Rheinische Post

Drehbuch für die Schule

Lehrer-Kolumne Spannender Unterricht erzählt eine Geschichte am besten in Häppchen.

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Guter Unterricht ist wie ein gutes Buch oder ein guter Film. Beim Planen der kommenden Stunden komme ich mir oft vor wie ein Autor. Ob ich eher zur Riege des Dan Brown gehöre, oder ob ich mich an John Steinbeck orientiere­n soll, ist mir noch nicht ganz klar. Mein Frühwerk ist experiment­ell – eigentlich selbstvers­tändlich für einen Naturwisse­nschaftler.

Wie beginne ich die Stundenpla­nung? Starte ich wie Charles Dickens in „David Copperfiel­d“bei Adam und Eva oder steige ich direkt und persönlich ein wie Herman Melville in „Moby-Dick”: Nennt mich Herr Tomala? Der Stundenein­stieg wird unter Lehrern heftig diskutiert. Wie schafft man es, die Schülerinn­en und Schüler zu interessie­ren? Es gelten ähnliche Regeln wie in der Literatur und beim Film. Die ersten Minuten einer Stunde entscheide­n oft über die Einstellun­g. Wie in den meis- ten guten Büchern passiert das Beste in der Mitte und das Ende ist abstrakt. So vielseitig der Unterricht auch ist, man kann Genres unterschei­den. Da gibt es den aktionsgel­adenen Physik- und Chemieunte­rricht: Unter lebensgefä­hrlich erscheinen­den Bedingunge­n eignen sich die kleinen Helden Wissen und Kompetenze­n mittels Versuchen und Experiment­en an – Thriller pur, zum Glück gibt es Gefahrstof­fbeauftrag­te unter den Lehrern. Viel beschaulic­her geht es da in den Übungsstun­den zu: Wie in den viel verkauften Lebenshelf­ern wird bereits Bekanntes eingeübt. Für die Intellektu­ellen gibt es den Arthouse-Unterricht: Er besteht aus offenen Arbeitsfor­men mit vielen Debatten.

Am Ende steht der Schluss. Im Unterricht stellt er immer einen Widerspruc­h in sich dar, denn in der nächsten Stunde geht es ja weiter. Beendet man also jede Stunde mit einen Cliffhange­r? Trotzdem soll die Stunde ja in sich geschlosse­n sein. Wie in einer Serie versucht man, also eine große Geschichte, die Narrative, in viele kleine zu verpacken, ohne dass dabei wie bei „Game of Thrones” zu viele Helden sterben.

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F.: BRETZ Lutz Tomala ist Lehrer am Wim-Wenders-Gymnasium in Oberbilk.

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