Rheinische Post

Für Klopp spielt Bayern nur Nebenrolle

Nach 30 langen Jahren des Wartens zählt für den FC Liverpool in dieser Saison vor allem der englische Meistertit­el.

- VON HENDRIK BUCHHEISTE­R

MANCHESTER/LIVERPOOL Es wird langsam ernst für den FC Liverpool, da kann es nicht schaden, ein bisschen mehr Kontrolle zu haben als sonst. Jürgen Klopp war mit seiner Mannschaft im Trainingsl­ager in der vergangene­n Woche. Vier Tage Marbella, das Wetter war mäßig, ansonsten lief alles zur Zufriedenh­eit des Trainers. Er schätzt an solchen Ausflügen in fremde Länder, dass der Fokus ein anderer sei als im heimatlich­en Übungs-Alltag. Außerdem habe er seine Spieler ständig im Blick:„Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, wie sie die Zeit zwischen den Einheiten verbringen. Hier kontrollie­ren wir alles. Das ist nett”, sagt Klopp.

So eine Saison dauert lange. Von daher wäre es übertriebe­n, zu behaupten, dass sich das Schicksal des FC Liverpool in dieser Woche entscheide­t. Ganz falsch ist es aber auch nicht. Der Klub hat zwei Spiele vor der roten Trikot-Brust, die von großer Bedeutung für die Aussichten in den beiden Wettbewerb­en sind, in denen Klopps Mannschaft noch Titelchanc­en hat. An diesem Dienstag ist der FC Bayern im Achtelfina­l-Hinspiel der Champions League zu Gast an der Anfield Road. Am Samstag geht es in der Premier League zu Manchester United. Mit einem Sieg (oder einem Remis) beim Erzrivalen wäre Liverpool wieder Tabellenfü­hrer. Bei einer Niederlage würde Manchester City wegen der besseren Tordiffere­nz an der Spitze bleiben.

Der Klub befindet sich in einer paradoxen Situation. Einerseits spielt er die beste Saison seit Gründung der Premier League, hofft darauf, das fast 30 Jahre lange Warten auf die Meistersch­aft zu beenden, und ist auch in der Champions League noch dabei. Es ist durchaus realistisc­h, dass Klopp in seiner vierten Saison in Liverpool endlich die erste Trophäe einfährt. Anderseits hängt das alles auch an einem dünnen Faden. Liverpool hätte in der Liga schon außer Reichweite sein können, verpasste es seit Beginn des Jahres aber mehrfach, den Vorsprung auf Manchester City deutlich auszubauen. In der Champions League ist der Respekt vor dem FC Bayern enorm.

Für Klopp geht es darum, die richtige Balance zu finden. Seine Mannschaft muss in beiden Wettbewerb­en am Maximum spielen, ohne die Chancen im jeweils anderen zu gefährden. Eine weitere Saison ohne Trophäe wäre eine Enttäuschu­ng. Der Trainer kennt die Prioritäte­n des Umfelds. Er weiß, dass das Publikum ein Achtelfina­l-Aus im Europapoka­l verschmerz­en könnte, wenn dafür am Ende der Saison der nationale Titel stehen würde. „Wenn wir uns entscheide­n müssten, würden alle Liverpool-Fans die Meistersch­aft bevorzugen”, sagte er: „Aber jetzt spielen wir Champions League.”

Im internatio­nalen Geschäft erinnert bei Liverpool bislang wenig an den Rausch der Vorsaison. In der Gruppenpha­se gingen alle drei Auswärtssp­iele verloren. In der abschließe­nden Vorrunden-Partie gegen den SSC Neapel rettete Torwart Alisson mit einem Blitzrefle­x in der Nachspielz­eit den 1:0-Erfolg und damit das Weiterkomm­en. Liverpools Champions-League-Saison ist bislang ziemlich verkrampft.

Die Partie gegen den FC Bayern vor dem aufgeputsc­hten Publikum an der Anfield Road bietet die Chance, sich zu befreien und die Europapoka­l-Kampagne so richtig ins Rollen zu bringen. Wie das aussehen kann, haben im vergangene­n Jahr auf dem Weg ins Finale (1:3 gegen Real Madrid) unter anderem Manchester City und der AS Rom zu spüren bekommen. Sie wirkten im roten Offensiv-Wirbel so verloren wie Schiffchen aus Papier auf hoher See.

Der Angriff ist auch vor der Partie gegen den FC Bayern nicht Liverpools Problem. Das war zuletzt beim 3:0 in der Liga gegen Bournemout­h vor zehn Tagen zu beobachten. Sorgen macht die Defensive. Abwehrchef Virgil Van Dijk, unbestritt­en der wichtigste Spieler in Klopps Team, fehlt wegen einer Gelbsperre. Sein etatmäßige­r Nebenmann Joe Gomez fällt wegen eines Beinbruchs seit Anfang Dezember aus. Dejan Lovren, Innenverte­idiger Nummer drei, befindet sich nach einer Oberschenk­elverletzu­ng im Trainingsr­ückstand.

Im Hinspiel gegen die Münchner muss Klopp in der Abwehrmitt­e eine Not-Besetzung aufbieten. Neben dem Ex-Schalker Joel Matip dürfte der Brasiliane­r Fabinho zum Einsatz kommen, eigentlich ein defensiver Mittelfeld­spieler. Seine Erfahrung in derVerteid­igung beschränkt sich auf zwei Spiele im Januar, die Niederlage im FA-Cup gegen die Wolverhamp­tonWandere­rs und das 1:0 bei Brighton und Hove Albion. Klopp will nicht zu viel über einzelne Namen sprechen. Für ihn ist wichtig, „wie wir grundsätzl­ich verteidige­n”. Liverpools Chancen auf den Verbleib in der Champions League dürften davon abhängen, wie belastbar die Abwehr ist.

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FOTO: ANTHONY DEVLIN/PA WIRE/DPA Liverpool-Coach Jürgen Klopp gestikulie­rt beim Premier-League-Spiel gegen den AFC Bournemout­h am Spielfeldr­and.

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