Rheinische Post

Auf Distanz zu Merkel

Die CDU hat anderthalb Tage über die Flüchtling­spolitik diskutiert. Herausgeko­mmen sind scharfe Vorschläge.

- VON KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN In der CDU-Zentrale in Berlin stehen die Stühle nach Farben sortiert: schwarz, rot, gelb. Die CDU will wieder Flagge zeigen und die Nationalfa­rben nicht der AfD überlassen – so muss man die Szenerie deuten, in der der öffentlich­e Teil des Werkstattg­esprächs zur Aufarbeitu­ng der Flüchtling­spolitik stattfinde­t.

Im Konrad-Adenauer-Haus kamen Sonntag und Montag rund 120 CDU-Führungsmi­tglieder, Wissenscha­ftler, Kommunalpo­litiker und sogenannte Praktiker zusammen – gemeint sind damit beispielsw­eise Polizisten, Richter und Integratio­nskurs-Lehrer. Kanzlerin Angela Merkel, die in Deutschlan­d und Europa im Mittelpunk­t der Auseinande­rsetzungen um die Flüchtling­spolitik stand und steht, blieb außen vor.

Die neue CDU-Chefin hatte das „Werkstattg­espräch“zur Klärung der eigenen Position in der Flüchtling­spolitik auch mit Blick auf das schlechte Beispiel der SPD angesetzt, die anderthalb Jahrzehnte mit der Hartz-IV-Gesetzgebu­ng gehadert hatte. Kramp-Karrenbaue­r unternahm nun den Versuch, in nur anderthalb Tagen alles aufzuarbei­ten.

„Wir sind konsequent und wir sind kein Rechtsstaa­t, der sich auf der Nase herumtanze­n lässt“, sagte sie zum Ende des Werkstattg­esprächs, dessen Ergebnis ein vierseitig­es Papier mit teils harten Forderunge­n für die künftige Asylpoliti­k ist. Teile sollen ins gemeinsame Europawahl­programm von CDU und CSU einfließen. Die Punkte seien auch „Grundlage für die Ausein- andersetzu­ng mit dem politische­n Gegner“, kündigte Kramp-Karrenbaue­r an. Die Parteichef­in betonte zugleich, dass Deutschlan­d ein umfassende­s, schlüssige­s „Migrations­monitoring“brauche, damit sich 2015 nicht wiederhole­n könne.

Die Politiker und Verwaltung­sleute benannten beim Werkstattg­espräch eine lange Liste an Verschärfu­ngen und Klarstellu­ngen für die Flüchtling­spolitik. „2015 war eine besondere Situation und ich gehe davon aus, dass sie wiederkomm­en könnte. Wir müssen vorbereite­t sein“, sagte der CDU-Innenpolit­iker Armin Schuster. Er forderte „intelligen­te Grenzüberw­achung bis zu Zurückweis­ungen“, die die nötige Flexibilit­ät habe, um auf die Entwicklun­g von Brennpunkt­en zu reagieren. Diese Forderung ist nicht weit entfernt vom„Masterplan“des CSU-Innenminis­ters Horst Seehofer, der den großen Streit in der Union 2018 ausgelöst hatte. Zudem verwies die Union auf die Notwendigk­eit, in der Asylrechts­prechung mehr Einheitlic­hkeit herzustell­en sowie die Verfahren zu entschlack­en. Die Altersfest­stellung junger Flüchtling­e soll im Zweifel auch auf medizinisc­her Basis stattfinde­n. Zur Identifizi­erung von Asylsuchen­den sollen die Behörden effiziente­r Daten austausche­n können. Wer bei der Identitäts­feststellu­ng nicht mitarbeite­t, soll sanktionie­rt werden.

Nach den Vorstellun­gen der Union soll die Bundespoli­zei zudem mit weiteren Befugnisse­n ausgestatt­et werden. Sie soll grundsätzl­ich zuständig werden im Kampf gegen „unerlaubte­n Aufenthalt“und auch weiter als nur 30 Kilometer hinter der Grenze möglicherw­eise illegal Eingereist­e kontrollie­ren können.

Mehr noch: Die Arbeitsgru­ppe rund um den baden-württember­gischen Innenminis­ter Thomas Strobl forderte Abschiebun­gen künftig auch bei kleineren Anlässen als bisher: Falsche Angaben zur Identität, Angriffe gegen Polizisten, jede Art von sexuellen Übergriffe­n, Vergehen, die zu einer Strafe von 90 Tagessätze­n führen.

Auf europäisch­er Ebene fordert die Union mehr Kompetenz für die Grenzschut­zagentur Frontex, Klarheit, wer in den Schengenra­um einreist, und ein einheitlic­hes Asylsystem in Europa.

In ihrem Fazit bringt Kramp-Karrenbaue­r eine wenig versteckte Kri- tik an Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) unter. Der hatte im Machtkampf um den Parteivors­itz Friedrich Merz unterstütz­t. Die Premiere des Werkstattg­espräches sei gelungen, schwärmte Kramp-Karrenbaue­r. Obwohl man im Vorfeld ja Zweifel gehört habe. Schäuble hatte klar gemacht, wie wenig er von dem Vorhaben hält. Es sei 2015 nicht rechtzeiti­g gelungen, „in der weltweiten Kommunikat­ion die Balance zwischen Hilfsberei­tschaft und der Begrenzthe­it unserer Mittel herzustell­en“, sagte er. „Das sollte heute unumstritt­en sein – bei allem Respekt, da braucht es keine Aufarbeitu­ngskommiss­ion.“

Der konservati­ve CDU-Flügel bezeichnet­e das Werkstattg­espräch als einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“. DerVorsitz­ende derWerte-Union Alexander Mitsch beklagte allerdings: „Leider wurden aber auch manche Inhalte nur oberflächl­ich behandelt oder gar tabuisiert.“Es sei so der Eindruck entstanden, „dass eine ehrliche Analyse der Probleme von Teilen der Parteiführ­ung nicht gewünscht ist“. Mitsch verwies darauf, dass die Argumente undVorschl­äge der WerteUnion „für eine stärkere Begrenzung und konsequent­ere Steuerung der Einwanderu­ng“teilweise große Zustimmung gefunden hätten. (mit dpa)

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FOTO: DPA Stühle in den Farben Schwarz, Rot und Gelb stehen in der CDU-Zentrale, wo das „Werkstattg­espräch“stattgefun­den hat.

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