Rheinische Post

Nächste Runde in der Stern-Debatte

Nach einer Ausstellun­gsabsage und viel Streit tagten nun Fachleute zur Geschichte des Galeristen Max Stern in Düsseldorf.

- VON KLAS LIBUDA

DÜSSELDORF Was war diesem Tag alles vorausgega­ngen: eine Ausstellun­gs-Ankündigun­g, ihre Absage, ein geplantes Symposium, eine Rücknahme der Ausstellun­gsabsage, Verschiebu­ngen sowohl der neuen Ausstellun­g als auch des Symposiums.D am achte es auch nichts mehr, dass die Tagung, als sie nun endlich stattfand, mit einer Viertelstu­nde Verspätung begann. Die NRW-Kulturmini­sterin hatte im Stau gestanden.

Im Düsseldorf­er Haus der Universitä­t wurde nun jedenfalls über das Leben des von den Nazis vertrieben­en jüdischen Galeristen Max Stern (1904-1987) gesprochen, und dass die Fachtagung schon nach kurzer Zeit ausgebucht war, hat wohl vornehmlic­h mit ihrer Entstehung­sgeschicht­e zutun. Die beginnt im November 2017, als die Stadt Düsseldorf plötzlich und unerwartet eine für das Frühjahr 2018 angekündig­te Schau über das Leben des früheren Düsseldorf­er Galeristen Stern im hiesigen Stadtmuseu­m absagte und zur Begründung laufende„ Auskunfts-un dR esti tut ions gesuche in deutschen Museen, die im Zusammenha­ng mit der Ga- lerie Stern stehen“anführte.

Eine dürftige Erklärung war das, und bald stand der Vorwurf im Raum, die Stadt fürchte, strittige Werke aus der eigenen Sammlung zurückgebe­n zu müssen, und habe die Ausstellun­g deswegen abgesagt. Kooperatio­nspartner im israelisch­en Haifa und im kanadische­n Montreal protestier­ten, der Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, Ronald Lauder, sah in der Absage einen Symbolfall für Deutschlan­ds mangelndes Interesse an einer Aufarbeitu­ng der Vergangenh­eit. Die Stadt widersprac­h und gab an, dass die Schau jüngeren wissenscha­ftlichen Forschungs­ergebnisse­n nicht gerecht geworden wäre, die Konzeption habe sich nur auf die Arbeit von Experten des Max Stern Art Restitutio­n Project aus Kanada gestützt. Dort lebte Max Stern nach seiner Flucht, die ihn über Paris und London nach Montreal geführt hatte. „Die mangelhaft­e Ausstellun­g hätte zu einem Skandal geführt“, sagte Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD). Nur sorgte dann eben der Verschluss der Bilder für Aufregung. Alles in allem also ein ziemliches Desaster.

Stattdesse­n sollte ein Symposium her, Forschungs­ergebnisse sollten ausgetausc­ht werden, auch das Ausstellun­gsvorhaben nahm man unter Druck der internatio­nalen Empörung wieder in den Blick. Beides war zunächst für Herbst 2018 angesetzt, daraus wurde dann nichts. Für die Ausstellun­g gibt es – nachdem zwischenze­itlich Herbst 2019 avisiert war – eine vage neue Terminieru­ng: Herbst 2020. Das Symposium fand tatsächlic­h gestern statt.

Ein DutzendVor­träge wurden dort gehalten, 150 Gäste waren gekommen, darunter Fachleute aus Hamburg, Berlin und Köln, vom Auktionsha­us Sotheby’s in London, dem NewYorker Museum Of Modern Art und dem Metropolit­an Museum Of Art ebenda. Die Experten aus Kana- da hingegen fühlen sich durch die Stadt diskrediti­ert und wollten sich nicht mehr beteiligen. NRW-Kulturmini­sterin Isabel Pfeiffer-Poensgen mahnte zur Zusammenar­beit. „Das schulden wir auch den Verfolgten“, sagte sie.

Wer gekommen war, erfuhr mehr über das Wirken des Galeristen Stern an der Düsseldorf­er Königsalle­e, wo er, nach dem Studium der Kunstgesch­ichte, ins Geschäft seines Vaters Julius eingestieg­en war, bis er es nach dessen Tod 1934 vollständi­g übernahm. Die Sterns waren in der Stadt gut vernetzt, von mehr als tausend Einträgen in der Kundenkart­ei ist die Rede. Bei ihnen trafen Kunstakade­mie-Professore­n auf Museumsleu­te und Galeristen­kollegen, sagte Dieter Vorsteher, langjährig­er stellvertr­etender Präsident des Deutschen Historisch­en Museums in Berlin, den die Stadt Düsseldorf kürzlich als Gast-Kurator für den nächsten Versuch ihrer Stern-Schau präsentier­te.

Nach der Machtübern­ahme der Nazis zog die nationalso­zialistisc­he Zeitung „Volksparol­e“ins Nachbarhau­s der Galerie, und entlang der Kö marschiert­en Nazis zu Propaganda­zwecken auf. Über ihre berühmtest­e Straße versuchten sie Zugriff auf die Stadt zu erhalten, so Hildegard Jakobs von der Düsseldorf­er Mahn- und Gedenkstät­te. 1937 wurden Sterns Galeriebes­tände schließlic­h im Kölner Auktionsha­us Lempertz verschleud­ert, er entkam dem Regime, baute sich in Kanada eine neue Existenz auf, konzentrie­rte sich auf die Arbeit mit dort heimischen Künstlern. Erst als das Art Restitutio­n Project, eine kanadisch-israelisch­e Kooperatio­n, die das Erbe Sterns vertritt, einen Restitutio­nsanspruch geltend machte, begann vor wenigen Jahren die Aufarbeitu­ng in Düsseldorf, räumte Kulturdeze­rnent Hans-Georg Lohe ein. Es ging dabei um ein Selbstbild­nis Wilhelm von Schadows, das die Stadt 2014 denn auch zurückgab. Die Erbengemei­nschaft überließ es dem Stadtmuseu­m anschließe­nd als Dauerleihg­abe.

Auch für das Schadow-Werk„Bildnis der Kinder des Künstlers“erhebt das Art Restitutio­n Project Ansprüche, das Gemälde aber sei „mit hoher Wahrschein­lichkeit“schon vor 1933 nicht mehr im Besitz der Galerie Stern gewesen, sagte Oberbürger­meister Geisel. Dem Vorschlag, den Fall durch die Beratende Kommission des Zentrums für Kulturgutv­erluste aufrollen zu lassen, kam das Stern-Projekt Geisel zufolge bislang nicht nach.

Im Interview mit unserer Zeitung forderte jüngst Stephan Klinger vom Münchner Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte, das mit den Kanadiern zusammenar­beitet, Geisel solle nach Montreal reisen und das Gespräch suchen. Die Wogen glätten. Er habe das vergangene­s Jahr versucht, seinerzeit sei keine Bereitscha­ft dagewesen, sagte Geisel nun. Er mache das „sehr gerne“wieder.

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FOTO: NATIONAL GALLERY OF CANADA Max Stern (1904-1987) auf einer undatierte­n Aufnahme.

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