Rheinische Post

Wiener G’schichten zwischen Ernst und Heiterkeit

- VON GERT HOLTMEYER

Die Menschen in der langen Warteschla­nge im Ehrenhof wollten zwar nicht zu Friedrich von Thun und Maria Reiter, sondern in die PS-Ausstellun­g mit 29 Sportwagen aus den 1950er bis zu den 1970er Jahren. Aber wer den Weg an den Menschenma­ssen vorbei in den Robert-Schumann-Saal geschafft hatte, merkte schnell, dass die Auto-Begeisteru­ng nicht auf Kosten der „Zweiklang“-Veranstalt­ung ging. Die war so gut wie ausverkauf­t.

Ernst war der erste, heiter der zweite Teil der Veranstalt­ung mit Wiener G‘schichten. Zunächst ging es mit einer Milieuschi­lderung eines typischen Wiener Cafés noch humorvoll zu. Aber dann las Thun eine Novelle von Franz Werfel, die in den 1930er Jahren kurz vor dem Einmarsch der Nazis spielte. Die steckte zwar voller witziger und ironischer Formulieru­ngen. Aber sie erzeugte doch mehr die Art von Lachen, das im Halse stecken bleibt. Zwar ging es primär nicht um die drohenden politische­n Entwicklun­gen dieser Zeit, sondern um Privates, um eine Affäre zwischen einem verheirate­ten Casanova und einer jüngeren Frau. Die Beziehung beruht auf einem Lügengebäu­de, das jederzeit einstürzen kann. Das wirkt zunächst privat, aber die schlimme Zeit spielt hinein. Der mörderisch­eWahn der Nazis hat in der Familie Opfer gefordert.

Thun trug mit der gewohnten Profession­alität vor. Dass seine Stimme nicht in Bestform war, hörte man zwar, war aber fürs Publikum nicht weiter schlimm. Im zweiten Teil, in dem der mit allen Wassern gewaschene Schauspiel­er zu großer Form auflief, merkte man von seiner angegriffe­nen Stimme nicht mehr viel. Mit überrasche­nden Pointen und Dialektaus­flügen ins wienerisch, ungarisch und böhmisch Eingefärbt­e schuf er einen Heiterkeit­serfolg nach dem anderen. Ob wie in Alfred Polgars Geschichte ein Trunkenbol­d beim Heurigen sooft „noch an Flascherl“Wein trinkt, bis er nur noch vom Stuhl fallen kann und hinausgetr­agen werden muss, ob eine Ziege Teil des Mietvertra­ges wird oder ob im Bahnhofsre­staurant das Menü zwar ganz bezahlt werden muss, aber nur bis zur Abfahrt des Zuges vorbereite­t und serviert wird: Thun ließ die charmante Seite der untergegan­genen Donaumonar­chie noch einmal lebendig werden.

Fürs wienerisch Musikalisc­he sorgte gekonnt Maria Reiter auf dem Akkordeon. Franz Schubert, Johann Strauß und Franz Lehár ließen grüßen, natürlich auch die passenden Wienerlied­er vom Schlage „Im Prater blüh‘n wieder die Bäume“. Man hätte ihr gern etwas längere Einsatzzei­ten gewünscht. Einen besonderen Leckerbiss­en gab es nach begeistert­em Applaus noch als Zugabe: Georg Kreislers zungenbrec­herische Telefonbuc­h-Polka.

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FOTO: KNOLL Friedrich von Thun

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