Das müssen Germania-Kunden wissen
60.000 Reisende sind von den Stornierungen allein in den nächsten zwei Wochen betroffen. Sie sollten ihre Rechte kennen – ebenso wie die 1700 Mitarbeiter von Germania.
DÜSSELDORF Seit Anfang Januar war bekannt, dass Germania in Schwierigkeiten steckt, Ende Januar wurde verkündet dass die Gehälter erst einmal nicht ausgezahlt werden können, seit Dienstag früh steht der Flugverkehr von Deutschlands viertgrößter Airline hinter Lufthansa/Eurowings, Condor und Tuifly still. Wir erklären die wichtigsten Fragen zu der erneuten Pleite einer deutschen Airline.
Was geschieht mit den 1678 Mitarbeitern? Der vom Amtsgericht Berlin als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzte Rüdiger Wienberg hat eingeleitet, dass die Mitarbeiter zeitnah ihr Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur erhalten. Damit sind Löhne und Gehälter für drei Monate gesichert.
Könnte Germania neu starten? Ausgeschlossen ist das nicht, aber zumindest in der bisherigen Größe von 37 Jets unwahrscheinlich. Laut Branchenkennern waren bereits vor dem Insolvenzantrag mindestens 15 Millionen Euro nötig, nur um den Weiterbetrieb bis Sommer zu finanzieren. Dieses Geld kam bei privaten Investoren nicht zusammen. Zudem hat das Luftfahrtbundesamt bereits das „Grounding“erzwungen, also die Einstellung des Flugbetriebes wegen fehlenden Geldes. Und auch operativ wäre ein Neustart sehr schwer: Reiseveranstalter als wichtige Kunden sind schon seit Wochen dabei, Kapazitäten umzuschichten. Das beschleunigte das Ende.
Haben Kunden Ersatzansprüche? Bürger, die Flugtickets bei Germania gekauft haben, stehen im Regen. „Für Passagiere, die ihr Flugticket direkt bei Germania gekauft haben, besteht aufgrund der gültigen Gesetzeslage bedauerlicherweise kein Anspruch auf Ersatzbeförderung“, heißt es in einer Mitteilung auf Germanias Internetauftritt. Das ist laut der Flugrechtsexpertin Sabine Fischer-Volk normal im Fall einer Insolvenz. Viel besser stehen Bürger, die eine Pauschalreise über einen Veranstalter gebucht haben: „Wer eine Pauschalreise gebucht hatte, ist rechtlich gesehen im Vorteil, weil der Veranstalter für eine Ersatzbeförderung sorgen muss.“
Wie sollten sich Pauschalreisende verhalten? Am besten ist es, so schnell wie möglich den Kontakt zumVeranstalter zu suchen und diesen in die Pflicht zu nehmen. Er ist für den Ersatz verantwortlich. Wer auf eigene Faust eine Rückreisemöglichkeit gefunden hat, sollte den Reiseanbieter auffordern, bis zu einer bestimmten Frist dieses Angebot auf dessen Kosten zu buchen. Gibt es Angebote von anderen Fluglinien? Ja, wie bei der Pleite von Air Berlin bieten andere Airlines Passagieren, die im Ausland gestrandet sind, vergünstigte Tickets an. Diese Kunden können unter anderem bei Eurowings, Condor, Tuifly und Lufthansa Rückflüge buchen. Eurowings und Condor wollen die Hälfte des Preises erstatten, Lufthansa Nettopreise von 50 Euro (Europa) und 200 Euro (Naher Osten) aufrufen.
Was tun Kunden, wenn ihr Flug ausgefallen ist? Eine Stornierung ist nicht nötig, da die Airline alle Flüge von sich aus annulliert hat. Um ei- nen Ersatzflug müssen sich Passagiere bemühen. „Da die Germania auch keine Ersatzbeförderung anbieten kann, müssen sich die Fluggäste nun selbst um eine Weiterbeförderung kümmern und diese Kosten auch selbst bezahlen“, sagt Fischer-Volk. Auch hier könne es nur leise Hoffnung auf Entschädigung geben: „Gezahlte Ticketpreise fallen in die Insolvenzmasse. Die selbst verauslagten Kosten einer Ersatzbeförderung sowie Entschädigungszahlungen nach der EU-Fluggastrechte-VO müssen später an die Insolvenztabelle angemeldet werden.“
Ist es eine gute Idee, die Airline zu kontaktieren? Davon rät Fischer-Volk ab: „Das würde ich nicht machen, denn sämtliche Entscheidungen trifft ab jetzt der Insolvenzverwalter.“
Wie viele Kunden sind betroffen? Genaue Zahlen hat Germania nicht veröffentlicht. Pro Jahr flogen über vier Millionen Passagiere mit der Airline. Nicht betroffen sind die Schweizer Germania Flugbetrieb AG und der Bulgarian Eagle.
Welche Zielgruppe hatte die Airline? Germania bewegte sich „preislich im Mittelfeld“, wie Fischer-Volk einschätzt. Sie flog 60 Ziele an. Darunter waren einerseits Ferienorte in Spanien und Griechenland sowie auch Israel, andererseits aber auch viele Ziele in Südosteuropa, Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Beispielsweise flog Germania in den Libanon, den Kosovo und in den Irak. Viele Passagiere in diese touristisch eher unwichtigen Ziele könnten es nun schwer haben, eine alternative Verbindung zu finden.
Welche Airports steuerte Germania an? Zu den Zielen gehörten in NRW Düsseldorf (mit früher fünf Jets, aktuell nur noch drei) sowie Münster/ Osnabrück mit zwei Maschinen. Hinzu kamen Dresden, Berlin, Bremen, Nürnberg, Erfurt, Friedrichshafen, Hamburg, München und Rostock.