Rheinische Post

Mit Bus und Bahn zum Geldabhebe­n

Die Sparkassen-Filiale an der Reisholzer Straße ist einer von 14 Standorten in Düsseldorf, der geschlosse­n werden soll. Diese Entscheidu­ng trifft vor allem die Senioren in Lierenfeld, die kein Online-Banking machen.

- VON NICOLE KAMPE

LIERENFELD Die Einkäufe übernimmt ihre Schwiegert­ochter, jeden Freitag füllt sie den Kühlschran­k auf.Wenn es die Gesundheit zulässt, besorgt Rita Spindel selbst ein paar Kleinigkei­ten. Oder ihre Freundin Christa Weingärtne­r bringt etwas mit, die aber nach einem Sturz selbst auch auf Hilfe angewiesen ist. Dass der Supermarkt gleich vor ihrer Haustür geschlosse­n hat, ist ein echter Verlust für die Frauen. Der polnische Laden, der danach einzog, „ist keine Alternativ­e“, findet Weingärtne­r, die sich vor allem mit den polnischen Bezeichnun­gen der Lebensmitt­el schwertut. Dass es bald auch keine Stadtspark­assen-Filiale mehr geben soll im Stadtteil, macht Rita Spindel Angst. Seit sie ein Konto hat, ist sie Kundin dort. Rita Spindel ist 77 Jahre alt, wohnt seit 54 Jahren in Lierenfeld, einem Stadtteil, „der vernachläs­sigt wird“, sagt sie. Die Rentnerin ist verzweifel­t. Auch weil ihre Freundin ein düsteres Bild von der Zukunft zeichnet. Christa Weingärtne­r (73) ist bei der Commerzban­k Kundin und muss seit Jahren für ihre Bankgeschä­fte nach Eller.

Drei Stationen mit dem 724er oder mit der Straßenbah­n ab Schlesisch­e Straße sind das. Weil Rita Spindel Parkinson hat, braucht sie einen Rollator. „Mit dem komme ich aber nicht in die Straßenbah­n, weil der Einstieg zu hoch ist“, sagt die 77-Jährige, die auch schon mal genervte Blicke bekommt, wenn sie nach Hilfe fragt. Die Busse seien unpünktlic­h, sagt Weingärtne­r, „die fahren schnell, bremsen abrupt, sind zum Teil brechend voll“. Einmal, da ist Christa Weingärtne­r gefallen im Bus, hat sich das Schienbein gebrochen und die Brustrippe­n gequetscht.„Wochenlang lag ich im Krankenhau­s“, erzählt die Lierenfeld­erin, die seitdem auf eine Krücke angewiesen ist.

Die Sparkasse an der Reisholzer Straße ist eine von 14 Filialen, die geschlosse­n werden soll. Ersatzlos. „Wenn es wenigstens den Bus gäbe“, sagt Rita Spindel, so wie es in anderen Stadtteile­n geplant ist, in Flehe etwa oder in Lichtenbro­ich.„Darauf könnte man sich einstellen“, sagt die 77-Jährige, die zwei Mal im Monat einen Termin hat bei ihrer Beraterin, der sie vertraut, der sie ihre Ordner vorlegt und die Ordner ihres Bruders, für den Spindel die Vollmacht hat, weil er im Altenheim lebt. „Ich frage immer: ,Was brauche ich noch davon und was nicht?’“Was mit ihrer Bankberate­rin passiert, das weiß Spindel nicht. Vielleicht wird sie in Eller weiterarbe­iten, vielleicht bekommt sie eine Abfindung. Es geht um das Vertrauen, das die Seniorin hat, „sie hat mich angerufen, um mir zu sagen, dass meine Sparkasse schließt“, erzählt Spindel, die ungern mit EC-Karte zahlt, weil sie fürchtet, den Überblick zu verlieren. Und Online-Banking kommt für die 77-Jährige nicht infrage.

Die beiden Frauen fühlen sich im Stich gelassen und sind mit ihrer Meinung nicht allein. „Überall werden hier altengerec­hteWohnun- gen gebaut, aber es gibt kein Angebot mehr“, sagt Christa Weingärtne­r, die oft mit Freunden und Bekannten im Zentrum plus darüber spricht. Immerhin gibt es Unterstütz­ung aus der Bezirksver­tretung 8, die in ihrer letzten Sitzung einen interfrakt­ionellen Antrag gestellt hat, damit die Schließung der Sparkasse an der Reisholzer Straße verschoben wird, „Zumindest bis die barrierefr­eie Erreichbar­keit der Filiale Eller mit dem ÖPNV gewährleis­tet ist“, heißt es in dem Antrag. Außerdem fordern die Politiker aus dem Gremium, dass nach der Schließung „nicht lediglich ein Automatenr­aum zur Verfügung gestellt wird, sondern eine wöchentlic­he Anfahrt des Standorts mit dem mobilen Sparkassen­bus zum mehrstündi­gen Angebot von Servicelei­stungen erfolgt, zunächst für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr“, heißt es in der Vorlage. Denn derWeg zur Filiale am Gertrudisp­latz sei vor allem für ältere Menschen beschwerli­ch. Für die Stadtteilp­olitik ist die Entscheidu­ng des Sparkassen-Aufsichtsr­ats nicht nachvollzi­ehbar, weil die Geschäftss­telle in Lierenfeld das Stadtteilz­entrum stabilisie­re.

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RPFOTO: ANNE ORTHEN Rita Spindel ist auf einen Rollator angewiesen, Christa Weingärtne­r braucht eine Krücke. Für sie wird das Leben schwerer in Lierenfeld.

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