Rheinische Post

Mit Skeletten das Leben beschützen

Horst Meister kämpft mit Kunst gegen den Tod. Diese ist jetzt an der HHU zu sehen.

- VON VIKTOR MARINOV

Da liegen sie, 18 Grafiken, und jede von ihnen zeigt wahlweise entweder weiße Skelette auf schwarzem Hintergrun­d oder schwarze Skelette auf weißem Grund. Daneben steht der Künstler, Horst Meister. Er strahlt Lebensener­gie aus: sein buschiger schneeweiß­er Bart, seine ebenso weißen langen Haare, die roten Wangen, das Glitzern in den Augen.Wie kann sich so ein Mensch so intensiv mit dem Tod beschäftig­en? Was zunächst als Widerspruc­h erscheint, ist in Wirklichke­it keiner. Meister ist ein Kämpfer, er will das Leben schützen. Seine Werke prangern die „zerstöreri­schen Tendenzen der Gesellscha­ft“an, wie er sie nennt: Krieg, Umweltvers­chmutzung, Politik auf Kosten der Armen. Sein Zyklus „Ein Deutscher Totentanz“ist nun Teil der Sammlung der Heinrich-Heine-Universitä­t (HHU) und bis 24. März im Foyer der Universitä­ts- und Landesbibl­iothek zu sehen.

„Der Tod der Gattung Mensch“, so beschreibt der 81-jährige Horst Meister den Erzfeind, gegen den sich seine Kunst richtet. 1987 entstanden die 18 Grafiken, die in die Sammlung der HHU aufgenomme­n wurden. Sie beziehen sich auf das damalige politische Klima, bleiben aber bis heute aktuell. Eine Grafik zeigt den damaligen Papst, Johannes Paul II., natürlich als Skelett, in seiner rechten Hand ein Flugzeug, in der linken seinen Hirtenstab. „Er jettete damals von Kontinent zu Kontinent, schritt über rote Teppiche und segnete arme Kinder“, sagt Meister. In einem anderen Sujet tanzen die Knochenger­üste von Ronald Reagan und Helmut Kohl auf einem Drahtseil und teilen sich die Weltgeschi­chte auf. Banken, Pharmakonz­erne, das Militär: Meisters Botschafte­n, verstärkt durch den makabren Ton seines Stils, richten sich stets gegen die Mächtigen, die nach seiner Ansicht ihre Position missbrauch­en. Doch er kann auch anders.

Das sieht man zum Beispiel an der Grafik, die ein Skelett-Paar beim innigen Tanz zeigt, zwei gekreuzte Blumen liegen neben ihren Füßen. Es sind „zwei Menschen, die nicht in diese Welt der Morde passen. Zwei Liebende, auch im Tod“, sagt Meister zu diesem Stück aus dem Zyklus. Mit seinen 18 Werken reiht sich der Künstler in die Tradition des mittelalte­rlichen Totentanze­s ein und interpreti­ert sie neu. Die im 14. Jahrhunder­t aufgekomme­ne Darstellun­g war ursprüngli­ch ein Zeichen der Macht des Todes und entstand, nachdem die Pest 25 Millionen Menschen – damals ein Drittel der europäisch­en Bevölkerun­g – tötete. Der Totentanz ist schon in seinen Ursprüngen per se gesellscha­ftskritisc­h, denn die Pest kannte keine Hierarchie, es gab nicht einmal für die Mächtigen ein Entkommen.

Bei Horst Meister ist es nicht mehr eine Pandemie, die Menschenle­ben bedroht. Es ist der „menschenge­machte Tod“. Die Menschen würden dem Sensenmann seinen Job fast wegnehmen. Meisters künstleris­cher Imperativ geht jedoch über das bloße Darstellen hinaus. „Hinschauen, sich einmischen, Farbe bekennen“, so fasst er seinen Antrieb zusammen. Er sei aktiv, aber kein Aktivist. „Meine Kunst sieht so aus, weil ich das Leben liebe, ich möchte es schützen“, sagt der 81-Jährige. Beim Vorbeigehe­n im Bibliothek-Foyer mag das nicht jeder sofort erkennen. Ein zweiter Blick lohnt sich.

Info Die Ausstellun­g „Ein Deutscher Totentanz“von Horst Meister ist bis zum 24. März im Foyer der Universitä­ts- und Landesbibl­iothek zu sehen.

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FOTO: AGNES LUCAS Horst Meister im Foyer der Uni-Bibliothek: 18 Grafiken seines Zyklus „Ein Deutscher Totentanz“wurden in die Sammlung der HHU aufgenomme­n.

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