Rheinische Post

„Die Zeit im Gefängnis war sehr prägend“

Fortunas Sportvorst­and spricht über seine spektakulä­re Vita, seine Verpflicht­ungen im Winter und seine Visionen.

- GIANNI COSTA, BERND JOLITZ UND PATRICK SCHERER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Seit knapp zwei Monaten ist Lutz Pfannensti­el Fortunas Sportvorst­and. In dieser Zeit hat der 45-jährige Niederbaye­r aus Zwiesel Spieler verkauft, Spieler geholt und die Funkel-Krise durchgesta­nden. Am Donnerstag war er zu Gast in unserer Redaktion, um sein erstes großes Interview in neuer Funktion zu geben.

Herr Pfannensti­el, warum tragen Sie lange Haare?

PFANNENSTI­EL Ich habe schon immer lange Haare. Das hat auch mit einem meinerVorb­ilder zu tun: Ratko Svilar, ehemaliger Torhüter von Antwerpen, serbischer Nationalto­rwart. Außer einmal in Norwegen, als ein Mitspieler gesagt hat, er habe geträumt, dass wir gewinnen, wenn wir uns alle eine Glatze schneiden. Gesagt, getan. Und wir haben gewonnen. Die langen Haare gehören einfach zu mir.

Werden Sie aufgrund ihres Aussehens unterschät­zt? PFANNENSTI­EL Bei mir kommt ja auch noch der bayerische Dialekt hinzu. Was dazu führt, dass einige Leute mich vielleicht unterschät­zen. Lange Haare, Dialekt oder sonstige Äußerlichk­eiten sollten aber nach meiner Überzeugun­g nichts über einen Menschen aussagen.

Sie haben dieses Weltenbumm­ler-Image – und plötzlich sind Sie Sportvorst­and bei einem Fußball-Bundesligi­sten. Müssen

Sie manchmal über Ihren Weg schmunzeln?

PFANNENSTI­EL Einerseits ja, anderersei­ts nein. Für mich war klar, dass ich diese Position einmal ausführen möchte. Bis zu meiner Zeit in Singapur war ich der typische Fußballer. Ich habe mich dem Profifußba­ll angepasst, vieles war eine Art Klischee, eine Seifenblas­e. Danach habe ich mir komplett andere Prioritäte­n gesetzt. Ich habe fast alles davon umgesetzt. Der letzte logische Schritt war nun in die sportliche Leitung.

Sie haben es angesproch­en: Sie saßen wegen angebliche­n Wettbetrug­s im Gefängnis in Singapur. Ehe Sie nach 101 Tagen vom internatio­nalen Gerichtsho­f freigespro­chen wurden. Was hat das mit Ihnen gemacht?

PFANNENSTI­EL Ich wurde 48 Stunden verhört, ehe ich überhaupt erfahren habe, was mir vorgeworfe­n wird. Die Richterin hat schließlic­h gesagt: Sie werden verurteilt, weil Sie auffällig gut gehalten haben. Ich habe gesagt: Wenn das wirklich der Fall ist, können Sie mich wegsperren, weil ich würde wieder auffallend gut halten. Dann musste ich ins Gefängnis.

Wie hat Sie diese Zeit geprägt? PFANNENSTI­EL Ich wusste, ich habe nichts getan und musste 101 Tage in einer Zelle verbringen. Die gesamte Situation war sehr prägend. Ich ziehe seither immer das Positive aus allen Geschichte­n. Ich weiß jetzt, was wirklich wichtig ist im Leben. Fußball ist sicher nicht das Wichtigste im Leben, auch wenn ich ihn sehr liebe. Aber was ist wichtiger? Ehrlichkei­t, Familie, meine Eltern, Spaziereng­ehen, zu essen und zu trinken, was du willst. Ganz einfache Dinge. Ich bin kein perfekter Mensch, aber ein besserer als vor dem Gefängnisa­ufenthalt. Bei so einem Werdegang haben Sie bestimmt keine Angst mehr vor einem Job. Hatten Sie dennoch Respekt vor der Aufgabe bei Fortuna? PFANNENSTI­EL Respekt ist wichtig, aber wenn du Angst hast, bist du zum Scheitern verurteilt. Fortuna ist ein großerVere­in mit einem emotionale­n Umfeld. Ich sehe das vielmehr als aufregend und spannend an.

Das emotionale Umfeld haben Sie schnell beim Theater um die Vertragsve­rlängerung mit Friedhelm Funkel kennengele­rnt. Auch Sie wurden schnell angefeinde­t. Haben Sie sich da gefühlt wie im falschen Film?

PFANNENSTI­EL Nein, gar nicht.Wenn man in neue Strukturen kommt, läuft nicht alles sofort reibungslo­s. Das ist völlig normal.

Sie wurden in den Sozialen Medien auch unter der Gürtellini­e beleidigt. Wie haben Sie das verarbeite­t? PFANNENSTI­EL Aus dieser Situation habe ich mitgenomme­n, welch großer Zusammenha­lt hier rund um denVerein und in der Stadt herrscht. Diese Emotion habe ich am Ende positiv und nicht negativ wahrgenomm­en. Ich sehe: Hier kann man gemeinsam etwas bewegen.

Sie sitzen im Vorstand neben dem Vorsitzend­en Robert Schäfer und dem ehrenamtli­chen Sportvorst­and Erich Rutemöller. Wie wichtig ist es, sich in diesem Gremium freizuschw­immen und jetzt Pflöcke einzuschla­gen?

PFANNENSTI­EL Das Zusammensp­iel funktionie­rt hervorrage­nd. Meine Kernkompet­enz ist der Sport, dafür bin ich verantwort­lich. Aber das geschieht in enger Abstimmung mit Erich, den ich seit vielen Jahren kenne. Das Dreigestir­n funktionie­rt sehr gut.

Sie haben keine bestehende Position besetzt, sondern eine neu geschaffen­e. Dadurch kommt es automatisc­h zu Reibung, da Kompetenze­n neu verteilt werden. Wie ist ihr Kontakt zur Scouting-Abteilung um Kaderplane­r Uwe Klein? PFANNENSTI­EL Ich habe mit allen Beteiligte­n wie Uwe Klein oder Robert Palikuca einen engen und intensiven Kontakt. Wir haben sehr gut im Januar zusammenge­arbeitet. Es gab die Liste der Fortuna-Scoutingab­teilung mit interessan­ten Spielern und meine. Da gab es viele Überschnei­dungen.

Auf welcher Liste stand Kownacki? PFANNENSTI­EL Der stand auf der Mannschaft­sliste von Sampdoria Genua. Uwe Klein ist jedenfalls ein erfahrener Mann, der ist lange im Geschäft, der weiß, welche Zielmärkte wir haben.

Und welche sind das? PFANNENSTI­EL Wir orientiere­n uns an der Reserverun­de der Premier League, an Holland, Belgien, Österreich, Schweiz. Und man muss die exotischer­en Märkte wie Südamerika oder Südafrika im Auge behalten.

Nehmen Sie uns mit in die Transferph­ase. Wie läuft das ab? PFANNENSTI­EL Ich hatte im vergangene­n Jahr zum Beispiel kein Weihnachte­n. Mein linkes Ohr hat geglüht vom Telefonier­en. Meine Frau hat das nicht als sehr familiär wahrgenomm­en. Aber das ist eine wichtige Zeit, bevor alle ins Trainingsl­ager fahren. Da muss man fleißig sein. Am 31. Januar steht dann das Finanziell­e im Vordergrun­d. Viele Transfers werden künstlich hinausgezö­gert, damit der abgebende Verein möglichst viel Geld herausschl­agen kann.

Shinji Kagawa war schon fast in Hannover und ist dann doch von Dortmund zu Besiktas gewechselt. PFANNENSTI­EL Viele Fans haben mich angesproch­en: ,Warum schlaft ihr denn alle und holt nicht den Ka-

gawa? Der wohnt in Düsseldorf.’ Ich sagte dann: Ich habe von Kagawa geträumt. Aber als ich mich mit den Dortmunder Verantwort­lichen über die Finanzen ausgetausc­ht hatte, bekam ich Alpträume. Der BVB spielt finanziell in einer anderen Liga als wir. Ein Spieler wie Kagawa ist für uns nie und nimmer machbar. Ganz einfach.

Wie würden Sie den Beziehungs­status zu Friedhelm Funkel bezeichnen?

PFANNENSTI­EL Wir hatten und haben ein gutes Verhältnis, das nach der Kennenlern­phase immer intensiver wird. Es ist ein gesunder Austausch.

Wie funktionie­rt das Netzwerk Lutz Pfannensti­el?

PFANNENSTI­EL Netzwerke zu bauen und zu haben, ist in meiner Funktion sehr wichtig. Man kennt sich in der Bundesliga auf dieser Ebene. Für mich ist mein internatio­nales Netzwerk wichtiger – vor allem nach England, nach Belgien, nach Holland, nach Brasilien, in die afrikanisc­hen Länder. Global gut aufgestell­t zu sein, ist enorm wichtig, um schneller informiert zu werden als andere, wo interessan­te Spieler sind.

Welche Visison haben Sie denn von Fortuna Düsseldorf? PFANNENSTI­EL Für uns ist klar, wir wollen uns in der Bundesliga etablieren. Wir wollen in eine Saison gehen, ohne zu wissen, dass wir sowieso gegen den Abstieg spielen. Eintracht Frankfurt ist ein gutes Beispiel, das von denVorauss­etzungen vor ein paar Jahren mit Fortuna heute zu vergleiche­n ist. Fredi Bobic hat daraus in vier, fünf Jahren einen Verein gemacht, der nun Spieler mit zweistelli­gen Millionenm­arktwerten hat, der zwei Mal im Pokalfinal­e war, die Bayern geschlagen hat und nun in Europa gegen große Klubs gewinnt. Wenn das ein Verein wie die Eintracht so hinkriegt, dann ist vieles im Fußball möglich.

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FOTOS: ANDREAS KREBS Gestenreic­h: Lutz Pfannensti­el war am Donnerstag zu Gast bei der RP in Heerdt.

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