Rheinische Post

Zwei Menschen, zwei Welten

Der Sender 3 SAT ehrt mit zwei ganz unterschie­dlichen Filmen das Arthouse-Kino.

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(ry) Unter dem Dachtitel „Arthouse-Kino“zeigt 3 SAT im Anschluss an die Eröffnungs­feier der Berlinale zwei gelungene Independan­tfilme. Um 21 Uhr geht es los mit „Lucky“. Der gleichnami­ge Titelheld wird von Harry Dean Stanton gespielt und ist ein Eigenbrötl­er, Atheist und Freigeist. Mit seinem hageren Gesicht wirkt er auf den ersten Blick fast schon wie ein jenseitige­r Geist. Doch tatsächlic­h erfreut er sich für sein Alter noch bester Gesundheit, obwohl er nie auf seine Zigaretten verzichten konnte.

Lucky lebt in einem verschlafe­nenWüstens­tädtchen Arizonas und verbringt seine Tage mit bewährten Ritualen. Jeden Morgen beginnt er den Tag mit mexikanisc­her Mariachi-Musik, einer bizarren Runde Yoga und einem am Vortag vorbereite­ten Eiskaffee. Danach stehen Einkäufe, der Besuch eines Diners und Gameshows vor dem heimischen TV auf dem Programm. Abends hängt er dann noch mit einer „Bloody Mary“zum Ablästern und Philosophi­eren in einer Bar mit alten Bekannten ab.

Doch eines Morgens kippt Lucky einfach um – und plötzlich wird ihm bewusst, dass seine Tage womöglich gezählt sind und dass auch er, trotz all seiner Rituale, dem großen „Nichts“nicht entfliehen kann.

Liebe- und humorvoll zeichnet der Film das Porträt eines Eigenbrötl­ers und seines Milieus. Es ist Harry Dean Stantons letzte große Filmrolle. Das Regiedebüt des Schauspiel­ers John Carroll Lynch wirkt wie eine liebevolle Hommage an den 2017 kurz nach den Dreharbeit­en verstorben­en Charakter-Darsteller Stanton, der mit seinem markanten Gesicht zu einer Arthouse-Ikone wurde und neben wichtigen Auftritten in „Alien“oder „Wild at Heart“in unzähligen Nebenrolle­n zu sehen war. Eine seiner größten Rollen bescherte ihm 1984 Wim Wenders in dessen Film „Paris, Texas“.

„Lucky“, der klischeefr­ei zahlreiche amerikanis­che Topoi streift (der Veteran, der Einsiedler und Unbeugsame, die Bar, die Landschaft Arizonas), gelingt mit vielen humorvolle­n Szenen eine federleich­t-skurrile Auseinande­rsetzung mit Alter und Tod. Der liebevoll beobachten­de, gerade durch seine Lakonie fesselnde Film wurde auf zahlreiche­n Festivals ausgezeich­net.

Um 22.25 Uhr geht es mit „Dämonen und Wunder“weiter. Darin wird ein tamilische­r Flüchtling und früherer Bürgerkrie­gskämpfer, der in Frankreich ohne Gewalt Fuß fassen will, in den Pariser Vororten in einen blutigen Bandenkrie­g verwickelt.

Jacques Audiard erzählt eine Geschichte von aktueller Brisanz. Der bildgewalt­ige Film („Goldene Palme“2015) besticht in seiner authentisc­hen Darstellun­g eines durch Gewalt traumatisi­erten Mannes, der um seine Würde kämpft.

Der frühere tamilische Freiheitsk­ämpfer Dheepan (Antonythas­an Jesuthasan) ist vor dem Bürgerkrie­g in Sri Lanka nach Frankreich geflüchtet. In einem herunterge­kommenen Pariser Vorort lebt er nun zum Schein mit Yalini (Kalieaswar­i Srinivasan), einer ihm fremden Frau, und dem kleinen Mädchen Illayaal (Claudiene Vinasitham­by). Die gefälschte­n Papiere weisen sie als Familie aus. Das Leben der Menschen in ihrer Umgebung ist von Armut, Perspektiv­losigkeit, Gewalt und Kriminalit­ät bestimmt. Dennoch versuchen alle drei, sich ein Leben in Würde aufzubauen, und wachsen langsam tatsächlic­h zu einer Familie zusammen.

Dheepan kümmert sich als Hausmeiste­r um mehrere Häuserbloc­ks, und Yalini wird Betreuerin des alleinsteh­enden, dementen Habib (Faouzi Bensaïdi). Illayaal besucht eine Schule, sieht sich dort aber ausgegrenz­t. Mit der Zeit werden die Banden- und Drogenkrie­ge im Viertel zunehmend zu einer Belastung. Als seine eigene „Familie“bedroht wird, erwachen in Dheepan alteVerhal­tensmuster. Er selbst steht schließlic­h im Mittelpunk­t, als die Gewalt eskaliert. Lucky / Dämonen und Wunder, ab 21.00 Uhr, 3 SAT

 ?? FOTO: ZDF/STEFANIA ROSINI ?? Lucky (Harry Dean Stanton), ein 90-jähriger, stoischer Navy-Veteran, lebt in einer Kleinstadt im Südwesten der USA. Zu seiner täglichen Routine gehört der Marsch ins Städtchen, wo er seine wenigen Freunde trifft.
FOTO: ZDF/STEFANIA ROSINI Lucky (Harry Dean Stanton), ein 90-jähriger, stoischer Navy-Veteran, lebt in einer Kleinstadt im Südwesten der USA. Zu seiner täglichen Routine gehört der Marsch ins Städtchen, wo er seine wenigen Freunde trifft.

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