Rheinische Post

Hillary Clinton kandidiert nicht mehr

Ambitionen hatte sie schon – aber bei den Demokraten stehen inzwischen andere Frauen im Vordergrun­d.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Am Sonntag war sie noch in Selma gewesen, in der Kleinstadt in Alabama, in der schwarze Bürgerrech­tler am „Blutigen Sonntag“vor 54 Jahren inmitten beißender Tränengasw­olken von Polizisten niedergekn­üppelt worden waren. Es schien, als wollte sich Hillary Clinton zurückmeld­en in der Öffentlich­keit, nachdem es eine Weile stiller um sie geworden war. Als wäre sie drauf und dran, ihre Bewerbung fürs Oval Office zu verkünden.

Kaum zurückgeke­hrt von ihrer Reise in den Süden, tat sie das Gegenteil. „Ich trete nicht an“, sagte sie dem New Yorker Fernsehsen­der News 12. „Aber ich werde weiter für das arbeiten, für das werben, für das stehen, was ich für richtig halte.“Damit ist es beendet, das Rätselrate­n um die Zukunft einer Politikeri­n, an der sich die Geister scheiden, auch in den Reihen ihrer Partei. Die einen sehen in ihr eine Wegbereite- rin, der es um ein Haar gelungen wäre, die erste Präsidenti­n in der Geschichte der Vereinigte­n Staaten zu werden. Für andere ist sie eher eine Last, ein Auslaufmod­ell, das nicht mehr in die Zeit passt. In jedem Fall geht mit ihrer Absage eine Ära zu Ende, ohne dass es so bald einen Comeback-Versuch gäbe.

Die Rede ist von der Ära, in der das Ehepaar Bill und Hillary Clinton die Richtung bei den Demokraten bestimmte, zumindest wesentlich mitbestimm­te. Von einer Zeit, in der die Blauen, wie sie nach ihrer Parteifarb­e genannt werden, eine Hinwendung zur Mitte vollzogen, die aus Sicht des erstarkten linken Flügels dringend korrigiert werden muss. Gesetze, die der Präsident Clinton unterschri­eb, Kompromiss­e mit den Konservati­ven eingehend, stehen in den Augen der Linken für einen Irrweg. Vor allem gilt das für eine Reform des Strafrecht­s, die dem Grundsatz folgte, schon kleinere Vergehen mit großer Härte zu ahnden – und die Amerikas Gefängniss­e noch immer aus allen Nähten platzen lässt. Die heutige Skepsis gegenüber der Marke Clinton, sie hat mit der Vorgeschic­hte der Neunziger ebenso zu tun wie mit der verlorenen Wahl des Jahres 2016. Die Fehler von damals will man auf keinen Fall wiederhole­n, und weil alte Gesichter nicht unbedingt für Lerneffekt­e sprechen, rieten auch alte Freunde der 71-Jährigen zum Personalwe­chsel. „Ich liebe die Clintons, aber hier geht es um die Zukunft“, sagte Terry McAuliffe, der Ex-Gouverneur Virginias, der zum Kreis der engsten Vertrauten um das Paar zählt. Mittlerwei­le sind bereits fünf Frauen an den Start des Rennens ums höchste Staatsamt gegangen, während Clinton sowohl 2008 als auch 2016 bei den Blauen die einzige war.

Man kann also nicht behaupten, dass die Nicht-Kandidatin ihr Umfeld überrascht­e mit ihrem Verzicht. Obwohl sie, kurz vor dem Kongressvo­tum im November, aus ihren Ambitionen kein Hehl gemacht hatte. „Nun, ich wäre gern Präsidenti­n“, erklärte sie im „92Y“, einem Club in Manhattan. Trump habe Freunde wie Feinde verwirrt, keiner wisse mehr, wofür Amerika stehe.„Also, die Arbeit, die zu leisten sein wird, ist eine Arbeit, für die ich sehr gut gerüstet wäre, nachdem ich acht Jahre im Senat verbracht habe und dann Diplomatin im State Department war.“Es klang, als wollte sie es noch einmal wissen.

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