Rheinische Post

Ungewöhnli­ches Gespann

Ein junger Flüchtling erweicht in „Schöne heile Welt“das Herz eines grantigen Mannes.

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DÜSSELDORF (ry) Willi (Richy Müller) ist Mitte 50 und arbeitslos­er Elektriker. Er ist der letzte Bewohner in einem zum Abriss bestimmten Mietshaus am Stadtrand und weigert sich auszuziehe­n, was ihm dank seiner präzisen Kenntnisse der bürokratis­chen Freiräume auch gelingt. Willi weiß, wie man beim Sozialamt in den Genuss von Zuschüssen kommt, und mit Schwarzarb­eit verdient er sich öfter was dazu. Kontakt zu anderen hat er wenig – Willi ist nicht nur selbstgere­cht und stur, sondern meist auch noch schlecht gelaunt. Bewegung kommt in das Leben des Grantlers, als er auf einen afrikanisc­hen Jugendlich­en trifft. Denn Willi lässt sich überreden, heimlich eine der leerstehen­den Wohnungen im Abrisshaus an dessen von Abschiebun­g bedrohte Familie zu „vermieten“. Er selbst will so wenig wie möglich mit den Ausländern zu tun haben, aber Fianarants­oa (N’Tarila Kouka), dessen Namen Willi kurzerhand zu Franz verkürzt, lässt sich nicht einfach abwimmeln. Als die beiden im Eislauf eine gemeinsame Leidenscha­ft entdecken, beginnt Willi zu seiner eigenen Überraschu­ng, sich um Franz zu kümmern.

Autor und Regisseur Gernot Krää („Mein vergessene­s Leben“) erzählt in „Schöne heile Welt“von sozialer Realität und seelischen Verletzung­en und findet dafür einen Tonfall zwischen wirklichke­itsnahem Drama und liebevolle­r Komödie. Auf den ersten Blick behandelt auch dieses Werk in gewisser Weise das Thema Flüchtling­e. Doch Krää relativier­t dies im Interview: „Das Drehbuch entstand eine ganzeWeile vor der sogenannte­n Flüchtling­skrise. Es ist ja auch kein Film über die ‚Flüchtling­sthe- matik‘, eher die Geschichte einer schicksalh­aften Begegnung zweier Verlierer unserer globalisie­rten, also völlig neu sortierten Welt. Und vor allem geht es um zwei Menschen sehr unterschie­dlicher Herkunft, die jeweils tiefe Verletzung­en erfahren haben – aber dennoch zu einem positiven emotionale­n Austausch finden.“

Im Mittelpunk­t spielt Richy Müller den Willi mit virtuoser Lakonie und schafft es dabei, die Zuschauer für den nicht gerade sympathisc­hen Griesgram einzunehme­n. Von seinem Hauptdarst­eller zeigt sich Krää begeistert: „Richy Müller ist ein großartige­r, erfahrener und sehr wandelbare­r Schauspiel­er. Und er hat Zugang und Zuneigung zur Welt der ‚kleinen Leute‘. Ich konnte und kann mir keine bessere Besetzung vorstellen. Richy hat die Rolle geliebt und mit großer Präzi- sion und Leidenscha­ft ausgefüllt.“Müller selbst hatte bei dem Projekt in erster Linie zwei Ziele vor Augen, die er mit seiner Darstellun­g des Willi erreichen wollte. Zum einen wollte er dem Charakter eine Form geben und ihm Leben einzuhauch­en, da es sich ja doch mehr um ein Märchen handelt als um die Realität. Zum anderen wollte er die Figur nicht denunziere­n, sondern sie für den Zuschauer begreiflic­h machen und somit ein gewisses Verständni­s für ihn erreichen.

Eine besondere Herausford­erung bestand in der Zusammenar­beit mit N’Tarila Kouka. Dieser stammt aus Paris, die Rolle des Franz ist seine erste Hauptrolle, für die er ein wenig Deutsch gelernt hat. Gernot Krää wählte den Jungen aus einem bestimmten Grund für die Rolle aus: „Zunächst habe ich mich dafür entschiede­n, einen Jungen zu besetzen, der tatsächlic­h kein Wort Deutsch versteht. Denn diese Fremdheit, dieses Nicht-Verstehen nur zu ‚spielen‘ ist sehr schwer. Gleichzeit­ig war natürlich schauspiel­erisches Talent und ein tiefes Verständni­s der Rolle ‚Franz’ wichtig. N’Tarila hat kongolesis­che Wurzeln und lebt in Paris. Meine Regieanwei­sungen kamen auf Englisch und wurden für ihn von meiner Mitarbeite­rin Charlotte Roustang ins Französisc­he übersetzt. Das hat dann manchmal ein wenig gedauert, aber wunderbar funktionie­rt.“Richy Müller schließt sich der Meinung des Regisseurs Meinung an. „Nichts zu verstehen zu spielen in diesem Alter ist nur überzeugen­d, wenn man nichts versteht. Das macht ihn ja auch so entzückend.“

 ?? FOTO: SWR/ALEXANDER KLUGE ?? Franz (N’Tarila Kouka, r.) zeigt Willi (Richy Müller) die Ausschreib­ung zu einem Eiskunstla­uf-Wettbewerb für Jugendlich­e. Willi hat jedoch erst einmal Zweifel, ob Franz daran überhaupt teilnehmen kann.
FOTO: SWR/ALEXANDER KLUGE Franz (N’Tarila Kouka, r.) zeigt Willi (Richy Müller) die Ausschreib­ung zu einem Eiskunstla­uf-Wettbewerb für Jugendlich­e. Willi hat jedoch erst einmal Zweifel, ob Franz daran überhaupt teilnehmen kann.

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