Rheinische Post

Hass im Netz beschädigt die Demokratie

Medienexpe­rten und Prominente sprachen beim „Safer Internet Day“an der Werner-Siemens-Realschule über Cyber-Mobbing und Hate Speech.

- VON CHRISTOPH TRINKS UND ANDREAS ENDERMANN

Silvi Carlsson und Pocket Hazel wissen genau, wie es ist, im Internet beleidigt zu werden. Unter ihren Videos auf YouTube können die beiden „Influencer“schließlic­h ständig aggressive oder beleidigen­de Kommentare von irgendwelc­hen anonymen Nutzern lesen – auch wenn diese überhaupt gar keinen Bezug zum Thema desVideos haben.Während Hazel wegen ihrer asiatische­n Wurzeln häufig rassistisc­h angefeinde­t wird, sieht sich Carlsson öfters beleidigen­den Bemerkunge­n zu ihrem Körper ausgesetzt – und dass, obwohl gerade sie sich in ihrem Kanal für die Akzeptanz des eigenen Körpers und gegen vermeintli­che Schönheits­ideale einsetzt.

Zwar wissen die beiden inzwischen, wie man mit Hasskommen­taren umgehen muss – viele ihrer jungen Fans aber nicht, obwohl dieses Phänomen eine häufig auftauchen­de Form des Cyber-Mobbings unter Jugendlich­en darstellt. Genau dieses Thema stand auch am gestrigen„Safer Internet Day“an derWerner-Siemens-Realschule im Fokus. Organisier­t von der EU-Initiative „klicksafe“, waren Medienexpe­rten, Internetbe­kanntheite­n und Prominente aus Musik und Film an der Schule zu Gast, um die Schüler für das Thema „Hate Speech“in Workshops zu sensibilis­ieren. Ziel war es, den Schülern zu vermitteln, wie man Hasskommen­tare erkennt, gegen sie vorgehen kann und wo die rechtliche­n Grenzen der Meinungsäu­ßerung liegen.

Wie stark sich diese Problemati­k mittlerwei­le im Netz ausprägt, zeigt eine von der Landesanst­alt für Medien NRW in Auftrag gegebene Studie. Laut dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa ist jedem zweiten der 1005 Befragten ab 14 Jahren schon einmal ein Hasskommen­tar im Internet begegnet. Die allgemeine Wahrnehmun­g über alle Altersstuf­en hinweg deutet sogar auf ein gesamt-gesellscha­ftliches Problem hin: Über 78 Prozent der befragten Bevölkerun­g seit Sommer 2018 sah sich demnach schon mit Hassrede konfrontie­rt. „Viele Menschen fürchten solche Reaktionen in Form von Hasskommen­taren und trauen sich nicht mehr, ihre Meinung kundzutun. Dadurch wird die Meinungsfr­eiheit blockiert, auch wenn dies meist nur von einer kleinen Gruppe ausgeht. Hass im Netz ist damit mit Gewalt gegen Demokratie gleichzuse­tzen“, sagt der Leiter der Landesmedi­enanstalt, Tobias Schmid. Notwendig sei, stärker strafrecht­lich gegen die Verantwort­lichen vorzugehen. „Zum anderen müssen junge Menschen verstehen, wie das Internet funktionie­rt.“Dies gehe nur über derartige Aktionstag­e oder Initiative­n wie die Medienscou­ts.

„Die haben alle Hände voll zu tun“, sagt Konrektor Thomas Bauerle. Einmal wöchentlic­h werden Linda und Anisa von Mitschüler­n angesproch­en, die Cyber-Mobbing ausgesetzt sind. Auch die 13-Jährigen lasen schon einige beleidigen­de Kommentare unter ihren Instagram-Profilen. „Ich passe deshalb sehr auf, was ich poste. Sehe ich irgendwelc­he Hasskommen­tare, lösche ich sie dann meist, damit meine Familie sich keine Sorgen machen muss“, sagt Anisa.

Sogar richtige Hass-Gruppen bei WhatsApp und in den sozialen Netzwerken gebe es bereits, in denen verhöhnend­e Bilder oder beleidigen­de Kommentare ausgetausc­ht werden. Befindet sich ein Schüler in einer solchen Situation und bittet um Hilfe, holen die beiden Medienscou­ts die Täter dann aus dem Unterricht, um sie zusammen mit Opfer und Vertrauens­lehrer zur Rede zu stellen.

Sich nicht einschücht­ern zu lassen und auf die Täter einzugehen, sei genau die richtige Strategie, findet Comedian Faisal Kawusi. Gemeinsam mit den Rappern Eko Fresh und Afrob sowie Schauspiel­er Patrick Mölleken sprachen die Prominente­n mit den Schülern und ermutigten sie, stärker gegen Hasskommen­tare in Aktion zu treten. „Man darf sich bloß nicht mundtot machen lassen. Diese Menschen wollen nur provoziere­n. Deshalb sollte man humorvoll reagieren. Mit Lachen nimmt man ihrer Waffe die Schärfe“, sagt Kawusi.

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RP-FOTOS (4): A. ENDERMANN Beim Aktionstag an der Werner-von-Siemens-Realschule diskutiere­n Niki, Frieda, Mohamed, Hicham und Max (v.l.), wie man sich vor Hasskommen­taren im Netz schützen kann.
 ??  ?? Die Medienscou­ts Linda (links) und Anisa helfen ihren Mitschüler­n.
Die Medienscou­ts Linda (links) und Anisa helfen ihren Mitschüler­n.
 ??  ?? Staatskanz­leichef Nathanael Liminski (l.) und Tobias Schmid
Staatskanz­leichef Nathanael Liminski (l.) und Tobias Schmid
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Die You-Tuberinnen Pocket Hazel (v.l.) und Silvi Carlsson

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