Ein Verein für muslimische Jecken
Von Haus aus hat Ataman Yildirim wenig mit Karneval am Hut. Aufgewachsen im Ruhrgebiet kannte er Büttenreden und Co. höchstens aus dem Fernsehen. Doch als Yildirim ins Rheinland zog, wurde aus dem Ruhrpottler ein waschechter Jeck. „Ich habe mich sofort in den Karneval verliebt“, erzählt er. Nicht nur wegen der guten Stimmung und der Verkleidungen. „Karneval heißt, jeder ist willkommen.“Diese Liebe will er nun mit Menschen teilen, die häufig keinen Bezug zum närrischen Treiben abseits des Rosenmontagszugs finden, und deshalb den ersten muslimischen Karnevalsverein gründen.
Unterstützt wird er dabei vom Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM), der sofort von Yildirims Idee überzeugt war. Dessen Vorsitzender Dalinc Dereköy durfte schließlich schon selbst Karnevalserfahrungen machen. Im vergangenen Jahr fuhr er auf dem Karnevalswagen der jü- dischen Gemeinde mit. „Das war überwältigend“, erinnert er sich. Auch dieses Jahr ist er wieder beim Rosenmontagszug dabei. Dann zusammen mit seinem KDDM-Vorstandskollegen Redouan Aoulad-Ali auf dem Toleranzwagen. Großer Traum wäre, irgendwann auf einem eigenen Wagen den Umzug zu begleiten. Doch bis dahin wartet noch viel Arbeit auf Yildirim und seine Mitstreiter. Denn zunächst muss der Verein noch offiziell gegründet werden, was noch in dieser Session geschehen soll. Der Name soll „Karnevalverein der Düsseldorfer Muslime“sein.
Um einen Mangel an Mitgliedern macht sich Yildirim derweil keine Sorgen. Das Interesse unter den Muslimen sei durchaus da, das habe die mehrheitlich positive Resonanz der einzelnen Gemeinden gezeigt. Darüber sei der närrische Humor auch im Islam verankert. Bestes Beispiel dafür ist Nasreddin Hodscha. Hodscha soll ein Imam gewesen sein, der ähn- lich wie Till Eulenspiegel auf humoristische Weise auf Missstände aufmerksam machte. Seine Geschichten sind im islamischen Kulturkreis weit verbreitet. „Nasreddin Hodscha war ein Jeck“, sagt Yildirim.
Dass die Menge an muslimischen Jecken bislang noch über- schaubar ist, liegt laut dem KDDM-Vorsitzenden Dalinc Dereköy vor allem an fehlenden Anknüpfungspunkten. „Für viele Muslime sind die Karnevalsgesellschaften etwas Fremdes“, sagt er. Der neue Verein soll jedoch nicht nur ein Klub für Muslime sein, sondern jedem offen stehen, un- abhängig vom eigenen Glauben. „Uns ist es wichtig, dass der Verein unabhängig vom KDDM ist“, sagt Dereköy. Jedoch könne er sich gut vorstellen, dass Räume der Gemeinden beispielsweise für zukünftige Karnevalssitzungen genutzt würden.
Mit dem Verein wollen die Muslime nicht nur kulturelle Integration leisten, sondern sich auch aktiv an der Pflege des Brauchtums beteiligen. Auch wenn nicht unbedingt jeder Aspekt davon mit dem Islam vereinbar ist. Doch auch ohne Alt lässt es sich gut feiern, davon sind die drei Männer überzeugt. Ein Verbot von Bier und Co. wollen die drei trotzdem nicht. Schließlich soll der Verein explizit jedem offen stehen. Deshalb wird bei Karnevalssitzungen nicht nur Tee auf der Getränkekarte stehen. „Jeder Jeck ist anders. Wenn jemand Bier trinken möchte, ist das in Ordnung, wenn jemand Tee trinken möchte, ist das auch in Ordnung“, sagt Ataman Yildirim.
Daniel Schrader