Rheinische Post

Ed Sheeran und die U81 bei Stunksitzu­ng

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Das Programm der Sitzung war mit „Die Rückkehr zum Planet der Jecken“überschrie­ben und war teilweise richtig bitterböse.

Das hat höchstes Social-Media-Shitstorm-Potenzial: Dem Autorentri­o des Stunk im Capitol und dem achtköpfig­en Ensemble ist nichts heilig, absolut nichts. Bei jedem Thema, das nicht rund läuft, egal ob internatio­nal, national, regional oder lokal, legen die „Stunker“nicht nur den Finger in die Wunde. Nein, sie nehmen direkt die ganze Hand und so den karnevalis­tischen Auftrag, Kritik an den Machenscha­ften der Regierende­n zu üben, ernst. In Zeiten, in denen Karnevalss­itzungen oft nur noch aus einer Aneinander­reihung von Witzen bestehen, scheinen die Stunk-Autoren Martin Meyer-Bode, Sabine Wiegand und Jens Neutag zu Bewahrern der närrischen Politik- und Gesellscha­ftskritik zu werden.

„Die Rückkehr zum Planet der Jecken“, so der Titel des Stunk-Programms 2019, changiert zwischen bitterböse­r, teilweise laut heraus gebrüllter Eloquenz, bei dem so manch einem Jecken im Publikum der Lacher im Halse stecken bleibt, bis zu leise vorgetrage­ner Missbillig­ung bestehende­r Verhältnis­se, bei der man auf Zwischentö­ne hören muss.

Und der „Planet der Jecken“ist topaktuell: „Der letzten Gag über die Düsseldorf­er Verhältnis­se ist vor einer Woche entstanden“, verrät Stunk-Ensemblemi­tglied Dennis Prang. Die Stadtpolit­ik bekommt in einem gnadenlose­n Rundumschl­ag ihr Fett weg. Thematisie­rt werden Wohnungsno­t mit steigenden Mietpreise­n, der Flop mit dem Ed Sheeran-Konzert, das Gezerre um Brücke oder Tun- nel der U81. „Immer wird eine Sau durch Düsseldorf getrieben und alle sind so aufgeregt“, sagt Carolin Stähler mit dem typischen Akzent ihrer Rolle als Rathaus-Toilettend­ame Frau Zwonkowski. „Aber was ist mit den echten Problemen: 2000 fehlende Kitaplätze, kein Mensch mit normalem Gehalt kann sich leisten Wohnraum, Autos stinken die Innenstadt voll? Da passiert hier nix. Wenn SPD regiert mit Grüne: Warum gibt es dann hier nur Wohnungen für Schwerreic­he? Warum so schlechte Bus und Bahn?“Die Vermutung des Stunk ist, dass es vielleicht an der FDP liegt, die im Ampelbündn­is in Düsseldorf mitregiert. „Vielleicht ist die Ampel ja kaputt und steht immer auf Gelb“, mutmaßt die Zeitreisen­de Eileithia alias Ilva Melchior.

Das TV-Erfolgsfor­mat „Höhle der Löwen“wird zur „Höhle der Blöden“, die Grünen kommen mit ihrer neuen Rolle als Volksparte­i nicht zurecht und müssen sich ei- ner „Machtentsp­annungsthe­rapie“unterziehe­n, der Pflegenots­tand wird mit mathematis­cher Präzision seziert und rechtsextr­eme Tendenzen in der vermeintli­ch ach so aufgeklärt­en deutschen Gesellscha­ft werden durch den Kakao gezogen. Und auch vor religiösen Missstände­n haben die Stunker keine Angst. So wurde das „Vater unser“auf jeck umgetextet mit Passagen wie „Prinz unser im Himmel, geheiligt werde dein Narr. Dein Karneval komme. Dein Fasteloven­d geschehe, wie im Rheinland so in Weeze“oder „Und führe uns nicht in die Domstadt, sondern erlöse uns von den Kölnern“.

Erstaunlic­h, dass es noch Restkarten für alle Termine gibt. Im Internet-Ticketshop Ticketmast­er kann man sich unter www.ticketmast­er.de und dem Suchbegrif­f „Stunk“noch dreieinhal­b gesellscha­ftskritisc­he, polit-satirische und höchst amüsante Stunden buchen. Tino Hermanns

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FOTO: A. ENDERMANN Auch die Bundespoli­tik hier mit der Darstellun­g von Kanzlerin Merkel als Biene (M.) mit Koalition und Opposition ist Thema der Stunksitzu­ng.

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