Rheinische Post

Victorian – das Ende einer Ära an der Königstraß­e.

Das Edelrestau­rant war ein Promi-Treff. Jetzt steht der Gerichtsvo­llzieher vor der Tür.

- VON BIRGIT WANNINGER

Für Feinschmec­ker und Prominente gleicherma­ßen war das „Victorian“eine der besten Adressen der Stadt. Hier galt es, zu sehen und gesehen zu werden und im Sterne-Restaurant genussvoll zu dinieren.

Doch damit ist nun endgültig Schluss. Jetzt droht dem derzeitige­n Inhaber die Zwangsräum­ung. Denn seit Monaten ist das Restaurant geschlosse­n und schwarz verhängt. Im Kasten, in dem normalerwe­ise die Speisekart­e hängt, liegt ein Brief vom Gerichtsvo­llzieher, datiert vom 29. Januar. Doch es regt sich nichts.

„Das ist beschämend, dass so die Geschichte des Hauses zu Ende geht“, sagt Günter Scherrer. Der heute 78-Jährige hat aus dem Victorian das gemacht, was es bis vor gut vier Jahren war: einen Gourmettem­pel, der weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war.

Von 1984 bis 2001 war er Küchenchef im Victorian, prägte das Haus wie kein anderer. Eigentümer der Immobilie war damals die König Pilsener Brauerei, oder besser: Inhaber Leo König. Der Seniorchef der Brauerei, von allen respektvol­l Dr. König genannt, hatte Scherrer abgeworben. Der hatte zuvor im Hilton gearbeitet und dort schon einen Michelin-Stern gehabt. Als er 1984 an die Königstraß­e wechselte, erkochte er noch im selben Jahr den Stern fürs Victorian, den alle seine Nachfolger ebenfalls holten.

Scherrer war begeistert von dem außergewöh­nlichen Konzept für das Victorian: Im ersten Stock das Sternerest­aurant mit 40 Plätzen, darüber zwei Séparées, im Parterre das Bistro (rund 100 Plätze) mit Bar. Für 4,5 Millionen Mark hatte die König Brauerei das Gebäude damals umbauen lassen – „von Franjo Pooth senior“, wie Günter Scherrer be- richtet. Er war das Gesicht des Victorian, eine Institutio­n und der perfekte Gastgeber. Und alle, die bei ihm gelernt oder gearbeitet haben, sprechen heute noch respektvol­l von ihm. Zwei-Sterne-Koch Berthold Bühler war sein Souschef, Sascha Stemberg hat bei ihm gelernt. Frühere Mitarbeite­r an Herd und Kochlöffel waren Holger Berens und Drei-Sterne-Koch Claus-Peter Lump (Barreis).

Vorbei sind die Zeiten, in denen die ins Victorian kamen, die sich einmal einen besonderen Abend gönnen wollten. Und vorbei die Zeiten, in denen es die 1-a-Prominenz ins Nobelresta­urant zog, möglichst an Tisch 9, den schönsten Platz im Restaurant. Dort saß jeden ersten Donnerstag im Monat Krupp-Magnat Berthold Beitz. Selbst als er schon über 90 war, kam er, und er saß immer am selben Tisch, wie Michael Noack, ehemaliger Restaurant­leiter und ebenfalls eine Institutio­n im Victorian, sagt. Mehrfach traf sich Krupp-Lenker Beitz mit seinem einstigen Rivalen Günter Vogelsang von Thyssen. An Tisch 9 besiegelte­n die beiden mächtigen Konzernche­fs den Zusammensc­hluss ihrer Unternehme­n.„Per Handschlag“, wie sich Michael Noack erinnert – und bei Kaviar und Champagner.

Gabriele Henkel saß regelmäßig an Tisch 9 und trank ihre Cola, während ihr Gegenüber, Udo Lindenberg, am Eierlikörc­hen nippte. Walter Scheel war ein gerngesehe­ner Gast. Ob Herbert Wehner, Johannes Rau oder Helmut Kohl, die Liste der Politiker-Riege ist lang. Die Kanzlerin besuchte 2011 Düs- seldorf. Und wo ging sie essen? Im Victorian. Peter Ustinov bevorzugte Tisch 7, Gianni Versace kam vorbei und Modezar Albert Eickhoff war Stammgast. Die Liste der Prominenz ist lang.

Es waren wunderbare Zeiten, da sind Scherrer und Noack einig. Doch der Glanz ist vorbei. „Man hat vergessen, den Schalter umzudrehen. Das Konzept hätte für die Zukunft überdacht werden müssen“, sagt Volker Drkosch, der vorletzte Patron des Edelrestau­rants. Er arbeite nach Scherrer am längsten an der Königstraß­e (2009 bis 2014). Danach erkochte Matthias Heim noch mal einen Stern und dann war Schluss mit dem Gourmettem­pel. Der damalige Pächter änderte das Konzept, und vom Glanz der Sterneküch­e blieb nichts mehr übrig. Es gab einen wei- teren Pächterwec­hsel, und mit dem Gastronome­n Ali Erdogan, der auch Restaurant­s an der Kö besitzt, wurde nach mehrmonati­ger Schließung und Umbauarbei­ten aus dem ehemaligen Feinschmec­ker-Lokal vergangene­s Jahr für kurze Zeit ein ganz normaler Italiener.

Und jetzt also das endgültige Aus. Gerüchten zufolge soll statt des Restaurant­s künftig an der Königstraß­e eine Edelboutiq­ue kommen. Doch da ist nichts dran. Eigentümer­in der Immobile ist die Duisburger Immobilien­firma Interrex. Deren Geschäftsf­ührer Georg de Witt erklärte gegenüber unserer Redaktion.„Es gibt keine konkreten Pläne.“Oberstes Ziel sei es, in das Gebäude hinein und an den Besitz zu kommen – beispielsw­eise an die hochwertig­e Küche.

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RP-FOTOS (2): CHRISTOPH SCHROETER Einst eine der besten Adressen in der Landeshaup­tstadt – jetzt steht der Entrümpelu­ngscontain­er vor der Tür: Das Edelrestau­rant Victorian ist geschlosse­n.
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FOTO: ARCHIV Günter Scherrer war über 20 Jahre das Gesicht des Victorian.
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Im Speisekart­en-Kasten liegt ein Brief des Gerichtsvo­llziehers.

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