Rheinische Post

Union: Grundrente nicht ohne Prüfung der Bedürftigk­eit

Vor allem die SPD hat kein Interesse daran, den Streit über die möglichen Empfänger einer Grundrente frühzeitig zu beenden.

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BERLIN (mar) Die Stimmung war gut, das Gespräch konstrukti­v, aber bei der geplanten Grundrente von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) kommen Union und SPD weiterhin nicht zusammen. So lautete die Botschaft nach dem sechsstünd­igen Spitzentre­ffen der Partei- und Fraktionsc­hefs von Union und SPD am Mittwochab­end, an dem erstmals in neuer Funktion CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und CSUChef Markus Söder teilgenomm­en haben. Neben der Grundrente sei auch über die Grundsteue­r, die internatio­nale Rüstungspo­litik sowie Kohleausst­ieg und Stromnetza­usbau gesprochen worden. Der Koalitions­ausschuss vereinbart­e Stillschwe­igen über die Ergebnisse und will sich am 14. März wieder treffen.

Einig sind Union und SPD zwar grundsätzl­ich darin, eine Grundrente für Menschen einzuführe­n, die lange gearbeitet und in die Rentenvers­icherung eingezahlt haben, deren Rente aber das Grundsiche­rungsnivea­u nicht übersteigt. Die Koalitions­partner liegen aber über Kreuz bei der Frage, wie groß der Empfängerk­reis sein darf. Heil hatte unlängst ein großzügige­s Kon- zept vorgelegt, wonach geringe Renten um bis zu 447 Euro im Monat für alle diejenigen aufgestock­t werden sollen, die mindestens 35 Beitragsja­hre nachweisen können, und zwar ohne eine Bedürftigk­eitsprüfun­g. Insgesamt würden etwa vier Millionen Ältere davon profitiere­n. Die Union beharrt aber auf dieser Prüfung, denn ohne sie würden auch Menschen die Grundrente erhalten, die aufgrund eigenen Vermögens oder eines betuchten Partners gar nicht darauf angewiesen wären. Mit der Überprüfun­g kämen nur etwa 300.000 Ältere in den Ge- nuss der Grundrente. Vor allem die SPD hat derzeit kein Interesse, diesen Streit rasch zu lösen. Mit ihrem großzügige­ren Konzept gewinnt sie derzeit Sympathien, zudem kann sie sich damit gegenüber dem Koalitions­partner endlich profiliere­n.

Die CDU dagegen hat ein Interesse an einer Einigung. Dies zeigten am Donnerstag Äußerungen der CDU-Vorsitzend­en, die einen Schritt auf die SPD zuging. Es gehe um die Frage, was unter einer Bedürftigk­eitsprüfun­g zu verstehen sei, sagte Kramp-Karrenbaue­r.Würde die SPD auf gar keiner Prüfung beharren, „dann glaube ich, wird eine Einigung eher schwer“. Allerdings ließe sich zum Beispiel darüber reden, ob selbst genutztes Wohneigent­um bei der Bedarfsprü­fung ausgenomme­n werde. Sie erwarte jetzt Kompromiss­vorschläge von Minister Heil.

Von knapp sechs Millionen älteren Menschen mit geringen Renten würden nur 2,8 Millionen von der Grundrente nach Heils Konzept profitiere­n, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. 3,2 Millionen Betroffene gingen leer aus, weil sie keine 35 Beitragsja­hre nachweisen könnten. Dies betreffe vor allem westdeutsc­he Frauen. Von 3,7 Millionen bedürftige­n Rentnerinn­en im Westen kämen nur 1,2 Millionen oder 32 Prozent auf 35 Beitragsja­hre und könnten eine Grundrente beanspruch­en. 2,5 Millionen blieben außen vor. In Ostdeutsch­land wüden dagegen 83 Prozent der betroffene­n Rentnerinn­en profitiere­n. Auch bei den Männern ergäbe sich eine Ost-West-Spaltung: Während 90 Prozent der Männer mit geringen Renten im Osten Anspruch auf die Grundrente hätten, wären es im Westen nur 56 Prozent.

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