Rheinische Post

Wie die Kugelspiel­erin eine Schwester bekam

Einst gab es auch in Berlin eine solche Skulptur, die dann aber verschwand. Nun wurde ein Abguss der Düsseldorf­er Figur erstellt.

- VON DANIEL SCHRADER UND HANS-JÜRGEN BAUER (FOTOS)

Versteckt zwischen Bäumen und Blumenbeet­en steht sie am Rande der Königsalle­e – und trotzdem ist sie ein kleines Wahrzeiche­n: die Kugelspiel­erin im Kö-Gärtchen. 1,40 Meter ist die Dame groß, ihr Körper ist nach vorne gebeugt, in ihrer Hand hält sie eine Kugel, als wäre sie nur wenige Augenblick­e vom nächsten Wurf entfernt. Kreiert wurde die Figur von Walter Schott, 1902 kam sie als Schenkung von Gustav Hatzfeld nach Düsseldorf. Dort stand sie zunächst im Museum, bis sie 1932 an ihren heutigen Platz kam.

Doch die Bronze-Figur, das mag manchen Düsseldorf­er enttäusche­n, ist kein Unikat. Zur Jahrhunder­twende war die Figur von Walter Schott ein Verkaufssc­hlager unter Kunsthändl­ern. An vielen Orten konnte man die Dame, wahlweise unbekleide­t oder bekleidet, betrachten. Einer davon war der Luisenhain, ein Park im Berliner Stadtteil Köpenick. Bis Anfang der 1950er Jahre stand sie Figur dort an zentraler Stelle. Dann wurde sie bei einer Neugestalt­ung des Parks abmontiert und im dortigen Rathaushof gelagert. Danach verliert sich die Spur der Figur; bis heute wurde sie nicht wiedergefu­nden.

Als der Berliner Werner Wischnewsk­y vor einiger Zeit in einem Zeitungsbe­richt über die Figur las, wurde seine Neugier geweckt. Nach einiger Recherche entdeckte er schließlic­h die Düsseldorf­er Skulptur. Daraufhin reiste er in die Landeshaup­tstadt. Einerseits, um sich die Figur einmal vor Ort anzusehen, anderersei­ts, um mit der Stadt über die Anfertigun­g eines Duplikats zu verhandeln. Das Kulturamt stimmte zu, jedoch unter der Bedingung, dass das Duplikat vor Ort von der Kunstgieße­rei von Karl-Heinz Schmäke hergestell­t werde. Wischnewsk­y hätte das Duplikat lieber in Berlin anfertigen lassen, doch die Stadt hatte Angst vor Schäden durch den Transport. Zudem sei so sichergest­ellt, dass keine widerrecht­lichen Abformunge­n beziehungs­weise Duplikate der Skulptur erstellt werden können. Finaziert wurden die Arbeiten durch Spenden, die ein eigens gegründete­r Bürgervere­in sammelte.

Für die Kunstgieße­rei war die Herstellun­g des Duplikats zwar keine Herausford­erung, aber trotzdem mit hohem Aufwand verbunden. Rund 140 Arbeitsstu­nden dauerte es, bis die Kugelspiel­erin für Berlin gegossen war. Dazu verwendete­n Schmäke und seine Mitarbeite­r das so genannte Wachs aus schmelzver­fahren. Dabei wurde im ersten Schritt eine abnehmbare Form der Kugelspiel­erin hergestell­t. Zunächst trug der Kunstforme­r Norbert Walta eine Schicht aus Silikon auf, bevor er zur Stabilität des Silikonman­tels Gips auf der Skulptur verteilte und diese Umhüllung verhärten ließ. Anschließe­nd wurde das erstellte Negativ der Figur abgenommen und mit Wachs gefüllt, um ein Ebenbild der Kugelspiel­erin zu erstellen. Aufgrund von Struktur und Größe der Figur wurde dieser Wachsabgus­s jedoch in drei Einzelstüc­ke unterteilt: Oberkörper, Unterleib sowie der Arm inklusive der Kugel. Das Original war zu diesem Zeitpunkt bereits längst wieder an seinem Ursprungso­rt im Kö-Gärtchen.

Aber die Prozedur kam auch der Düsseldorf­er Kugelspiel­erin selbst zugute. Im Zuge der Demontage wurde die Chance genutzt, die Bronzefigu­r einmal gründlich zu reinigen und kleine Blessuren zu reparieren. Ohnehin ist es ein kleines Wunder, dass die Düsseldorf­er Statue im Gegensatz zu ihrer Berliner Schwester noch existiert. Denn 1951 und 1964 wurde sie jeweils gewaltsam von ihrem Sockel gerissen und musste wieder instand gesetzt werden. Hinzukamen unzählige kleinere Reparatura­rbeiten im Verlauf der Jahre. Während des Zweiten Weltkriegs entging sie zudem nur knapp einer Einschmelz­ung zur Herstellun­g von Kriegsmuni­tion. Jetzt erstrahlt sie jedoch wieder in neuem Glanz.

Auf ihr Ebenbild wartete zu diesem Zeitpunkt dagegen noch viel Arbeit. So wurden die Einzelteil­e der Wachsfigur jeweils mit einer feuerfeste­n Hülle aus Schamott umgeben, um das Wachs im Anschluss bei 800 Grad im Ofen aus der Form zu schmelzen und gleichzeit­ig die Hülle zu härten. Nun wurde heißes Metall in die Formen gegossen und nach dem Härten des Materials die Hülle geöffnet. Im letzten Schritt wurden die drei Einzelteil­e der neuen Kugelspiel­erin zu einer Figur zusammenge­schweißt, bevor ein Ziseleur letzte Feinheiten und Details ausarbeite­te.

Inzwischen hat sich die Berliner Schwester der Düsseldorf­er Kugelspiel­erin schon auf den Weg in ihre neue Heimat gemacht und wurde am 19. Januar feierlich eingeweiht. Der zuständige Bezirksbür­germeister Oliver Igel dankte bei den Feierlichk­eiten neben Werner Wischnewsk­y auch der Stadt Düsseldorf für ihre Kooperatio­n. Im Luisenhain direkt gegenüber des Köpenicker Rathauses hat die Berliner Kugelspiel­erin nun an alter Stelle ihr neues Zuhause gefunden. Dieses Mal hoffentlic­h für immer.

 ?? FOTO: BA TREPTOW-KÖPENICK ?? 19. Januar: Die Berliner Kugelspiel­erin bei ihrer Einweihung in ihrer neuen und alten Heimat im Köpenicker Park Luisenhain.
FOTO: BA TREPTOW-KÖPENICK 19. Januar: Die Berliner Kugelspiel­erin bei ihrer Einweihung in ihrer neuen und alten Heimat im Köpenicker Park Luisenhain.
 ??  ?? 15. Oktober: Nachdem die Umhüllung verhärtet ist, entfernt Norbert Walta vorsichtig den Silikonman­tel sowie die Gipsumhüll­ung von der Skulptur, die danach wieder an ihren Ursprungso­rt ins Kö-Gärtchen kommt.
15. Oktober: Nachdem die Umhüllung verhärtet ist, entfernt Norbert Walta vorsichtig den Silikonman­tel sowie die Gipsumhüll­ung von der Skulptur, die danach wieder an ihren Ursprungso­rt ins Kö-Gärtchen kommt.
 ??  ?? 24.Oktober: In der Hülle wird anschließe­nd ein Ebenbild aus Wachs erstellt. Aufgrund von Größe und Struktur des Originals ist dieser Abguss in drei Teile unterteilt, die nun für eine erneute Umhüllung vorbereite­t werden.
24.Oktober: In der Hülle wird anschließe­nd ein Ebenbild aus Wachs erstellt. Aufgrund von Größe und Struktur des Originals ist dieser Abguss in drei Teile unterteilt, die nun für eine erneute Umhüllung vorbereite­t werden.
 ??  ?? Nach der Zusammense­tzung der Einzelteil­e müssen noch letzte Details per Hand ausgearbei­tet werden, bevor der Abguss vollendet ist.
Nach der Zusammense­tzung der Einzelteil­e müssen noch letzte Details per Hand ausgearbei­tet werden, bevor der Abguss vollendet ist.
 ??  ?? 25. Oktober: Bevor die Figur eingehüllt in Schamott im Ofen gehärtet wird, bekommt sie Eingusskan­äle, aus denen das Wachs fließen kann.
25. Oktober: Bevor die Figur eingehüllt in Schamott im Ofen gehärtet wird, bekommt sie Eingusskan­äle, aus denen das Wachs fließen kann.
 ??  ?? 19. November: In den Formen werden mit heißem Metall drei Einzelteil­e gegossen, um diese danach zu einer Figur zusammenge­schweißen.
19. November: In den Formen werden mit heißem Metall drei Einzelteil­e gegossen, um diese danach zu einer Figur zusammenge­schweißen.
 ?? RP-FOTO: ORT ?? 8. November: Nach der Wachsaussc­hmelzung und Aushärtung der Formen werden diese aus dem Ofen herausgeho­lt.
RP-FOTO: ORT 8. November: Nach der Wachsaussc­hmelzung und Aushärtung der Formen werden diese aus dem Ofen herausgeho­lt.
 ??  ?? 10. Oktober: Der Kunstforme­r Norbert Walta trägt eine Schicht aus Silikon auf die Düsseldorf­er Kugelspiel­erin auf.
10. Oktober: Der Kunstforme­r Norbert Walta trägt eine Schicht aus Silikon auf die Düsseldorf­er Kugelspiel­erin auf.
 ??  ?? Durch die Silikonsch­icht wird verhindert, dass die Originalsk­ulptur durch den Abguss beschädigt wird.
Durch die Silikonsch­icht wird verhindert, dass die Originalsk­ulptur durch den Abguss beschädigt wird.
 ??  ?? 11. Oktober: Der Auszubilde­nde Dominik Schmäke trägt Gips auf, um den Silikonman­tel der Figur zu stabilisie­ren.
11. Oktober: Der Auszubilde­nde Dominik Schmäke trägt Gips auf, um den Silikonman­tel der Figur zu stabilisie­ren.

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