Messiaen: Quartett für das Ende der Zeit
Klassik Komponisten können sich die Orte, an denen sie Meisterwerke schreiben, manchmal nicht aussuchen. Und ob es am Ende wirklich ein Meisterwerk ist, das entscheiden ja andere. Aber in diesem Fall musste das Werk an genau diesem Ort geschrieben werden, in genau dieser Lage, es war nicht der Moment, an schöne Dinge zu denken, sondern an das Leben danach.
Was die Sicht auf das Metaphysische betrifft, war dieser Mann eminent begabt. Der Franzose Olivier Messiaen sah Farben, wenn er Harmonien hörte, er lauschte Vögeln und indischen Rhythmen, er phantasierte in Tönen über die sichtbaren und die unsichtbaren Dinge. Doch jetzt saß er seit Juni 1940 im Kriegsgefangenenlager Stalag VIII bei Görlitz und träumte von einem Kammermusikwerk, das zum einen der elenden Situation eine visionäre Perspektive abgewann und zum anderen die musikalischen Kompetenzen der Gefangenen berücksichtigte. Mit Hilfe des deutschen Offiziers Carl-Albert Brüll gelangte er an Notenpapier und Bleistifte und konnte sogar in einem abge- trennten Raum der Theaterbaracke komponieren. Die Aufführung von Messiaens „Quartett für das Ende der Zeit“fand am 15. Januar 1941 statt. Messiaen am Klavier wurde von Jean Le Boulaire an der Violine, Henri Akoka (Klarinette) und von Étienne Pasquier am Cello begleitet. Im Raum saßen 400 sprachlose, von ihren Gefühlen und der Musik überwältigte La- gerinsassen. Wenig später wurde Messiaen freigelassen.
Jetzt hat sich für die Sony ein fabelhaftes kleines Ensemble zu diesem Gipfel der modernen Quartettkunst zusammengefunden: Martin Fröst (Klarinette), Lucas Debargue (Klavier), Janine Jansen (Violine) und Thorleif Thedeen (Violoncello). Sie wissen, worum es geht, und dringen ein in die gleichsam liturgische Wucht dieser Musik. Das Ergebnis ist gigantisch.