Ein Gang über den Kriegsgefangenenfriedhof
Es ist ein kalter Wintertag. Die Wolken verdecken die Sonne, als ich im November 2018 den Kriegsgefangenenfriedhof Am Gallberg in Ludenberg besuche. Der Friedhof wird von einer Mauer umsäumt. Ich fühle mich leicht unwohl, als ich näherkomme.
Als ich vor den Toren des kleinen Friedhofs stehe, frage ich mich, wie 1500 Menschen hier begraben sein können. Allein der Gedanke daran lässt mir einen kalten Schauer über
den Rücken laufen. Ich betrete den Friedhof und sehe vor mir einen großen Grabstein mit russisch-orthodoxem Kreuz, also mit schrägem Querbalken.Vor dem Kreuz steht ein Grableuchter und hinter ihm ein Foto, auf dem steht:„Beljeb Sergej Fedorovitsch“– der Name eines Kriegsgefangenen, der hier begraben worden ist. Der Name ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben.
Neben dem Grabstein steht ein Blumenkranz mit zwei rot-weißen Bändern, auf denen mit goldenen Buchstaben geschrieben ist: „Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf Thomas Geisel“. Hinter mir wiederum befindet sich ein Gedenkstein mit der Aufschrift: „Hier ruhen 1500 sowjetische Kriegsgefangene. Sie sind Opfer des mörderischen Nationalsozialismus, der sie wegen ihrer Standhaftigkeit und Treue zermalmt hat.“Der Text ist sowohl auf Deutsch als auch auf Russisch geschrieben.
Die Geschichte dieses Friedhofs ist sehr erschütternd. Die Kriegsgefangenen, die hier liegen, stammen aus einem Lazarett. Dieses Krankenhaus war speziell für die sowjetischen Kriegsgefangenen errichtet worden. Dort wurden sie gepflegt und dann in nahe gelegene Fabriken zum Arbeiten geschickt. Die Arbeitsumstände waren menschenunwürdig. Sie arbeiteten oft tagelang ohne Pause und bekamen kaum etwas zu essen. Meistens starben die Gefangenen an Herz- oder Kreislaufschwäche, Wassersucht, Lungenentzündung oder „allgemeinem körperlichem Verfall“. Die Leichen wurden zunächst im Waldfriedhof in Gerresheim bestattet. Als es jedoch immer mehr Tote gab, beschloss man, ein Massengrab für die Kriegsgefangenen zu errichten.
1945 wurde das Kriegsgefangenenlazarett von den Amerikanern befreit und die überlebenden Gefangenen freigelassen. Noch im gleichen Jahr errichteten die Befreiten einen Gedenkstein, der an ihre gefallenen Kameraden erinnern soll. Bis heute sind nur 436 Namen aller 1500 Opfer bekannt.
Als ich zurück nach Hause fahre, denke ich noch immer an den Friedhof, den ich eben noch besucht habe. Ich wünsche mir, dass mehr Namen der Opfer bekannt wären, da es den Angehörigen der Toten wenigstens einen Ort zum Trauern geben würde.