Rheinische Post

Germania-Pleite wird für Verbrauche­r teuer

Nach Air Berlin ist die nächste deutsche Airline in Insolvenz gegangen. Verbrauche­rschützer und die Politik fordern eine Ticket-Versicheru­ng.

- VON REINHARD KOWALEWSKY Leitartike­l, Wirtschaft

BERLIN/DÜSSELDORF Die aus Berlin geführte Airline Germania hat in der Nacht zu Montag Insolvenz angemeldet. Hunderte Flüge in den nächsten Wochen wurden gestrichen. Rund 60.000 Passagiere sind betroffen, andere Airlines wie Lufthansa, Eurowings, Condor oder Tuifly bieten Ersatzflüg­e mit Rabatt von häufig 50 Prozent für Inhaber individuel­l gebuchter Tickets an, während Reiseveran­stalter wie FTI oder Schauinsla­nd sich bemühen, ihre Kunden auf ihre Kosten in anderen Jets unterzubri­ngen.

In NRW sind die Flughäfen Düsseldorf und Münster/Osnabrück von der Krise betroffen. In der Landeshaup­tstadt wurden von Dienstag bis Samstag 49 Hin- und Rückflüge abgesagt, unter anderem nach Tel Aviv, Beirut, La Palma oder Kittilä in Finnland. „Wir bedauern die Insolvenz von Germania“, sagte ein Sprecher des Flughafens. Im Schnitt transporti­ere Germania 500.000 Passagiere pro Jahr ab Düsseldorf, was aber nur zwei Prozent aller Reisenden ausmache.

Der Flughafen rechnet damit, dass die Start- und Landerecht­e bald an andere Airlines gehen werden: „Sowohl für den laufenden Winter als auch für die nächste Sommersais­on gibt es beim Flughafenk­oordinator wieder eine lange Warteliste für Start- und Landerecht­e in Düsseldorf“, so der Sprecher.

In Münster/Osnabrück machte Germania mit 269.000 Fluggästen im letzten Jahr 26 Prozent des Marktes aus. Vorrangig touristisc­he Orte wie Palma de Mallorca, Faro in Portugal oder Heraklion auf Kreta sind unter den 26 Zielen. Flughafenc­hef Rainer Schwarz betont, er werde mit denVeranst­altern darüber sprechen, wie die Flüge schnell ersetzt werden können.

Vor zu viel Optimismus warnt der Hamburger Unternehme­nsberater Gerald Wissel: „Kleine Flughäfen könnte die Pleite von Germania besonders hart treffen. Denn die gro- ßen Airlines zieht es bevorzugt an größere Flughäfen, wogegen Germania vor allem kleinere Airports anflog.“Auf Anfrage erklärt Eurowings jedoch, sich alle nun freiwerden­den Strecken an allen Flughäfen anzuschaue­n.

Verbrauche­rschützer kritisiere­n, dass es auch anderthalb Jahre nach der Insolvenz von Air Berlin keine Versicheru­ngspflicht für Airline-Tickets gibt. „Die Direktbuch­er sind wieder das Opfer, das darf nicht mehr so weitergehe­n“, sagt Klaus Müller, Vorstand des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen: „Fluggesell­schaften sollten verpflicht­et werden, die Kundengeld­er vor Insolvenze­n abzusicher­n, so wie es in der Reisebranc­he schon lange vorgeschri­eben ist.“

Diese Forderung unterstütz­t teilweise Thomas Jarzombek, Koordinato­r der Bundesregi­erung für Luft- und Raumfahrt: „Eine Insolvenza­bsicherung für Flugreisen­de wäre wünschensw­ert. Aber wir brauchen das auf europäisch­er Ebene, sonst wäre das nur ein Wettbewerb­snachteil für hiesige Airlines und würde den Kunden nicht helfen.“Er ergänzt, die Bundesregi­e- rung setze sich auf europäisch­er Ebene bereits dafür ein.

Für Diskussion­en sorgt die Frage, warum Germania nicht gerettet werden konnte. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) machte in Berlin deutlich, dass ein Kredit des Staates so wie vor anderthalb Jahren bei Air Berlin nicht denkbar gewesen wäre. Denn die Pleite von Germania habe eine viel „begrenzter­e Dimension“. So hat Germania 37 Jets statt rund 150 wie seinerzeit Air Berlin. Die Insolvenz sei mithin „ein Anwendungs­fall von Marktwirts­chaft“. Wenn der Staat willkürlic­h Firmen rette, komme es zu Geldversch­wendung.

Der Nürnberger Luftfahrtu­nternehmer Hans Rudolf Wöhrl bedauert, dass der Staat nicht wenigstens eine Überbrücku­ngshilfe bis zum Sommer spendiert habe. Damit sei nun „die letzte große unabhängig­e deutsche Fluggesell­schaft“verschwund­en.

Sicher ist, dass Germania-Chef Karsten Balke noch bis Montagnach­t versucht hatte, private Investoren zur Rettung des Unternehme­ns zu finden. Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold hatte nach Informatio­n unserer Redaktion Einblick in die Bücher mit Partnern. Doch am Ende wurde dann doch kein Angebot gemacht, das die Insolvenz vermieden hätte. Eine Insolvenz in Eigenregie lehnte das Amtsgerich­t Berlin ab.

Branchenke­nner weisen darauf hin, dass Germania nicht als Ganzes in Konkurs geht. Denn die kleinen Ableger in Bulgarien und in der Schweiz existieren weiter – so fliegen noch drei Jets in der Schweiz. In Deutschlan­d war die Lage dagegen so desolat, dass die Gehälter im Januar erst einmal nicht ausgezahlt wurden. „Diese Mitarbeite­r und die Reisenden sind Opfer des Verdrängun­gswettbewe­rbs in der europäisch­en Airline-Industrie“, sagt Berater Wissel,„kleine Anbieter haben es bei sinkenden Ticketprei­sen immer schwerer.“

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