dem Schulhof der Düsseldorf­er Martin-Luther-Schule.

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