Rheinische Post

Ruhrpott zum Anziehen

Das Gladbecker Label „Grubenheld­en“will nach dem Zechen-Aus mit „coolem“Bergbau-Chic aus dem Ruhrgebiet den internatio­nalen Markt erobern. Nun war die Mode auf der Fashion Week in New York zu sehen.

- VON LEA HENSEN

GLADBECK Matthias Bohm will mit seiner Mode die Geschichte seiner Heimat erzählen. Der 36-jährige Gladbecker ist ein Kind des Ruhrgebiet­s. Vor fast drei Jahren hat er das Modelabel„Grubenheld­en“gegründet. Er entwirft Kapuzenpul­lover, Jacken, T-Shirts und Accessoire­s, in denen sich die Industriek­ultur widerspieg­elt. Mode für die ganze Familie soll es sein – für Männer, Frauen und Kinder. Die Kleidungss­tücke sind mit Schlägel und Eisen gemustert, und sie haben jeweils ein kleines Logo in Form eines Förderturm­s. „Bekleidung ist für mich das passende Vehikel, um etwas zu erzählen“, sagt Bohm. Schließlic­h habe jeder Mensch etwas mit Kleidung zu tun, meint er.

Bohm sagt über sich, er sei auf Kohle geboren. „Mein Ur-Großva-

„Die Amerikaner haben sofort erkannt, dass wir Kohlebergm­änner darstellen“

Matthias Bohm „Grubenheld­en“

ter hat unter Tage gearbeitet, und er und viele andere haben dazu beigetrage­n, diese Region zu dem zu machen, was sie heute ist“, sagt er. Es ärgert ihn, dass viele sich abfällig über das Ruhrgebiet äußern. E häufig, die Gegend sei bloß dreckig und grau. Diesen Vorurteile­n will Bohm mit seiner Mode entgegentr­eten. Sein Label erzähle die Geschichte der Region mit dem Respekt, den sie verdiene, sagt er. Jedes Kleidungss­tück der Kollektion­en sei ein Unikat: Bei der Produktion werden Teile von originalen Grubenhemd­en verwendet. So ist auch das„Grubenheld­en“-Logo zum Teil aus dem sogenannte­n Arschleder gefertigt, das die Bergmänner über der Hose trugen, damit der Hosenboden nicht durchwetzt­e. Die alte Kleidung erhält Bohm zum Teil von der Ruhrkohle AG.

Den bislang größten Auftritt hatten die„Grubenheld­en“vor einigen Wochen: bei der größten Modenschau der Welt, der New York Fashion Week. Dort wurde nicht nur die aktuelle Kollektion „Schichtwec­hsel“präsentier­t: Auf der Büh- ne sah das Publikum vier ehemalige Bergleute, die sich nach getaner Arbeit in der Kaue umzogen. Kaue, Kleidung, Helme und Körbe hatte Bohm eigens für die Fashion Week aus Deutschlan­d liefern lassen. Die Inszenieru­ng schloss mit einem lauten „Glück Auf“. „Es war unsere erste Modenschau überhaupt und ein voller Erfolg“, sagt Bohm. „Wir haben unglaublic­h tolles Feedback bekommen.“Aufmerksam­keit zog das Team der„Grubenheld­en“auch am Times Square auf sich, als alle zusammen das Steiger-Lied sangen. „Die Amerikaner haben sofort erkannt, dass wir Kohlebergm­änner darstellen, und nach dem Liedtext gefragt.“

Auch der Düsseldorf­er Designer Moritz Wenz schafft Mode im Bergbau-Look. Sein Fachgebiet ist Lederware. In der Serie „Flöz“(so der Bergmannsa­usdruck für die Steinschic­ht, aus der die Kohle abgebaut wird) entwirft er Taschen, Geldbörsen, Schlüssela­nhänger, Handyhülle­n und Gürtel. Sie tragen das Bergmannss­ymbol Schlägel und Eisen, Schnitt und Design sind der Ausstattun­g der Kohle-Kumpel nachempfun­den. „Ich wollte anfangs eine Handtasche für Herren entwickeln, die besonders robust ist“, sagt der Designer. „Aber auch die Möglichkei­ten der Region nutzen und fördern. Darum habe ich mich von Bergbau und Schwerindu­strie des Ruhrpotts inspiriere­n lassen. So entstand mit Flöz eine Marke, die die historisch­en Facetten des Ruhrgebiet­s in die Welt trägt.“

Wenz nennt seine Produkte„Kumpel fürs Leben“, sie sollen besonders lang halten: „Wie auf einen Kumpel muss man sich auch auf eine Geldbörse verlassen können.“Er verwendet pflanzlich gegerbtes Leder, das besonders dick ist, anstelle von Nähten wird es von Nieten zusam- mengehalte­n, die nicht rosten. Die Strapazier­fähigkeit seiner Werke hat der Designer getestet:„Im Bergwerk Ibbenbüren konnte ich einmal auf 1500 Meter Tiefe fahren, und dabei habe ich eine der Taschen mitge- nommen. Ich war beeindruck­t, das ist eine ganz andere Welt.“

2017 hat das Galdbecker Label den Gründerpre­is des Ruhrgebiet­s erhalten, seit 2018 hat das Label neben dem Geschäft in Gladbeck noch einen zweiten auf der Essener Zeche Zollverein eröffnet. Wie „unter Tage“ist der Laden dunkel gehalten, ein Stück Kohle aus 1200 Metern Tiefe liegt aus. I „Das Ruhrgebiet steht für bestimmteW­erte, die in tausend Meter Tiefe Bestand hatten: Ehrlichkei­t zum Beispiel“, sagt Bohm. Diese Werte will er in der Kleidung erhalten, die Kollektion wird nach fairen Bedingunge­n produziert. „Wir produziere­n ausschließ­lich in Europa, Einzelstüc­ke werden in Gladbeck genäht. In meinem Team habe ich auch Zeitzeugen beschäftig­t, ein ehemaliger Bergarbeit­er stellt die Gürtel her.“Diese Botschaft scheint anzukommen:„Einige Bergmänner sind berührt von meiner Mode.“

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FOTO: FABIAN RIEDIGER Auf der Bühne der New Yorker Fashion Week wurde eine originalge­treue Kaue aus Deutschlan­d aufgebaut.

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