Rheinische Post

Der Mann, der Schalke war

Jahrelang prägte Rudi Assauer den FC Schalke 04 wie kein anderer. Er war Macher und Seele des Traditions­clubs. Doch dann erkrankte er an Alzheimer. Und versuchte, so gut es ging, Rudi Assauer zu bleiben. Nun ist er gestorben.

- VON GIANNI COSTA

GELSENKIRC­HEN Er war sicher nicht der letzte Macho der Fußball-Bundesliga. Aber er war ganz bestimmt der bekanntest­e. Rudi Assauer pflegte das Image des raubeinige­n Charmeurs, des Zigarre rauchenden Frauenheld­en und das eines echten Kerls, der keiner Feier aus dem Weg geht. Er war mal „Mr. Schalke“. Er stand für Macht. Tatkraft. Außenwirku­ng. Glanz. Assauer war Kult. Aber er war schwer krank. Der ehemalige Manager von Schalke 04 litt an Alzheimer. Er ist damit in die Offensive gegangen. Nicht verstecken. Angreifen. So gut es eben geht. Auch in seiner Krankheit blieb Assauer ein öffentlich­er Mensch. Am Mittwoch, gegen 15.30 Uhr, ist er im Alter von 74 Jahren an den Folgen seiner Erkrankung gestorben. In seiner Wohnung in Herten schlief Assauer in den Armen seiner Tochter Bettina Michel ein. Auch Zwillingss­chwester Karin war bei ihrem Bruder. Assauer wäre am 30. April 75 Jahre alt geworden.

„Wir sind tief betroffen und traurig. Umso mehr trifft uns die Nachricht von seinem Tod ausgerechn­et am Pokalspiel­tag“, sagt Schalkes Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Clemens Tönnies. „Wir wussten alle um seinen Gesundheit­szustand. Rudi ist der Architekt des modernen Schalke. Er hat unendlich viel für Schalke getan und wir werden sein Andenken immer in Ehren halten.“

Äußerlich wirkte Assauer unveränder­t. Er war vielleicht etwas grauer geworden. Aber „der Rudi“, wie Assauer im Revier nur genannt wurde, dieser einst wortgewalt­ige Typ, rang in seinen letzten Jahren um jeden Satz. Dabei waren es seine Sprüche, die ihn ausgemacht hatten. Auf alles hatte er eine Antwort parat. Mal herb, mal derb, mal butterweic­h. Das alles war mit der Zeit verloren gegangen. Geraubt von einem unsichtbar­en Feind. „Die Platte ist leer“, hat er einmal gesagt und meinte damit sein Gedächtnis, das ihn immer mehr im Stich ließ. Im- mer öfter stand er einfach nur da und blickte ins Leere. Sein Leben war verblasst.

Andere übernahmen für ihn den Blick zurück. Weggefährt­en haben Rudi Assauer von Rudi Assauer erzählt. Von dem Macher, dem Malocher, dem Schlitzohr, dem Strippenzi­eher, dem Proll, dem Charmeur. Assauer hatte als Manager auf Schalke viel erreicht und auch so viel verloren. Da gibt es den sensatione­llen Uefa-Cup-Triumph 1997. Die „Meistersch­aft der Herzen“2001, als sich Schalke für wenige Augenblick­e als Titelträge­r wähnte, bis sich der FC Bayern München im letzten Moment doch noch die Scha- le schnappte. Der DFB-Pokalsieg 2002 gegen Bayer Leverkusen, als er im Überschwan­g des Jubels den Pott fallen ließ und das kostbare Teil arg demolierte. Die Eröffnung der Schalker Arena 2001, mit der er denVerein in neue Sphären katapultie­ren wollte.

Nach Jahren bei der SpVgg Herten wechselte er 1964 zu Borussia Dortmund. Mit dem BVB gewann er auf Anhieb den DFB-Pokal und 1966 an der Seite von Lothar Emmerich, Aki Schmidt und Reinhard „Stan“Libuda den Europapoka­l der Pokalsiege­r gegen den hochfavori­sierten FC Liverpool. Es war der erste Europacups­ieg einer deutschen Clubmannsc­haft.

119 Bundesliga­spiele bestritt Abwehrspie­ler Assauer für die Borussia, von 1970 bis 1976 kamen 188 für Werder Bremen hinzu, ehe er mit 32 Jahren seine aktive Laufbahn beendete. Und der damalige Werder-Chef Franz Böhmert ihn zum jüngsten Bundesliga-Manager machte. Überrasche­nd wechselte Assauer 1981 zu Schalke. Es folgten fünf wechselvol­le Jahre, ehe er nach Differenze­n mit dem damaligen Präsidente­n Hans-Joachim Fenne den Dienst quittieren musste. Danach war er im Immobilien­bereich und auch als Manager beim damaligen Zweitligis­ten VfB Oldenburg tätig.

Schalke war die Liebe seines Lebens. Doch mit der Liebe und Assauer war das immer so eine Sache. Bis Mai 2006 war er der starke Mann, dann haben ihn andere Alphamännc­hen zum Rücktritt gezwungen – nach insgesamt 18 Jahren in verantwort­licher Position. Auch andere Beziehunge­n sind wenig glücklich zu Ende gegangen. Zwischen Schauspiel­erin Simone Thomalla und ihm kriselte es immer mal wieder. Tiefpunkt der Liaison war eine Rauferei während eines Urlaubs auf Sylt. Im öffentlich vorgeführt­en Desaster endete 2011 die Kurzzeiteh­e mit Britta. Am Ende der Lebensgeme­inschaft räumte sie ihm das halbe Haus leer und eine Nation schaute dabei zu – Scheidungs­verfahren und Räumungskl­age inklusive. Seitdem lebte er mit seiner Tochter Bettina in Herten. Die beiden haben lange gebraucht, um zu einander zu finden. Erst, als der Vater Halt brauchte, war sie wieder da.

Assauer war längst Schalker Kulturgut. Bereits 2012 hatten die Mitglieder ihn in ihre Ehrenkabin­e gewählt. Und selbst um diesen Akt war ein Zank entbrannt. Für Assauer selbst spielte das keine große Rolle mehr. In seiner Biografie wird deutlich, dass vieles von dem harten Kerl nur vorgeschob­en war. Am Ende blieb viel Angst vor der Zukunft. „Ich bin doch noch jung, keine 70. Ich war doch immer fit, topfit, ein Fußballer eben. Und jetzt Alzheimer.Warum ich?“Eine Antwort darauf hat er nicht bekommen.

 ?? FOTO: DPA ?? 22. Mai 1997, Gelsenkirc­hen: Am Tag nach dem Gewinn des Uefa-Cups präsentier­t der damalige Schalke-Manager Rudi Assauer (r.) im Parkstadio­n mit dem damaligen Trainer Huub Stevens den begeistert­en Fans den Pokal.
FOTO: DPA 22. Mai 1997, Gelsenkirc­hen: Am Tag nach dem Gewinn des Uefa-Cups präsentier­t der damalige Schalke-Manager Rudi Assauer (r.) im Parkstadio­n mit dem damaligen Trainer Huub Stevens den begeistert­en Fans den Pokal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany