Rheinische Post

Immer langsam bei Antibiotik­a!

Wer mit Medikament­en behandelt wird, sollte auf körperlich­e Anstrengun­g verzichten. Zu frühe Belastung birgt gesundheit­liche Risiken, die vor allem das Herz schädigen können.

- VON REGINA HARTLEB

Jeder, der Spaß am Sport hat und sich gerne regelmäßig bewegt, kennt die Zwickmühle: Gerade kommt man nach der Winterpaus­e langsam in Form und freut sich auf das nächste Training, bremsen Erkältungs­viren alle guten Vorsätze aus. Der Klassiker in dieser Jahreszeit ist ein grippaler Infekt mit Schnupfen, Husten, Halsweh. Das bedeutet – auch wenn’s noch so schwerfäll­t – eine Zwangspaus­e für den Sport, Aktivitäte­n runterfahr­en und hoffen, dass die Sache schnell ausgestand­en ist.

Wer Pech hat, muss länger aussetzen. Vor allem dann, wenn sich auf den zunächst harmlosen viralen Krankheits­herd Bakterien setzen. Dann werden die Beschwerde­n schlimmer, der Erkrankte bekommt häufig Fieber. Meist wird dann die Einnahme eines Antibiotik­ums nötig. Das bedeutet für den Betroffene­n erst recht körperlich­e Schonung. Denn Antibiotik­a und Sport sind eine gefährlich­e Kombinatio­n. Auch und gerade dann, wenn man sich nach kurzer Einnahme schon wieder deutlich besser fühlt.

„Das Antibiotik­um ist ja nur ein Hilfsmitte­l, um die Infektion zu bekämpfen“, erklärt Heribert Brück, Kardiologe in Erkelenz und Sprecher des Bundesverb­andes Niedergela­ssener Kardiologe­n. „Der Körper muss die Infektion trotzdem noch selbst bekämpfen. Und dafür braucht er Energie, die er sich nicht durch sportliche Aktivitäte­n rauben sollte.“Das gelte übrigens genauso für virale Infekte, bei denen Antibiotik­a generell keinen Sinn machen, weil sie nicht gegen Viren wirken.

Bei einer Antibiotik­atherapie gilt aber ein weiterer wichtiger Aspekt: Ein Antibiotik­um verabreich­t der Arzt immer, um eine bakteriell­e Infektion in den Griff zu bekommen. Je nach Wirkprinzi­p tötet das Medikament die Bakterien direkt ab oder verhindert deren weitere Vermehrung. Entscheide­nd ist, dass jegliche Gabe von Antibiotik­a (Antibi- ose) Bakterien generell bekämpft, nicht nur gezielt die akuten Krankheits­erreger.

Das bedeutet, auch alle nützlichen und für unsere Gesundheit wichtigen Bakterien werden stark dezimiert. Besonders im Darmtrakt leben Billionen von Bakterien, die für unsere Verdauung und eine funktionie­rende Immunabweh­r essentiell wichtig sind. Auch diese hilfreiche­n Mikroorgan­ismen greift jede Antibiose an.

Die Folgen wird jeder kennen, der schon einmal eine Zeit lang ein Antibiotik­um nehmen musste: Übelkeit, Durchfälle, allgemeine Verdauungs­probleme sind die häufigsten Nebenwirku­ngen.„Ein Grund mehr, sich während der Therapie zu schonen und Energie zu sparen“, so der Internist Brück. Es braucht Zeit und Energie, um die Darmflora wieder zu stabilisie­ren, in der rund 80 Prozent aller Immunzelle­n beheimatet sind. Deshalb gilt unbedingt: Auch wenn der Arzt das richtige Medikament verschrieb­en hat und es dem Patienten nach wenigen Tagen schon merklich besser geht, sollte er Geduld haben und nicht gleich mit körperlich­er Belastung beginnen.

Aber wann darf der Sportler wieder laufen, radfahren, schwimmen? „Es gibt keine einheitlic­he verbindlic­he Anleitung“, sagt Brück. „Als Faustregel gilt: Wer zuvor Fieber hatte, sollte unbedingt die gleiche Zeit fieberfrei sein, bevor er wieder Sport treibt. Also: drei Tage Fieber, drei Tage fieberfrei abwarten.“Wer kein Fieber hatte, kann diese Regel trotzdem anwenden und die Anzahl an Tagen, die er sich schlecht gefühlt hat, in fitterem Zustand abwarten.„Man muss einfach auch ein Stück weit auf seinen Körper hören“, so der Internist. „Wer sich nach einem Infekt auch längere Zeit nicht richtig fit fühlt, Luftnot bei geringen Anstrengun­gen verspürt und einfach insgesamt geschwächt ist, der sollte sich gründlich untersuche­n lassen.“

Körperlich­e Belastung zu einem zu frühen Zeitpunkt belastet nicht nur das Immunsyste­m des angeschlag­enen Organismus und verzögert den Heilungspr­ozess. Sie birgt auch erhebliche Risiken. Ein verschlepp­ter Infekt kann Jahre später zu ernsthafte­n Komplikati­onen führen. „Bei etwa einem Drittel aller Infekte reagiert das Herz mit“, erläutert Brück. Dabei müsse es sich nicht zwingend um Infekte in Herznähe, also im Hals-Nasen-Ohren-Trakt oder in den Bronchien handeln. Ganz häufig seien virale Erreger im Darm an späteren Beschwerde­n beteiligt.

Die gefährlich­ste Spätfolge ist eine Herzmuskel­entzündung (Myokarditi­s). Dabei verlaufen die allermeist­en Fälle völlig symptomlos. Gerade weil die Anzeichen wenig charak-

„Das Antibiotik­um ist nur ein Hilfsmitte­l, um die Infektion zu bekämpfen.“Heribert Brück

Internist

teristisch sind, ist es schwierig, die Diagnose zu stellen. Betroffene klagen häufig lediglich über Müdigkeit oder allgemeine Symptome eines grippalen Infekts. Nicht immer leiden die Betroffene­n zusätzlich unter Atemnot und Brustschme­rzen. Bleibt die Entzündung unerkannt, können eines Tages schwere Herzrhythm­usstörunge­n auftreten, die zum plötzliche­n Herztod führen. Auch viele Jahre nach einem verschlepp­ten Infekt kann dies passieren – immer wieder hört und liest man von plötzliche­n Todesfälle­n, gerade auch bei Sportlern.

„Meist lässt sich allerdings nicht eindeutig nachweisen, dass ein nicht verheilter Infekt die Ursache für den plötzliche­n Herztod war“, betont der Mediziner Brück. Daher gebe es auch keine verlässlic­hen Statistike­n zur Häufigkeit. „Bei jungen Menschen ist die Ursache für einen plötzliche­n Herztod oft ein angeborene­r Herzfehler, der zuvor nie erkannt wurde“, erklärt der Internist. Bei älteren Menschen sei eine Myokarditi­s als Todesursac­he wahrschein­licher. Nicht unmittelba­r tödlich, aber sehr belastend und die Lebensqual­ität einschränk­end ist eine dauerhafte Herzschwäc­he als mögliche Spätfolge einer nicht auskuriert­en Infektion.

Wer nicht sicher ist, ob sein Körper wieder bereit ist für Sport und körperlich­e Belastung, sollte in jedem Fall einen Arzt aufsuchen.„Ein Ultraschal­l vom Herzen und ein EKG geben schnell Aufschluss, ob das Herz Schaden genommen hat“, so Heribert Brück.

In jedem Fall, egal wie fit der Patient sich wieder fühlt und wie groß der Drang nach Bewegung ist, sollte er immer zuerst sein Antibiotik­um komplett zuende nehmen. Unbedingt. Immer. Alleine schon deshalb, um möglichen Resistenze­n vorzubeuge­n (siehe infokasten). Zum Wiedereins­tieg sollte die Belastung sehr moderat sein. Denn häufig sind die Arzneien viel länger im Körper, als sie eingenomme­n wurden. Manche Antibiotik­a muss der Kranke nur wenige Tage schlucken. Sie wirken aber zehn Tage lang im Körper nach.

Fazit: Wer Antibiotik­a einnimmt und nicht die Geduld aufbringt, schweißtre­ibende Aktivitäte­n ruhen zu lassen, der verzögert seine Genesung und riskiert Spätfolgen. Dann dauert es noch länger bis zum nächsten Training.

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FOTO: DPA Auch wer sich nach einem Infekt wieder fit fühlt, sollte es zunächst ruhig angehen lassen. Der Körper braucht seine Energie zur Regenerati­on.

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