Königssturz als Routine
Sieben Tage lang hatte Köln einen neuen Schauspiel-Intendanten. Dann sagte er ab.
KÖLN „Die Stadt Köln sucht einen neuen Schauspiel-Intendanten“– das könnte ein Titel für ein Drama in bester Thomas-Bernhard-Tradition sein, in dem sich alle Seiten nicht mit Ruhm bekleckern. Mit der Absage Carl Philip von Maldeghems, den Posten zu übernehmen, hat es einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, zu dem eigentlich unfassbare Vorgänge führten.
Der erste war die Berufung: Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach und der frühere geschäftsführende Direktor Deutschen Bühnenvereins Rolf Bolwin hätten genauso gut ein großes Fragezeichen mit auf die Pressekonferenz der Intendanten-Verkündung bringen können, denn Carl Philip von Maldeghem kannte offenbar ausnahmslos niemand in der großen Journalisten-Runde. Auf die Frage von Dorothea Marcus, ob die Personalie nicht einen Abstieg für das Kölner Schauspiel bedeutet und ob man aktuelle Diskurse für mehr Diversität und Weiblichkeit im Theaterbetrieb berücksichtigt habe, reagierte die Kulturdezernentin ein- silbig und mit großer Arroganz: Sie stehe zu dieser Entscheidung.
Auch der ausgewiesene Theaterkenner Rolf Bolwin ließ sich nur wenige rätselhafte Sätze entlocken: Der Kandidat passe zu den aktuellen Anforderungen des Kölner Schauspiels. Welche Vorgaben könnten das gewesen sein: Kontinuität? Ein geschmeidiges Theater für die Bürger der Stadt, nicht für die Das-Maul-Zerreißer des Landes? Dann hätte er sein Ziel erreicht.
Was dann geschah, bestätigt das Klischeebild vom Theaterbetrieb als Intrigantenstadel, in dem der Königssturz Routinedisziplin ist. Böse Kommentare gab es an vielen Stellen, der „Kölner Stadt-Anzeiger“hol- te darüber hinaus Zitate von Prominenten wie Elfriede Jelinek ein: „Ich verstehe das nicht, niemand versteht es offenbar“, sagte die in Köln bislang viel gespielte österreichische Literaturnobelpreisträgerin. Die frühere Kölner Intendantin Karin Beier ließ sich mit „Hä? Wer?“zitieren, Ensemblemitglied Martin Reinke nannte von Maldeghem „Sprücheklopfer und Leichtgewicht“, und Navid Kermani sprach in einem Gastbeitrag von einer „Demütigung“für die Stadt.
Nun ist Carl Philip von Maldeghem mit der klassischen Biographie eines weißen Mannes, dem von Studienabschlüssen bis zu guten Positionen im Kulturbetrieb scheinbar alles schnell zuflog, kein Typ, dessen temporärer Fall großes Mitleid erregt. Er bleibt in Salzburg, wo es ihm sicher weiter gut ergehen wird. Die Umstände seiner Absage sind trotzdem ein Tiefpunkt der Debattenkultur im deutschsprachigen Theaterbetrieb.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker will bald das erneute Findungsverfahren mit einer Fachkommission umreißen. Größtmögliche Transparenz würde ihm sicher gut tun.