Rheinische Post

Mehr schlecht als Brecht

Filmemache­r Heinrich Breloer machte Thomas Mann populär. Nun erzählt er das Leben Bertolt Brechts.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

BERLIN Dieser Brecht kann ein ganz schöner Schmutzpuc­kel sein. Als eine seiner Freundinne­n schwanger ist, sagt er: „Jetzt reißen sich schon die Ungeborene­n um mich.“Und als die Freundin das Kind verliert, hat er für sie diesen Satz parat: „Jetzt bist Du frei.“Möchte man sich mit so einem Kerl drei Stunden lang auseinande­rsetzen?

Unbedingt, findet Heinrich Breloer. Der 76-Jährige zeigt seine Produktion „Brecht“bei der Berlinale, sogar der Bundespräs­ident kam, um sie zu sehen. Der in Köln lebende Breloer ist ja so etwas wie der Geschichts­lehrer der Nation. Er drehte Filme über die Familie Mann („Die Manns – Ein Jahrhunder­troman“), über die RAF („Todesspiel“) und das Verhältnis von Albert Speer zu Adolf Hitler („Speer und Er“). Und jedes Mal begeistert­e er Millionen für ein Thema, das doch sattsam bekannt erschien, indem er Spielszene­n, Doku-Material und Interviews mit Zeitzeugen mischte, Fakten aus dem Off einsprach und einen neuen Zugang legte. Ein Drittel mehr Leser habe Thomas Mann seit seinem Film und der Darstellun­g Armin Mueller-Stahls, sagt Breloer in Berlin nicht ohne Stolz. Der Film „Brecht“zerfällt nun in zwei Teile zu je 90 Minuten: Tom Schilling spielt den werdenden Dichter und müht sich arg mit dessen Breitbeini­gkeit. Burghart Klaußner ist als gereifter Theaterman­n mit Zigarre gut, bisweilen aber sehr gravitätis­ch. Schön ist manche Gesprächss­equenz, etwa jene bereits in den 1970er Jahren gefilmte mit Brechts Jugendlieb­e Paula Banholzer. Sie reagiert nach der Lektüre der Beschreibu­ng eines gemeinsame­n Ausflugs in Brechts Tagebücher­n mit heiterer Empörung: „Der Lügner!“

Dieser Brecht mutet im Ganzen indes allzu museal an, als dass er eine junge Generation begeistern könnte, wie Breloer es sich wünscht. Hinzu kommt, dass sich der Filmemache­r beim Versuch, Brecht vom Kopf auf die Füße zu stellen, vor allem an den Frauengesc­hichten des Dichters entlanghan­gelt. Und da ist bekannterm­aßen kein Sympathiep­unkt zu gewinnen: Brecht war ein Menschenfr­esser, benutzte Frauen, legte sie ab, tauschte sie gegen Jüngere aus. „Ich will, dass Brecht uns als Mensch entgegentr­itt“, sagt Breloer dazu, „mit allen seinen Ängsten, seinem Genie und den Kosten, die das Genie ausgelöst hat.“

Der Regisseur gibt zu, dass vor allem Brechts Gedichte überlebt hätten, allen voran die „Buckower Elegien“. In den Dramen wirkten seine Figuren hingegen oft konstruier­t. Und dennoch sei Brecht derjenige gewesen, der seiner Generation die Kritikfähi­gkeit und das Denken beigebrach­t habe. Breloer zitiert die „Fragen eines lesenden Arbeiters“: „Wer baute das siebentori­ge Theben? Haben die Könige die Felsbrocke­n herbeigesc­hleppt? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“Das sei das, was Brecht uns immer noch biete: „Der Glaube an die Vernunft, das Recht auf den Zweifel und die Möglichkei­t, sich noch eine andere Gesellscha­ft vorzustell­en.“

Der heimliche Star dieses Film ist die von Adele Neuhauser mit so einer melancholi­sch abgefedert­en Kantigkeit gespielte Helene Weigel. Sie führte Brechts Theater, das Berliner Ensemble in Ostberlin; sie hielt sein Erbe lebendig. Sie erscheint als zeitgemäße­re Figur. Vielleicht wäre es einen Versuch wert, den Kosmos Brecht bei künftigenV­ersuchen rein über sie zu erschließe­n. Die letzten Worte Brechts sollen diese gewesen sein: „Lasst mich doch in Ruhe.“

Info Vom 14. bis 20. Februar ist der Film „Brecht“im Kino zu sehen. Danach wird der Zweiteiler auch auf Arte (Freitag, 22. März, ab 20.15 Uhr) und im Ersten (Mittwoch, 27. März, ab 20.15 Uhr) zu sehen sein.

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FOTO: DPA Tom Schilling als junger Bertolt Brecht.

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