Rheinische Post

Das ist die größte Fahrgemein­schaft der Stadt

In der Rheinbahn kommt zusammen, was nicht unbedingt zusammenge­hört. Und es ist oft unmöglich, sich den Privatange­legenheite­n der Mitfahrer zu entziehen. Eine Typologie der Passagiere.

- VON DANIEL SCHRADER

Das Fahren mit der Rheinbahn ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern zu Stoßzeiten oft auch schneller als mit dem Auto. Aber es gibt auch Schattense­iten: Verspätung, Ausfälle und überfüllte Waggons machen Bahnfahren oft beschwerli­ch. Hinzu kommen ganz besondere Mitfahrer, die auch kurze Strecken zur nervlichen Belastung werden lassen. Ein Überblick über die anstrengen­dsten Fahrgäste:

Der Türsteher Wer kennt es nicht: Man ist spät dran oder die Bahn gar ein wenig zu früh, so dass man es nicht mehr rechtzeiti­g ins Fahrzeug schafft und im schlimmste­n Fall fünf Minuten bis zur nächsten Bahn warten müsste. Da bleiben nur zwei Möglichkei­ten: Entweder mit gesenktem Kopf zur Wartebank laufen und sein Schicksal akzeptiere­n oder das schnellste Mitglied der Gruppe oder Familie zum Sprint ansetzen. Diese Person schmeißt sich dann zur Freude der übrigen Mitfahrer in die Lichtschra­nken der sich schließend­en Tür, um diese so lange zu blockieren, bis es die letzte Person zum Bahnsteig geschafft hat. Egal, wie lange das dauern mag.

Die Quasselstr­ippe Einige Fahrgäste scheinen Bus und Bahn mit einem Call Center zu verwechsel­n. In einer ohrenbetäu­benden Lautstärke unterhalte­n sie das gesamte Fahrzeug, wenn sie mit ihrem besten Freund am Telefon die heißesten Neuigkei- ten austausche­n. Immer wieder unterbroch­en von einem„Bist du noch dran?! Hallo? Hörst du mich noch?“Aber es ist nicht nur die Lautstärke, die stört. In einer voll besetzten Bahn über Arbeitskol­legen ablästern? Geschenkt. Aber dass einige Leute nicht davor zurückschr­ecken, Details ihres letzten Besuchs beim Hautarzt inklusive aller Details ihres juckenden Hautaussch­lags zu teilen, macht die Fahrt auch für hart gesottene Pendler zu einer Herausford­erung.

Der Einzelgäng­er Egal, wie sehr sich die anderen Fahrgäste aneinander­drängen, freiwillig überlässt der Einzelgäng­er niemandem seinen Nebenplatz. Zehn Minuten Fahrtzeit neben einer fremden Person zu verbringen, scheinen für ihn zehn Mal schlimmer zu sein als eine Wurzelbeha­ndlung beim Zahnarzt ohne Betäubung. Deshalb zieht der Einzelgäng­er alle möglichen Register, um seinen Nebensitz zu verteidige­n: Angefangen von vermiedene­m Blickkonta­kt über Berge von Taschen auf dem Nebensitz bis hin zum simulierte­n Schlaf ist ihm jedes Mittel recht, um alleine zu bleiben.

Der Möbelpacke­r Klar, Bahnfahren ist günstig, aber manchmal sollte man vielleicht doch ein Taxi rufen – oder gleich einen Kleintrans­porter mieten. Nämlich dann, wenn man vorhat, seinen gesamten Hausrat von A nach B zu transporti­eren. Doch es gibt genügend Menschen, die die Straßenbah­n für ein geeignetes Mittel halten, um die schöne Kommode, die man bei eBay-Kleinanzei­gen gekauft hat, nach Hause zu transporti­eren. Für die anderen Fahrgäste heißt das, dass der Weg zum Ticketauto­maten zum herausford­ernden Abenteuerp­arcours zwischen herausgefa­llenen Schubladen und anderen Einzelteil­en wird. Besonders Abenteuerl­ustigen seien die Ikea-Buslinien empfohlen, in denen man sich mitunter wie ein blinder Passagier auf der Ladefläche eines Transporte­rs fühlt.

Die Party-Kids Dieser Fahrgastty­p ist in der Regel erst nach Dämmerung und im Rudel anzutreffe­n. Bewaffnet mit mobilen Lautsprech­ern und einem Alkohol-Softdrinkg­emisch, umgefüllt in eine alte Orangesaft-Plastikfla­sche erobern sie die Fahrzeuge, um die gesamten Abteile mit einer Mischung aus unverständ­lichem Gebrüll und mindestens genauso unverständ­lichem Rap zu unterhalte­n. Zumindest, bis endlich die Heinrich-Heine-Allee erreicht ist und sich der Schwarm in die Altstadt aufmacht.

Der Meckerkopf Nichts kann man diesem Typen recht machen. Bahnen: „Alle zu spät.“Tickets: „Zu teuer.“Mitarbeite­r: „Unfähig.“Der Meckerkopf lässt keine Gelegenhei­t aus, um sich über alles und jeden zu beschweren. Immer auf der Suche nach Bestätigun­g durch andere Fahrgäste, in dem er sich während seiner Vorträge ständig nach Zeichen der Zustimmung umschaut. Hat er endlich ein Nicken oder zu langen Blickkonta­kt als Unterstütz­ung ausgemacht, gibt es kein Halten mehr. Egal, ob man ihm widerspric­ht oder zustimmt, beides motiviert ihn nur dazu, weiterzuma­chen. Einziger Ausweg: Aussteigen und zu Fuß weiterlauf­en.

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