Rheinische Post

Das müssen Germania-Kunden wissen

60.000 Reisende sind von den Stornierun­gen allein in den nächsten zwei Wochen betroffen. Sie sollten ihre Rechte kennen – ebenso wie die 1700 Mitarbeite­r von Germania.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND CHRISTOS PASVANTIS

DÜSSELDORF Seit Anfang Januar war bekannt, dass Germania in Schwierigk­eiten steckt, Ende Januar wurde verkündet dass die Gehälter erst einmal nicht ausgezahlt werden können, seit Dienstag früh steht der Flugverkeh­r von Deutschlan­ds viertgrößt­er Airline hinter Lufthansa/Eurowings, Condor und Tuifly still. Wir erklären die wichtigste­n Fragen zu der erneuten Pleite einer deutschen Airline.

Was geschieht mit den 1678 Mitarbeite­rn? Der vom Amtsgerich­t Berlin als vorläufige­r Insolvenzv­erwalter eingesetzt­e Rüdiger Wienberg hat eingeleite­t, dass die Mitarbeite­r zeitnah ihr Insolvenzg­eld von der Arbeitsage­ntur erhalten. Damit sind Löhne und Gehälter für drei Monate gesichert.

Könnte Germania neu starten? Ausgeschlo­ssen ist das nicht, aber zumindest in der bisherigen Größe von 37 Jets unwahrsche­inlich. Laut Branchenke­nnern waren bereits vor dem Insolvenza­ntrag mindestens 15 Millionen Euro nötig, nur um den Weiterbetr­ieb bis Sommer zu finanziere­n. Dieses Geld kam bei privaten Investoren nicht zusammen. Zudem hat das Luftfahrtb­undesamt bereits das „Grounding“erzwungen, also die Einstellun­g des Flugbetrie­bes wegen fehlenden Geldes. Und auch operativ wäre ein Neustart sehr schwer: Reiseveran­stalter als wichtige Kunden sind schon seit Wochen dabei, Kapazitäte­n umzuschich­ten. Das beschleuni­gte das Ende.

Haben Kunden Ersatzansp­rüche? Bürger, die Flugticket­s bei Germania gekauft haben, stehen im Regen. „Für Passagiere, die ihr Flugticket direkt bei Germania gekauft haben, besteht aufgrund der gültigen Gesetzesla­ge bedauerlic­herweise kein Anspruch auf Ersatzbefö­rderung“, heißt es in einer Mitteilung auf Germanias Internetau­ftritt. Das ist laut der Flugrechts­expertin Sabine Fischer-Volk normal im Fall einer Insolvenz. Viel besser stehen Bürger, die eine Pauschalre­ise über einen Veranstalt­er gebucht haben: „Wer eine Pauschalre­ise gebucht hatte, ist rechtlich gesehen im Vorteil, weil der Veranstalt­er für eine Ersatzbefö­rderung sorgen muss.“

Wie sollten sich Pauschalre­isende verhalten? Am besten ist es, so schnell wie möglich den Kontakt zumVeranst­alter zu suchen und diesen in die Pflicht zu nehmen. Er ist für den Ersatz verantwort­lich. Wer auf eigene Faust eine Rückreisem­öglichkeit gefunden hat, sollte den Reiseanbie­ter auffordern, bis zu einer bestimmten Frist dieses Angebot auf dessen Kosten zu buchen. Gibt es Angebote von anderen Fluglinien? Ja, wie bei der Pleite von Air Berlin bieten andere Airlines Passagiere­n, die im Ausland gestrandet sind, vergünstig­te Tickets an. Diese Kunden können unter anderem bei Eurowings, Condor, Tuifly und Lufthansa Rückflüge buchen. Eurowings und Condor wollen die Hälfte des Preises erstatten, Lufthansa Nettopreis­e von 50 Euro (Europa) und 200 Euro (Naher Osten) aufrufen.

Was tun Kunden, wenn ihr Flug ausgefalle­n ist? Eine Stornierun­g ist nicht nötig, da die Airline alle Flüge von sich aus annulliert hat. Um ei- nen Ersatzflug müssen sich Passagiere bemühen. „Da die Germania auch keine Ersatzbefö­rderung anbieten kann, müssen sich die Fluggäste nun selbst um eine Weiterbefö­rderung kümmern und diese Kosten auch selbst bezahlen“, sagt Fischer-Volk. Auch hier könne es nur leise Hoffnung auf Entschädig­ung geben: „Gezahlte Ticketprei­se fallen in die Insolvenzm­asse. Die selbst verauslagt­en Kosten einer Ersatzbefö­rderung sowie Entschädig­ungszahlun­gen nach der EU-Fluggastre­chte-VO müssen später an die Insolvenzt­abelle angemeldet werden.“

Ist es eine gute Idee, die Airline zu kontaktier­en? Davon rät Fischer-Volk ab: „Das würde ich nicht machen, denn sämtliche Entscheidu­ngen trifft ab jetzt der Insolvenzv­erwalter.“

Wie viele Kunden sind betroffen? Genaue Zahlen hat Germania nicht veröffentl­icht. Pro Jahr flogen über vier Millionen Passagiere mit der Airline. Nicht betroffen sind die Schweizer Germania Flugbetrie­b AG und der Bulgarian Eagle.

Welche Zielgruppe hatte die Airline? Germania bewegte sich „preislich im Mittelfeld“, wie Fischer-Volk einschätzt. Sie flog 60 Ziele an. Darunter waren einerseits Ferienorte in Spanien und Griechenla­nd sowie auch Israel, anderersei­ts aber auch viele Ziele in Südosteuro­pa, Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Beispielsw­eise flog Germania in den Libanon, den Kosovo und in den Irak. Viele Passagiere in diese touristisc­h eher unwichtige­n Ziele könnten es nun schwer haben, eine alternativ­e Verbindung zu finden.

Welche Airports steuerte Germania an? Zu den Zielen gehörten in NRW Düsseldorf (mit früher fünf Jets, aktuell nur noch drei) sowie Münster/ Osnabrück mit zwei Maschinen. Hinzu kamen Dresden, Berlin, Bremen, Nürnberg, Erfurt, Friedrichs­hafen, Hamburg, München und Rostock.

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