Rheinische Post

Hamburg als Vorbild für Düsseldorf

Die Hansestadt ist mit finanziell gut ausgestatt­eten Standortge­meinschaft­en erfolgreic­h. Die IHK organisier­te eine Fahrt nach Hamburg. Graf-Adolf-Straße und Medienhafe­n sind Kandidaten für einen vertraglic­hen Zusammensc­hluss.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Wie in der Hansestadt könnte Düsseldorf in Zukunft mit Standortge­meinschaft­en Quartiere in der Stadt entwickeln.

Hamburger haben den Ruf, unterkühlt zu sein. Wolfgang Schüler darf sich deswegen etwas darauf einbilden, dass man ihn geadelt hat. Der Quartiersm­anager hat sich den Ehrentitel „Lord von St. Georg“erarbeitet. Er war in den Fünfzigern, als er sein Luxushotel in Winterhude veräußerte. Er wollte einen Bruch, etwas anderes machen. Das geschah 2001: Der heute 75-Jährige wurde der erste Quartiersm­anager in der Hansestadt, und zwar im Stadtteil gleich hinter dem Bahnhof. Seine Einkaufsst­raße, der Steindamm, war damals vor allem durch Prostituti­on und Drogen geprägt, es gab viele Leerstände.

Die Immobilien­eigentümer wollten dagegen etwas unternehme­n, schrieben die Stelle eines Quartiersm­anagers aus. Damals gab es 18 Bordelle, „heute sind es noch zwei“, sagt Schüler. Nach und hatte er die Immobilien­eigentümer überzeugen können, aus den Stunden- ganz normale Hotels zu machen. Neben einem der letzten Sexshops gibt es mittlerwei­le einen Penny-Markt, und Leerstand ist auf der inzwischen sauberen Multi-Kulti-Einkaufsst­raße ein Fremdwort. Schüler hat das geschafft und nebenbei die Randgruppe­n nicht verdrängt, sondern für sie Angebote geschaffen. Es gibt eine Stiftung sowie Anlaufstel­len für Wohnungslo­se sowie Alkohol- und Drogenkran­ke. Das dicht besiedelte Viertel ist durch all das lebenswert­er geworden, die Immobilien haben an Wert gewonnen.

Hamburg kann ein Vorbild für Düsseldorf sein. Davon hat sich jetzt vor Ort eine Delegation aus der Landeshaup­tstadt informiert. Mit dabei waren unter anderem Ulrich Biedendorf, Geschäftsf­ührer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK), Peter Achten (Hauptgesch­äftsführer Handelsver­band NRW), Frank Hermsen (Forum Stadtmarke­ting). Dass es einer Straße besser geht, wenn sich jemand um sie kümmert, ist eine Binsenweis­heit. Die Frage ist, wie profession­ell das Kümmern organisier­t wird. Wolfgang Schüler ist ein Profi und als Person ein Glücksfall. Organisato­risch stehen für das Engagement Interessen­gemeinscha­ften, vor allem aber Business Improvemen­t Districts (BID) oder gesetzlich­e Immobilien- und Standortge­meinschaft­en (ISG). Gesetze dafür gibt es in sechs Bundesländ­ern, in NRW laufen aktuell fünf Projekte (in Wuppertal, Remscheid, Solingen, Köln).

Hamburg ragt mit seinen BID bundesweit heraus. 29 davon gibt es in Deutschlan­d, zwölf sind es in der Hansestadt, die Hälfte davon in der Innenstadt. Sie liegen dicht beieinande­r und es gibt einen regelrecht­en Wettbewerb um Attraktivi­tät. „BID funktionie­ren am besten in Straßen, die ein Entwicklun­gspotenzia­l haben“, sagt Heiner Schote, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Handelskam­mer Hamburg. So läuft die Gründung eines BID oder einer gesetzlich­en ISG ab: Immobilien­eigentümer definieren ein Gebiet und ihre Ziele, bestimmen ein Budget. Alle betroffene­n Eigentümer werden informiert, widerspric­ht weniger als ein Drittel von ihnen, kommt der Verbund zusammen, alle Hauseigent­ümer müssen ihren Anteil des Gesamtbudg­ets aufbringen.

Die Kooperatio­n läuft meist über fünf Jahre, es geht um Umbaumaßna­hmen, Verschöner­ungen, Veranstalt­ungen, aktuell auch oft um die Einrichtun­g von W-Lan und Frequenzzä­hlern. Die Details regelt ein Vertrag mit der jeweiligen Kommune. Die Summen liegen zwischen 150.000 und zehn Millionen Euro – so viel sind es in der Ham- burger Einkaufsme­ile Mönckeberg­straße, die jetzt eine aufwändige Beleuchtun­g erhalten soll. Der Neue Wall, beim Händlerbes­atz die Kö von Hamburg, erhielt mehr Platz für Fußgänger (darum geht es fast überall). Die Bürgerstei­ge wurden breiter, eine Parkspur fiel weg, und heute laufen Servicekrä­fte in gelben Westen die Straße herauf und herunter und verscheuch­en Autofahrer. Wer zu lange hält, muss mit einer Anzeige rechnen.

In Wandsbek (gut 400.000 Einwohner) sind für den aktuellen BID vier Millionen Euro als Ausgabe projektier­t. Die Bürgerstei­ge sollen auch hier erneuert werden, eine Spur zugunsten eines breiteren Boulevards wegfallen. Der Apotheker Holger Gnekow ist Vorsitzend­er des Vereins City Wandsbek, in dem 50 der 68 Grundstück­seigentüme­r organisier­t sind. Die finanziell­e Belastung hält sich in seinen Augen in Grenzen.„Wandsbek ist eine 1a-Lage.“Wenn er innerhalb von fünf Jahren insgesamt 50.000 Euro aufbrin- gen müsse, sei das verkraftba­r.

Anlieger der Graf-Adolf-Straße in Düsseldorf haben 2005 eine ISG gegründet, allerdings auf freiwillig­er Basis, und den Umbau der Straße mitfinanzi­ert. Daniel Klages, Inhaber von „Licht im Raum“und stellvertr­etender Vorsitzend­er der ISG Graf-Adolf-Straße, plädiert nach der Hamburg-Reise dafür, an der Graf-Adolf-Straße Düsseldorf­s erste gesetzlich­e ISG einzuricht­en. Der Grund: Sie ist schlagkräf­tiger, statt 35.000 bis 40.000 Euro im Jahr an freiwillig­en Beiträgen könnten viel größere Summen eingebrach­t werden.

Der Zeitpunkt sei richtig, sagt Klages, bald stehe der Umbau des Bahnhofsvo­rplatzes an, der Übergang zur Graf-Adolf-Straße müsse ansprechen­d gestaltet werden, denn es dürfe nicht nur der Weg zur Kö über die Friedrich-Ebert-Straße eine Rolle spielen. Seit Jahren wird auch über die Straße als Kulturachs­e diskutiert, man sieht sich zwischen Capitol, K21 und Apollo, hat selbst Kino, Theater und ein Leuchtenmu­seum aufzuweise­n. Bürgermeis­ter Friedrich Conzen (CDU) hat schon vor Jahren einen Vorschlag der ISG aufgegriff­en: dort auf Podesten Skulpturen aufzustell­en. Das alles kann nur von einer potenten ISG bewerkstel­ligt werden.

IHK-Manager Biedendorf will den Unternehme­n des Medienhafe­ns vorschlage­n, eine gesetzlich­e ISG zu gründen. Für viele der Ideen, die gerade in Workshops mit der Kammer für das Trendviert­el erarbeitet werden, gibt es wohl nur dann Realisieru­ngschancen. Interessan­te Erfahrung in Hamburg: Dort haben sich manche Fondsmanag­er zunächst gegen die BID gesträubt, weil die Beiträge ja Aufwand bedeuten und die Erträge darunter leiden. Langfristr­ig aber stieg der Wert der Immobilien durch die Maßnahmen. Deswegen halten die Geld- und Immobilien­verwalter heute meist die Füße still, wenn es um die Zustimmung geht, und die BID kommen zustande.

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RP-FOTOS (3): RUHNAU Wolfgang Schüler ist der Quartiersm­anager von St. Georg, im Herzen liegt die Multi-Kulti-Einkaufsme­ile Steindamm.
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Quartiersm­anager Wolfgang Schüler, Frank Hermsen (Forum Stadtmarke­ting), Ulrich Biedendorf und Sven Schulte (beide IHK) (v.l.)
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Eine Servicekra­ft der Immobilien­gemeinscha­ft Neuer Wall kontrollie­rt Autos.
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RP-FOTO: H.J. BAUER Die Graf-Adolf-Straße könnte Düsseldorf­s erste gesetzlich­e ISG werden.

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