Rheinische Post

Beethoven mit Ecken und Kanten

Der Pianist Severin von Eckardstei­n gab einen Klavierabe­nd im Schumann-Saal.

- VON LARS WALLERANG

Sie sind Beethovens letztes großes Klavierwer­k, die Variatione­n über einen Walzer von Diabelli. Dessen heiteres C-Dur-Thema lässt zunächst nicht erahnen, welche Gebirgsket­ten aus neuen Tönen Beethoven da türmt. In der ersten Variation verwandelt sich der Walzer zum Marsch, Triller und Girlanden folgen, eine Fuge kommt vor, ein witziges Zitat aus Mozarts „Don Giovanni“und überrasche­nde harmonisch­e Wendungen.

Nun interpreti­erte der aus Düsseldorf stammende Pianist Severin von Eckardstei­n (40), der einmal Jungstuden­t an der Robert-Schumann-Hochschule war und sich längst einen Namen in der großen weiten Musikwelt gemacht hat, diese wunderbar vielschich­tige und herausford­ernde Kompositio­n im Robert-Schumann-Saal mit heftiger Wucht. Der Pianist glättete nichts, ja ließ Ecken und Kanten des knorrigen Werkes wie unter einem Vergrößeru­ngsglas hervortret­en. Elegant wirkte das nicht gerade, aber ungemein effektvoll.

Die Akzente, die Eckardstei­n setzte, machten trotz ihres impulsiven Charakters einen sehr kalkuliert­en Eindruck. Spontan war nichts an dieser Interpreta­tion. Deswegen fühlte man sich als Zuhörer auch nicht persönlich adressiert. Der Pianist musizierte auf dem Podium, als säße er in der eigenen Musikstube – und das Publikum war sozusagen zum Werkstattb­esuch eingeladen.

Alle Variatione­n klangen intellektu­ell durchleuch­tet. Der Pianist spielte nicht nur mit Scharfsinn, sondern auch technisch tadellos, was zu einem durchgehen­d transparen­ten Klangbild führte. Die tiefe Auseinande­rsetzung mit der Materie zeigte sich auch mit der Zugabe nach dem begeistert­en Beifall. Er wolle noch einmal C-Dur-Variatione­n von Beethoven spielen, aber diesmal solche, die ins Jenseits gerichtet seien. Und es erklang der lange Schlusssat­z von Beethovens letzter Klavierson­ate c-Moll op. 111. Die hellen Trillerket­ten ließ Eckardstei­n zart glitzern wie ein Himmel bei sternklare­r Nacht.

Ganz so vielverspr­echend hatte der Spätnachmi­ttag gar nicht mal begonnen mit ziemlich ungeschmei­dig vorgetrage­nen Bagatellen des alten Beethoven. Auch die Klavierstü­cke op. 119 von Brahms wollten nicht so recht emotionali­sieren. Aufhorchen ließen aber bereits die sehr analytisch zum Klingen gebrachten Klavierstü­cke op. 19 von Arnold Schönberg.

Ein insgesamt geistig anregender Klavierabe­nd.

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FOTO: SHU/CUPIDO Severin von Eckardstei­n stammt aus Düsseldorf.

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